Politik

Liberale im Überlebenskampf Die FDP hat nicht nur neue Farben

Die FDP präsentiert auf ihrem Dreikönigstreffen nicht nur einen neuen Look. Ihr renoviertes Profil ist mehr als Marketing-Schnick-Schnack. Ungewiss ist, ob das reicht.

"Darreichungsform". Als im Dezember erstmals vom neuen Auftritt der FDP die Rede war, hieß es, die Partei bekomme bei ihrem traditionellen Dreikönigstreffen "einen radikalen Neustart in der Darreichungsform". In der Medizin macht es einen Unterschied, ob ein Wirkstoff als Pulver, als Pille oder Lösung daherkommt. Aber was bedeutet eine neue Darreichungsform in der Politik?

Wenn bei einer Partei davon die Rede ist, liegt es nahe, dass es sich um einen Etikettenschwindel handelt. Wenn es sich dann noch um die FDP handelt, heißt es schnell: Das ist der verzweifelte Versuch, mit einem neuen Anstrich aber ohne neue Inhalte wieder Wahlen zu gewinnen. Es war von "Schnick-Schnack" die Rede, sogar von Christian Lindners "Schönheits-OP". Der Parteichef hielt beim Dreikönigstreffen allerdings eine starke Rede und lieferte bei seinem Auftritt mehr als ein Facelift ab. Und doch ist fraglich, ob er seine gebeutelte Truppe damit am Ende retten kann.

Die Telekom lässt grüßen

Zunächst das Offensichtliche: Die FDP ergänzt ihre blau-gelben Parteifarben nun um einen Magenta-Ton. Sehr ähnlich dem der Telekom oder der Kinokette Cinemaxx. Das soll wärmer wirken. Und statt "Die Liberalen" unter den Buchstaben FDP steht jetzt "Freie Demokraten" darüber.

Lindner trimmt seine Partei aber auch auf einen klassischeren liberalen Kurs. Vom "mitfühlenden Liberalismus" ist keine Rede mehr. Lindner sagt: Es gehe nicht darum, den Liberalismus weiter zu verwässern. Die Devise sei nicht FDH (Friss die Hälfte), sondern "FD-Pur." Für Lindner heißt das: Ja zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Ja zu einer neuen Debatte über ein einfaches Steuersystem. Und Nein zum Solidaritätszuschlag.

Die FDP und ihr Bundesvorsitzender Christian Lindner versuchen einen neuen Aufbruch.

Die FDP und ihr Bundesvorsitzender Christian Lindner versuchen einen neuen Aufbruch.

(Foto: dpa)

Genauso wenig wie ein Zurück in die sozialliberalen Zeiten der 1960er und 1970er Jahre soll der neue Kurs der FDP allerdings ein Zurück sein in die rein wirtschaftsliberalen Zeiten eines Guido Westerwelle. Lindner hebt deshalb noch weitere Punkte hervor. Besonders wichtig ist es ihm, mehr Geld in das Bildungssystem zu stecken, statt in Rentenpakete. Im Unterricht fordert er Tablets und Apps statt eines Verharrens in der "Kreidezeit". Er spricht lange darüber, es jungen Unternehmern leichter zu machen, ihre Ideen in Deutschland zu verwirklichen. "Der deutsche Steve Jobs wäre schon an der Baunutzungsordnung seiner Garage gescheitert", sagt er.

Von AfD und Pegida grenzt Lindner sich ab und warnt davor, mit Ressentiments Politik zu machen. Er mahnt: "Wer heute weghört, weil er persönlich nicht betroffen ist, der könnte morgen das nächste Opfer sein." Statt das Asylrecht einzuschränken, fordert der FDP-Chef eine effizientere Verwaltung, um die Integration von Flüchtlingen zu erleichtern. Bürgerrechte, Mut zur Digitalisierung und zu neuen Technologien - Lindner versucht für einen Liberalismus in allen Lebensbereichen einzutreten. Besonders wichtig ist ihm, das ohne Scheu zu tun.

Kampf gegen Selbstzweifel

Nach den Westerwelle-Zeiten habe seine Partei gezögert, sich wieder zu klaren liberalen Haltungen zu bekennen, aus Angst vor dem, was in der Zeitung stehen könnte, aus Angst wieder als Besserverdiener- und Klientelpartei abgetan zu werden. Das soll sich ändern. "Wer andere für Freiheit begeistern will, der muss sich zuerst einmal wieder selbst befreien", sagt Lindner.

Der Tonfall des Parteivorsitzenden ist nicht das spontane Produkt seiner Redenschreiber. Die FDP führte im Sommer eine Mitgliederbefragung durch, um zu erfahren, wie die neue FDP aussehen soll. Es gab Mitgliedertreffen, es folgte eine Strategiekonferenz mit den Kreisvorsitzenden im September. Insgesamt gab es mehr als 300 Veranstaltungen, an denen mehr als 15.000 Liberale teilnahmen, um das neue Profil der FDP zu schaffen.

Die Farbe Magenta mag Marketing-Schnick-Schnack sein. Ob sich die FDP nun als "die Liberalen" oder "Freie Demokraten" bezeichnet, ist herzlich egal. Der Kurs, den Lindner skizziert, ist zwar eher Rückbesinnung als Paradigmenwechsel, aber der Parteivorsitzende kann ihn immerhin als das verkaufen, was die verbliebenen FDP-Anhänger wirklich wollen. Das ist ein Fortschritt auf dem Weg zurück zu Glaubwürdigkeit, an der es der Truppe zuletzt so fehlte.

Ob dieser Kurs auch das ist, was die Bürger wollen, die sich von der FDP abgewendet haben, ist allerdings eine andere Frage. Genauso wie die, ob sie überhaupt noch darauf hoffen, dass die FDP ihre Vorsätze in absehbarer Zeit zu Politik machen kann. Im Februar steht in Hamburg die Bürgerschaftswahl an. Im Mai die in Bremen. In Umfragen liegt die FDP in beiden Ländern deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Sollte die Partei nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen auch dort scheitern, droht der Truppe auch die letzte Aufmerksamkeit abhanden zu kommen. Da hilft auch kein grelles Magenta.

Quelle: ntv.de

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