Tausende Festnahmen Die türkische Staatsmacht schlägt zurück
17.07.2016, 13:48 Uhr
Welle von Festnahmen in der Türkei.
(Foto: dpa)
Tausende Menschen werden in der Türkei im Zusammenhang mit dem gescheiterten Putschversuch in Gewahrsam genommen. Es kommt zu massiven Eingriffen in Militär und Justiz. Derweil erfährt Präsident Erdogan Unterstützung von seinem russischen Kollegen.
Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei ist die Zahl der Festnahmen nach Angaben der Regierung auf rund 6000 gestiegen. Diese Zahl werde sich noch erhöhen, sagte Justizminister Bekir Bozdag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Unklar blieb zunächst, wie viele der Festgenommenen aus den Reihen der Streitkräfte stammten und bei wie vielen es sich um Zivilisten handelte.
Am Samstag hatte Ministerpräsident Binali Yildirim gesagt, rund 3000 verdächtige Soldaten seien im Zusammenhang mit dem Putschversuch in der Nacht zuvor festgenommen worden. Darunter waren mehrere Generäle. Auch mehrere Richter und Staatsanwälte waren in Gewahrsam festgenommen worden, darunter zwei Richter am Verfassungsgericht. Aus Regierungskreisen hieß es, sie würden verdächtigt, an dem Umsturzversuch beteiligt gewesen zu sein.
Festnahmen auf Stützpunkt Incirlik
Zu Festnahmen kam es nach Regierungsangaben auch auf dem von der Bundeswehr genutzten Luftwaffenstützpunkt Incirlik. Bei den Festgenommenen handele es sich um General Bekir Ercan Van und mehrere Soldaten. General Van werde Unterstützung des gescheiterten Putschversuchs vorgeworfen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte, Bundeswehrsoldaten dürften den Luftwaffenstützpunkt aufgrund der erhöhten Alarmstufe nicht verlassen.
Auf Incirlik in der Südtürkei sind 240 deutsche Soldaten stationiert. Die Bundeswehr beteiligt sich von dort aus mit Tornado-Kampfflugzeugen und einem Tankflugzeug am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Insgesamt kam es in der Türkei zu massiven Eingriffen in Militär und Justiz. Der Staatsapparat begann umgehend mit der von Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigten "Säuberung". Insgesamt 2700 Richter wurden bereits abgesetzt - fast ein Fünftel der schätzungsweise rund 15.000 Richter in der Türkei. Der Chef der Richtergewerkschaft Yargiclar, Mustafa Karadag, sagte, nicht nur mutmaßliche Unterstützer des Putsches, sondern auch völlig unbeteiligte Kritiker Erdogans würden festgenommen.
Putin verurteilt Putschversuch
Derweil bezeichnete der russische Präsident Wladimir Putin den Putschversuch in der Türkei bei einem Telefonat mit seinem Kollegen Recep Tayyip Erdogan als unzulässig und verfassungswidrig. Die Führung in Moskau sei prinzipiell gegen solche Gewalt gegen den Staat, sagte Putin nach Angaben des Kremls in Moskau. Putin habe Erdogan sein Beileid für die Opfer übermittelt, hieß es. Das Telefonat gilt auch als ein weiterer Schritt hin zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Moskau und Ankara. Das Verhältnis hatte sich nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im November 2015 im syrischen Grenzgebiet durch die Türkei massiv verschlechtert. Zuletzt gab es aber eine Wiederannäherung.
Nach Einschätzung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu werden sich die Ereignisse in der Türkei nicht negativ auf den Versöhnungsprozess mit Israel auswirken. "Wir gehen davon aus, dass der Prozess ungeachtet der dramatischen Vorfälle in der Türkei weitergeht", sagte er während der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem. Nach sechs Jahren Eiszeit hatten die ehemaligen Bündnispartner im vergangenen Monat ein Abkommen unterzeichnet, das eine umfassende Normalisierung ihrer Beziehungen vorsieht. 2010 war es zum Bruch gekommen, nachdem die israelische Marine ein Gaza-Solidaritätsschiff gestürmt und dabei zehn türkische Staatsbürger getötet hatte.
Quelle: ntv.de, wne/dpa