Hoffen auf weiteres Asyl in Moskau Die ungewisse Zukunft des Edward Snowden
01.08.2014, 08:37 Uhr
Seit einem Jahr hat Edward Snowden in Russland Asyl - und ist somit abhängig von Wladimir Putin. Während sich die Europäer behäbig um eine Aufnahme winden, ist auch die Rückkehr in die USA höchst unwahrscheinlich, denn dort gilt Snowden weiterhin als Verräter.
Edward Snowden wartet. Seit genau einem Jahr hat der meistgesuchte Mann der USA Asyl in Russland. Sein Aufenthaltserlaubnis läuft formell aus. Nun wartet der Ex-Geheimdienstmann ab, ob ihm die Russen erlauben, länger zu bleiben. Die Aussichten sind nicht schlecht. Doch für den 31-Jährigen ist das nur ein schwacher Trost, denn eigentlich will er weg aus Moskau. Wie lange bleibt der Amerikaner noch in Russland? Wird er irgendwann in seine Heimat zurückkehren? Kann er für eine Aussage nach Deutschland kommen? Alles ungewiss.
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass Snowden sein altes Leben aufgab. Er übergab massenhaft vertrauliche Dokumente der National Security Agency (NSA) an Journalisten, gewährte der Welt so einen Einblick in den unbändigen Datenhunger des US-Geheimdienstapparats und löste eine internationale Schockwelle aus. Seitdem ist Snowden auf der Flucht. Die USA suchen ihn und wollen ihm den Prozess machen.
Anfang Juni 2013: Zeitungen in den USA und Großbritannien melden, der US-Geheimdienst NSA habe umfassenden Zugriff auf Kommunikationsdaten.
9. Juni: Snowden offenbart sich im britischen "Guardian" als Quelle der Enthüllungen. Er war rund drei Wochen zuvor mit Geheimdokumenten von Hawaii nach Hongkong geflohen. Auf Hawaii war er als Mitarbeiter einer Beratungsfirma bei der NSA im Einsatz.
21. Juni: US-Medien berichten, die USA hätten Anklage gegen ihn wegen Spionage und Diebstahls erhoben.
23. Juni: Snowden fliegt von Hongkong nach Moskau - und strandet dort. Nach der Annullierung seiner Papiere durch die USA hat er keinen gültigen Pass mehr und kann den Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo nicht verlassen.
1. August: Snowden erhält für ein Jahr Asyl in Russland und kann den Flughafen nach wochenlangem Verwirrspiel verlassen. Sein Wohnort bleibt aus Sicherheitsgründen geheim.
31. Oktober: Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele trifft ihn in Moskau. Der US-Amerikaner erklärt sich bereit, Deutschland in Sachen NSA-Ausspähaffäre zu helfen.
26. Januar 2014: Die ARD strahlt das nach eigenen Angaben erste Fernseh-Interview Snowdens nach dessen Flucht aus Hongkong aus.
3. April: Der am 20. März eingesetzte NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags nimmt seine Arbeit auf.
20. Juni: Snowden lehnt ein informelles Treffen mit den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses in Moskau ab. Er will in Deutschland vernommen werden.
26. Juni: Union und SPD beschließen im NSA-Untersuchungsausschuss, Snowden per Video in Moskau zu vernehmen. Auch das lehnt der Enthüller ab.
9. Juli 2014: Snowden hat nach Angaben seines Anwalts Russland gebeten, sein Ende des Monats auslaufendes Asyl zu verlängern.
Anfangs saß Snowden wochenlang auf dem Moskauer Flughafen fest. Seitdem er einen Aufenthaltsstatus hat, versucht er, so etwas wie ein normales Leben zu führen. Schon vor Wochen bat Snowden in Russland um eine Verlängerung seines Asyls und reichte die nötigen Dokumente ein. Russlands Einwanderungsbehörde stellte bereits vage eine Zusage in Aussicht. "Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen, und seine Fluchtgründe sind unverändert", sagte ein Mitarbeiter. Eine offizielle Ansage der russischen Regierung steht aber noch aus.
Auslieferungsforderungen der USA prallen weiter an den dicken Mauern des Kreml ab. Zwar betont der russische Präsident Wladimir Putin immer wieder, er habe kein Interesse an einer Verschlechterung der Beziehungen zu den USA. Dies hindere ihn aber nicht daran, einen Keil in das transatlantische Verhältnis zu treiben, meint der Politologe Sergej Osnobischtschew.
Massive Kritik an Bundesregierung
Dass ausgerechnet der russische Präsident Snowden Zuflucht gewährt, noch dazu in der aktuellen weltpolitischen Lage, halten einige Politiker für hoch problematisch. "Es ist ein verheerender Zustand, dass man Putin die PR-Möglichkeit gibt, sich als jemand zu gerieren, der sich für Bürgerrechte einsetzt und Edward Snowden 'Asyl' gibt", sagt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz, Obmann im Untersuchungsausschuss zur NSA-Spähaffäre.
Seit Monaten versucht die Opposition durchzusetzen, dass Snowden für eine Aussage vor dem Ausschuss nach Berlin kommt. Doch die Regierung und die Koalitionsmehrheit in dem Gremium stemmen sich dagegen - aus Angst vor dem Groll der Amerikaner. Ihre Alternative: eine Befragung per Video in Moskau. Doch das lehnt Snowden ab.
Linke und Grüne haben ihren Kollegen von Union und SPD nun ein letztes Ultimatum gestellt: Wenn sie nicht spätestens in der ersten Ausschusssitzung nach der Sommerpause von ihrer Haltung abrücken, will die Opposition vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. "Die Vorbereitungen dafür sind weitgehend abgeschlossen", sagt von Notz. "Wir wären in der Lage, die Klage sehr schnell einzureichen." Bislang ist ein Kurswechsel von Union und SPD nicht absehbar. Es scheint also auf Karlsruhe hinauszulaufen
Bundesjustizminister Heiko Maas sagt, "im Moment" sehe er "eher" nicht, dass Snowden noch nach Deutschland komme. Am Ende komme es dabei immer auf den NSA-Ausschuss an. Maas rät Snowden dazu, in die USA zurückzukehren. "Er ist erst Anfang 30 und will sicher nicht den Rest seines Lebens auf der ganzen Welt gejagt werden oder von einem Asyl zum nächsten wandern."
Die Angst vor dem Rechtsstaat
Auch Snowden will gerne zurück in die USA. Hinter den Kulissen laufen Gespräche zwischen seinen Anwälten und US-Stellen. Geht es nach den öffentlichen Äußerungen der US-Regierung, erscheint eine Rückkehr des Whistleblowers in seine Heimat utopisch. "Es gibt keine Änderungen in unserer Haltung: Mr. Snowden wird beschuldigt, Geheiminformationen preisgegeben zu haben und ist hier in den USA eines Schwerverbrechens angeklagt", sagt eine Sprecherin des Weißen Hauses. "Er sollte so schnell wie möglich in die Vereinigten Staaten zurückkehren, wo er ein vollständiges ordentliches Gerichtsverfahren und alle Rechtsstaatsgarantien bekommt."
Doch es ist genau dieser Rechtsstaat, den Snowden fürchtet. Ihm droht lebenslange Haft - doch ein Leben im Gefängnis kommt für den 31-Jährigen nicht infrage. Snowden und seine Anwälte hoffen auf einen Straferlass oder juristische Milde. Doch eine Amnestie für den ehemaligen NSA-Mann kann sich die Regierung von Präsident Barack Obama eigentlich politisch nicht leisten. Zu große Milde, so befürchtet man in Washington, könnte möglichen Nachahmern zu viel Mut machen.
Snowden harrt in Russland der Dinge. Er sagt, dort sei er immer noch zufriedener, als sich in den USA einem unfairen Prozess zu stellen.
Quelle: ntv.de, Christiane Jacke, Wolfgang Jung und Marco Mierke, dpa