Politik

CDU-Haushälter Middelberg "Die Story vom eisernen Christian wäre als Märchen entlarvt"

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Finanzminister Lindner strebte stets an, die Schuldenbremse einzuhalten - und er dachte, es sei ihm in diesem Jahr gelungen. Doch das Bundesverfassungsgericht sieht es anders - die Nebenhaushalte alias Sondervermögen zählen mit zur Schuldenbremse.

Finanzminister Lindner strebte stets an, die Schuldenbremse einzuhalten - und er dachte, es sei ihm in diesem Jahr gelungen. Doch das Bundesverfassungsgericht sieht es anders - die Nebenhaushalte alias Sondervermögen zählen mit zur Schuldenbremse.

(Foto: REUTERS)

Zum zweiten Mal wird die finale und entscheidende Haushaltssitzung abgesagt - so wie es die Union gefordert hat. Im Interview mit ntv.de sagt der einflussreiche CDU-Haushaltspolitiker Middelberg, warum es aus seiner Sicht so kommen musste, was das für die Schuldenbremse bedeutet und welche Möglichkeiten der Ampel bleiben.

ntv.de: Herr Middelberg, bei den Haushaltsverhandlungen kann man leicht den Überblick verlieren. Mal so gefragt: Wäre das alles ein Fußballspiel, in welcher Minute wären wir dann jetzt?

CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg bei einer Rede im Bundestag. Die Ampelkoalition hatte er schon seit Langem für die Umwidmung von Corona-Mitteln in Gelder für den Klima- und Transformationsfonds kritisiert.

CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg bei einer Rede im Bundestag. Die Ampelkoalition hatte er schon seit Langem für die Umwidmung von Corona-Mitteln in Gelder für den Klima- und Transformationsfonds kritisiert.

(Foto: IMAGO/Political-Moments)

Mathias Middelberg: Wir wären in der 90. Minute, aber wir müssen in die Verlängerung.

Eigentlich sollte an diesem Donnerstag der Bundeshaushalt für 2024 festgezurrt werden, die entscheidende Bereinigungssitzung wurde nun aber zum zweiten Mal verschoben. Was bedeutet das jetzt? Ist es das, was die Union wollte?

Nein, das haben wir uns nicht gewünscht. Wir wollen nicht die Haushaltsberatungen erschweren. Wir wollen einen verfassungsmäßigen Haushalt. Dabei sollte die Ampel die Schuldenbremse einhalten und grundsätzlich auch mit dem Geld auskommen, das unsere Volkswirtschaft über Steuereinnahmen erwirtschaftet.

Warum kann man ihn nicht schon jetzt beschließen?

Weil wir noch nicht wissen, welche Folgerungen sich aus dem Verfassungsgerichtsurteil ergeben und wie genau der Haushalt 2023 geändert werden muss. Das ist aber die Grundlage für den nächsten Haushalt. Der ist aus unserer Sicht erst beschlussreif, wenn wir wissen, wie die Verfassungswidrigkeit des Haushalts 2023 behoben wird. Deshalb war es zwingend geboten, dass die Ampel die finale Sitzung des Haushaltsausschusses an diesem Donnerstag verschoben hat. Sonst wären wir das Risiko eingegangen, dass der neue Haushalt auch verfassungswidrig ist, etwa wenn darin Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, auch bekannt als "Doppelwumms", verplant wären. Denn die dürfen absehbar auch nicht mehr genutzt werden.

Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, WSF, ist ohnehin seit Dienstag gesperrt.

Die Sperrung war unumgänglich, weil wir nicht wissen, was aus den Mitteln wird.

Wie geht es jetzt weiter?

Jetzt muss die Ampel erstmal einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr vorlegen. Da könnte sie theoretisch auch für 2023 noch einmal eine Notlage erklären und die Schuldenbremse aussetzen. Das könnte sie mit eigener Mehrheit. Allerdings wäre dann die Story vom eisernen Christian, der streng die Schuldenbremse einhält, dabei aber gleichzeitig riesige Schuldenberge in Schattenhaushalten anhäuft, endgültig als Märchen entlarvt.

Beim Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ging es um externe Fonds, den Klima- und Transformationsfonds und vermutlich auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds…

Nein, darum ging es nicht.

Nicht?

Das erzählt die Regierung, um uns den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wir haben nicht gegen den Klimafonds geklagt und sicher nicht gegen den Klimaschutz.

Das sieht Herr Habeck anders.

Richtig ist: Es ging um die verfälschende Buchungstechnik, die die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag extra neu vereinbart hatte. Das Verfassungsgericht hat nicht nur moniert, dass Corona-Mittel zu Klima-Geldern umgewidmet wurden. Es hat ebenso bemängelt, dass die Kredite nicht in den Jahren verbucht wurden, in denen sie tatsächlich für den Bundesetat anfielen, sondern in den Jahren, in denen die Ampel sie - nur intern - vom Kernhaushalt in ihre Sonderschuldentöpfe verschob. Diese Mogelbuchungen, die die Umgehung der Schuldenbremse verschleiern sollten, hat das Bundesverfassungsgericht kassiert.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner sagten vergangene Woche, der Bundeshaushalt sei von dem Urteil nicht betroffen, sondern nur der Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds. Sie sehen das anders. Warum?

Es geht um die bewusst falsche Buchungstechnik der Ampel. Und die gab es nicht nur beim Nachtragshaushalt 2021 mit den 60 Milliarden Euro für den Klimafonds, sondern genauso beim WSF oder "Doppelwumms". Die gesamten 200 Milliarden Euro Kreditermächtigungen verbuchte die Ampel auf das Jahr 2022. Nur da wurden sie auf die Schuldenbremse angerechnet. Eingesetzt werden sollten die Gelder aber überwiegend erst 2023 und 2024. Das widerspricht dem sogenannten Jährlichkeitsprinzip, wie das Verfassungsgericht klargestellt hat.

Bleibt es dabei, dass Sie als Union nicht gegen den WSF klagen?

Das ist nicht mehr nötig. Ich bin sicher, dass der WSF genauso verfassungswidrig ist wie der Nachtragshaushalt 2021.

Herr Habeck sieht es auch so und sagt, man brauche nicht zu klagen.

Es ist erfreulich, dass sich auch in der Regierung diese Erkenntnis durchsetzt.

Jetzt ist die große Frage, woher das fehlende Geld kommen soll. Als konstruktive Opposition machen Sie sich da ja sicher Gedanken.

Man wird nicht alle Lücken sofort nur durch Einsparungen schließen können. Das muss man der Regierung zugestehen. Mindestens für das kommende Jahr muss aber klar sein, dass die Regierung nicht mehr nur über Zeitenwende redet, sondern sie im Haushalt auch wirklich vollzieht. Sie muss die Prioritäten neu setzen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass wir jeden zehnten Euro für das Bürgergeld ausgeben. Wir haben vier Millionen Bürgergeld-Empfänger, die erwerbsfähig sind, also arbeiten könnten. Wenn wir es schaffen würden, eine Million davon in Arbeit zu bringen, brächte uns das bis zu 30 Milliarden Euro Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt.

Grüne und SPD fordern, die Schuldenbremse zu reformieren, sprich: zu lockern. Lassen Sie sich da erweichen?

Nein, an der Schuldenbremse müssen wir nichts reformieren.

Trotz der Milliardenlöcher?

Ich sehe so riesige Milliardenlöcher nicht. Die Löcher macht sich die Regierung selbst. Sie muss jetzt versuchen, Mittel zu mobilisieren - durch Sparen, wie beim Bürgergeld, durch weniger Bürokratie, aber auch durch zielgenaues Investieren für mehr Wachstum. Dann steigen auch wieder die Steuereinnahmen kräftig.

Denkbar wäre aber auch ein Sondervermögen Klimaschutz und Transformation, um die Industrie-Projekte aus dem Klima- und Transformationsfonds zu finanzieren. Wären Sie dafür offen?

Wir sind als Opposition immer konstruktiv. Das haben wir mit dem Sondervermögen Bundeswehr gezeigt. Jetzt aber muss die Ampel sich erstmal ehrlich machen und den regulären Haushalt grundlegend umbauen. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Bei dieser Regierung ging es immer nur so, dass für jede neue Herausforderung ein neuer Schuldentopf neben dem regulären Haushalt angelegt wurde, nur damit Christian Lindner sagen kann, er hält die Schuldenbremse ein. Gleichzeitig sollten SPD und Grüne über die Nebenhaushalte viel Spielgeld für Soziales und Klimaschutz haben. Diese Party auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger ist nach dem Urteil vorbei.

Mit Mathias Middelberg sprach Volker Petersen

Quelle: ntv.de

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