
Wahlkampf in Athen. Das "Oxi" (Nein), für das hier geworben wird, richtet sich auch gegen den IWF.
(Foto: REUTERS)
Nach dem griechischen Zahlungsausfall versucht sich der IWF in einem Balanceakt: Weder soll Griechenland eine Sonderbehandlung erfahren, noch soll der Eindruck entstehen, an der Regierung in Athen werde ein Exempel statuiert.
Rückblickend wird deutlich, dass das Engagement des Internationalen Währungsfonds in Griechenland ein Fehler gewesen sein könnte. Der Vorwurf: Die französische IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich von den europäischen Regierungen in ein Programm einbinden lassen, das den Währungsfonds überfordert. Denn der Kredit an Griechenland war beispiellos hoch und wird sich möglicherweise nicht mehr eintreiben lassen.
Lagardes Amtszeit endet im Juli 2016. Nicht nur dürften ihre Chancen auf eine zweite Amtszeit schlecht stehen. Längst wird darüber diskutiert, dass der nächste IWF-Chef entgegen der Tradition kein Europäer mehr sein sollte.
In dieser Situation versucht sich der Fonds in einem Balanceakt: Weder soll Griechenland eine Sonderbehandlung erfahren noch soll der Eindruck entstehen, an Athen werde ein Exempel statuiert.
Am Mittwoch hat der IWF auf seiner Webseite "neun Schlüsselfragen zu Griechenland" beantwortet. Die Botschaft des Textes: Wir wollen helfen, aber wir werden Griechenland nicht stärker entgegenkommen als bisher. Hier die neun Fragen und ihre Antworten:
Frage 1: Was soll nach Vorstellung des IWF passieren, um die Situation zu lösen?
Die Priorität des IWF bleibe es, "dem griechischen Volk durch diese schwierige Zeit wirtschaftlicher Unruhe zu helfen". Der beste Weg sei ein "ausbalancierter Ansatz", wie er in einem Blog-Post des IWF-Chefökonomen Olivier Blanchard beschrieben worden sei. Blanchard hatte vor gut zwei Wochen von der griechischen Regierung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie Rentenkürzungen gefordert, von den Europäern einen neuen Hilfsplan für Griechenland. Nach allem, was man weiß, hat ein neuer Hilfsplan in den Brüsseler Verhandlungen allerdings keine Rolle gespielt – im Gegenteil: Der IWF hatte die Rolle des "bad cop" übernommen.
Eine mögliche Umstrukturierung der Schulden erwähnt der IWF nicht. Dies hatte die griechische Regierung immer wieder vorgeschlagen. Sie wollte, dass der europäische Stabilitätsmechanismus ESM ihre Schulden bei EZB und IWF übernimmt und dann zeitlich streckt, um dem Land Spielraum für eine wirtschaftliche Erholung zu geben.
Frage 2: Was passiert mit Griechenland, nachdem es eine fällige Rückzahlung nicht geleistet hat?
Die unmittelbare Folge sei, dass Griechenland nun keine Finanzierung vom IWF mehr bekommen könne. Der IWF werde einer neuen Finanzierung erst zustimmen, wenn Griechenland seinen Rückstand ausgeglichen habe – Rückstand ist der IWF-Euphemismus für Staatspleite. Dies sei das "Standardvorgehen". Offensichtlich will der IWF hier dem Eindruck entgegentreten, Griechenland werde unfair behandelt. Das Land bleibe Mitglied des IWF, behalte seine Stimmrechte und seine Vertretung im Verwaltungsrat. Der "jährliche Gesundheitscheck" der Wirtschaft von Mitgliedsländern bleibe eine Verpflichtung.
Am 30. Juni hätte Griechenland dem IWF eine Rate von 1,5 Milliarden Euro überweisen müssen. Das hat es nicht getan – für ein Industrieland eine Premiere. Insgesamt hat Griechenland Verpflichtungen an den IWF in Höhe von 21,2 Milliarden Euro.
Griechenland habe auch weiterhin Anspruch auf die Expertise des IWF. Aus Sicht der griechischen Regierung ist das ein vergiftetes Angebot: Ministerpräsident Alexis Tsipras hat dem IWF vor zwei Wochen vorgeworfen, in Griechenland "nahezu verbrecherisch" zu handeln. Kurz zuvor hatte Finanzminister Yanis Varoufakis gesagt, er könne sich auch eine Einigung mit den anderen Europäern ohne Beteiligung des IWF vorstellen. Dazu wird es höchstwahrscheinlich nicht kommen: Die Bundesregierung hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie eine Beteiligung des IWF bei Lösungen des Griechenland-Problems für zwingend erforderlich hält.
Frage 3: Gibt es eine Fristverlängerung?
Die Antwort ist deutlich: Nein. "Wenn ein Mitgliedsland seinen Verpflichtungen gegenüber dem IWF nicht pünktlich nachkommt, ist es im Zahlungsrückstand." Dass Griechenland auf kein Entgegenkommen hoffen darf, hat IWF-Chefin Lagarde bereits klargestellt: Andere IWF-Mitgliedsstaaten "sehen wirklich keinen Grund für eine Sonderbehandlung, weil es solche Situationen schon in anderen Ländern auf der Welt gab", sagte sie CNN.
Frage 4: Kann eine Zahlung aufgeschoben werden?
Theoretisch ist das möglich, praktisch nicht. Vor mehr als dreißig Jahren habe der IWF einigen armen Ländern auf deren Anträge hin einen Zahlungsaufschub gewährt, aber in keinem dieser Fälle habe die Verschiebung dazu beigetragen, die unmittelbaren finanziellen Bedürfnisse oder die grundlegenden wirtschaftlichen Probleme zu lösen.
Frage 5: Was macht der IWF, um fällige Zahlungen zu überwinden?
In solchen Fällen arbeite der IWF mit den Mitgliedsländern, um die Rückstände zu klären, heißt es lakonisch in der Antwort des IWF. Verwiesen wird dabei auf frühere Entscheidungen des Währungsfonds – wiederum, um klarzustellen, dass an Griechenland kein Exempel statuiert werden soll, dass Griechenland aber auch keine Sonderbehandlung erhält. So wird ausdrücklich erwähnt, dass zwischen 1978 und 1989 neunzehn Länder "in Rückstand" gerieten. "Mit Ausnahme des Sudan und Somalias waren all diese Mitgliedsländer in der Lage, zusammen mit dem IWF ihre ausstehenden Zahlungen zu leisten." Das einzige Land, dem das in der jüngeren Vergangenheit nicht gelungen sei, sei Simbabwe.
Frage 6: Gibt es Strafen, wenn Zahlungen nicht geleistet werden?
Zunächst erhalte das betreffende Land lediglich keine finanziellen Hilfen mehr. Im Extremfall könne Griechenland aus dem IWF ausgeschlossen werden. Auch hier wird betont, dass die Abfolge der Sanktionen nicht willkürlich gewählt wird, sondern klaren Regeln folgt.
Praktisch bedeutete der Bruch mit dem IWF für Länder wie den Sudan, Somalia und Simbabwe, dass sie von internationalen Krediten abgeschnitten wurden. Für Griechenland sind die praktischen Folgen nicht so eindeutig, wie auch die folgende Frage zeigt.
Frage 7: Was bedeutet der Zahlungsrückstand für Griechenlands andere Kreditgeber?
Die Antwort fällt sehr kurz aus: Diese Auswirkungen müssten von den anderen Kreditgebern festgelegt werden. Was der IWF nicht sagt: Anders als der Sudan, Somalia und Simbabwe hat Griechenland noch immer die Eurozone und die EU an seiner Seite.
Frage 8: Ist die Fähigkeit des IWF, andere Mitgliedsländer zu finanzieren, nun beeinträchtigt?
Diese Frage stellen sich vermutlich vor allem die Regierungen von IWF-Mitgliedsländern, die deutlich ärmer sind als Griechenland. Entsprechend fällt die Antwort aus: Die Bilanzaufstellung des IWF sei "stark", der IWF sei gut aufgestellt, um möglichen Finanzierungsbedürfnissen seiner Mitglieder begegnen zu können.
Frage 9: Werden die Anteilseigner des IWF Verluste erleiden, wenn Griechenland nicht bezahlt?
Ebenfalls eine kurze Antwort: "Nein, die Anteilseigner des IWF werden keine Verluste erleiden."
Quelle: ntv.de