
Frauke Petry - mit ihrer Wahl hat die AfD einen klaren Ruck Richtung Rechtspopulismus vollzogen.
(Foto: imago/sepp spiegl)
Die Alternative für Deutschland hat sich ihres Vorsitzenden und jeglicher Tabus entledigt. Rote Linien gibt es nicht mehr - jetzt hetzen die Mitglieder ganz ungehemmt. Und dafür gibt es ordentlich Applaus.
Bernd Lucke hat vor gut zwei Jahren eine Partei gegründet. Er hat sie groß gemacht und ins Europaparlament geführt. Als Chef dieser Partei saß er in Talkshows und stand auf Marktplätzen. Nun steht er inmitten von rund 2000 Parteimitgliedern vor einem Mikrofon und wartet darauf, dass ihm das Wort erteilt wird. Frauke Petry steht auf, die sich bislang nicht in die Moderation dieses Parteitags eingemischt hat. "Bernd, wenn du ein persönliches Gespräch suchst, können wir das hinter der Bühne führen." Das Saalmikro wird nicht angeschaltet.
Lucke dreht Petry den Rücken zu und marschiert in Richtung der Kamerateams. Er wolle nicht mehr als Aushängeschild der AfD fungieren, sagt er. Dafür müsse man hinter der Partei stehen. Doch das tut er nicht mehr. Ist zu befürchten, dass die AfD jetzt so etwas wie ein "Front National light" wird? Leider ja, so Lucke. Er verschwindet unter hämischen Rufen.
Die AfD hat auf ihrem außerordentlichen Parteitag in Essen nicht nur einen Ruck nach rechts gemacht und sich ganz dem Populismus verschrieben. Die siegreiche Mehrheit rechnete auch brutal mit denjenigen ab, die zumindest in der Öffentlichkeit ein Mindestmaß an Abgrenzung zum rechten Rand demonstrieren wollten. Lucke und Petry, bis Samstag gleichberechtigte Sprecher der Partei, hatten sch monatelang beharkt.
Der Machtkampf gipfelte in der Wahl zum zukünftigen alleinigen ersten Parteisprecher. Lucke spürte die aggressive Stimmung gegen sich und sah kaum noch Chancen, zu gewinnen. In seinen Reden versuchte er gar nicht, anschlussfähig an den rechten Flügel zu sein. Lucke erhielt 38 Prozent der Stimmen, Petry 60. Als Co-Sprecher wurde der Ökonomie-Professor Jörg Meuthen mit 60 Prozent gewählt.
Lucke, ein Opfer der eigenen Strategie
Was am Tag darauf passierte, ist nur so zu erklären, dass sich die Anhänger Luckes über Nacht abgewendet hatten. In der Halle blieben viele Plätze leer. Statt rund 3500 Stimmen wie am Samstag wurden bei den Wahlen nur noch rund 2000 Stimmen abgegeben. Weitere Vorstandsposten wurden mit Petry-Getreuen besetzt, die teilweise über 80 Prozent Zustimmung bekamen. Lucke selbst hatte ausgeschlossen, unter Petry zu arbeiten, auch Joachim Starbatty kandidierte nicht. Der besiegte liberale Flügel, organisiert im "Weckruf"-Verein, leistete keinen Widerstand, als die Nationalkonservativen um Petry die Partei vollständig übernahmen.
Lucke-Anhänger waren enttäuscht. Viele versuchten, auf den Parteigründer einzuwirken. Um ihn herum bildete sich immer wieder eine Traube von Menschen. Die AfD sei doch die Chance, etwas zu verändern, sagte einer aufgebracht. "Die AfD war diese Chance", so Lucke. Nun ist sie das seiner Ansicht nach nicht mehr. Man kann das so sehen, wie Lucke es sieht: Dass seine AfD Opfer einer feindlichen Übernahme wurde. Man kann aber auch noch einmal daran erinnern, dass Lucke und seine Leute lange Zeit sehr gut mit den rechten Umtrieben in der Partei zurechtkamen, so lange sie Wählerschichten erschlossen und den Führungsanspruch des Vorsitzenden nicht in Frage stellten. Lucke ist kein Opfer einer Gegenbewegung, sondern ein Opfer seiner eigenen Strategie.
Je härter die Hetze, desto größer der Applaus
In der neuen AfD ist nun viel von Geschlossenheit die Rede. Kein Wunder, denn so, wie Petry die Partei positioniert, gibt es kaum noch Positionen, denen explizit widersprochen würde. Oder, wie es Petrys Stellvertreter Alexander Gauland sagt: "Ich bin gegen rote Linien in der Partei. Alles, was der freiheitlich demokratischen Grundordnung entspricht, muss diskutiert werden."
Die Partei schwelgt in ihrer neu gewonnenen Freiheit. Die EU-Abgeordnete Beatrix von Storch kann das ganze Repertoire an populistischen Themen durchexerzieren: Die Abschaffung der GEZ-Gebühr, die Aussetzung von Schengen, die Rückholung deutscher Goldreserven aus dem Ausland, die Beendigung von Gender-Forschungen. Von der drohenden Auflösung des Staates Deutschland ist die Rede.
Den stärksten Applaus gibt es für einen Bewerber, der die Grünen eine "pädophile Genderfaschistengruppe" nennt und der sagt, es gehe in Europa nicht um Migration sondern um Invasion. In der Stichwahl bekommt er 40 Prozent der Stimmen. Je härter hier gegen Zuwanderer gehetzt wird, desto mehr Zustimmung gibt es. Petry lässt das alles widerspruchslos geschehen. Rote Linien gibt es ja nicht mehr. "Das Berlin-Feeling von 2013 ist wieder da", schwärmt einer. "Klasse." Und ein anderer sagt: "Die AfD macht wieder Spaß."
Quelle: ntv.de