Flüchtlingskrise im Mittelmeer EU eröffnet Kampf gegen Menschenschleuser
18.05.2015, 20:43 Uhr
Allein in diesem Jahr verloren Schätzungen zufolge fast 1800 Flüchtlinge ihr Leben im Mittelmeer.
(Foto: REUTERS)
Was tun gegen das Massensterben im Mittelmeer? Die EU beschließt einen Drei Stufen-Plan, an dessen Ende eine umfangreiche Militärmission gegen Schlepper steht. Es könnte allerdings passieren, dass dieser Beschluss ein symbolischer Akt bleibt.
Die Außen- und Verteidigungsminister der EU haben den Einstieg in den Kampf gegen Schleuser im Mittelmeer beschlossen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte: Sie hoffe, dass der Einsatz bereits im Juni starten könnte. Ob es am Ende wirklich zu militärischen Maßnahmen gegen Menschenschmuggler kommt, bleibt allerdings ungewiss.
Im Kern des Beschlusses, der das Massensterben von Flüchtlingen in Mittelmeer eindämmen soll, steht ein Mehr-Stufen-Plan.
- In einem ersten Schritt soll der italienische Konteradmiral Enrico Credendino ein Hauptquartier der neuen EU-Mission namens "Navfor Med" in Rom aufbauen. Dafür stehen in den ersten zwei Monaten aus dem gemeinsamen EU-Etat knapp zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Credendino soll dabei so schnell wie möglich alle verfügbaren Aufklärungsinstrumente der EU-Mitgliedsstaaten bündeln, um die Aktivitäten der Menschenschmuggler zu überwachen. Unter diesen Instrumenten sind Satelliten und Drohnen.
- In einem zweiten Schritt sollen Marine-Kräfte der Mitgliedsstaaten beginnen, Schleuserboote auf See zu durchsuchen und zu beschlagnahmen.
- Der letzte Schritt sind Militäreinsätze in libyschen Häfen oder gar an Land.
Stufe zwei und drei stehen trotz des Beschlusses unter Vorbehalt. Denn es gibt noch viele mögliche Widerstände.
Skepsis in den Mitgliedsstaaten
In etlichen Mitgliedsstaaten ist ein militärisches Vorgehen gegen Schleuser umstritten. Auch in der deutschen Bundesregierung gibt es Vorbehalte. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller von der CSU sagte: Ein Militäreinsatz berge "zu viele Risiken" und löse die eigentlichen Probleme nicht. In Libyen ringen zwei Regierungen um die Macht. Es gibt diverse Stammeskonflikte, und der Islamische Staat (IS) beherrscht große Teile des Landes. Sollten sich Einheiten von EU-Staaten nähern oder gar auf dem Festland zum Einsatz kommen, könnten sie in diese Auseinandersetzungen hineingezogen werden.
Auch Grüne und Linke lehnen die EU-Mission ab. Die Grünen unter anderem, weil sie es für "menschenverachtend" halten, dass nun ausgerechnet Außen- und Verteidigungsminister die Federführung im Umgang mit der Flüchtlingskrise übernehmen. Die Linken, weil sie fürchten, dass Flüchtlinge sich wegen einer solchen Mission auf noch gefährlichere Wege nach Europa begeben würden. Beide Parteien fordern stattdessen mehr legale Einreisemöglichkeiten für Asylsuchende.
Völlig unklar ist zudem, was mit festgenommenen Schleppern passieren soll. Eigentlich müssten sie in Libyen vor Gericht kommen. In dem zerfallenden Staat gibt es aber kein verlässliches Rechtssystem.
An Russland führt kein Weg vorbei
Für die höheren Stufen ihres Planes braucht die EU überdies ein Mandat der Vereinten Nationen. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini wirbt deshalb derzeit für eine Resolution des Sicherheitsrats. Sie sagte zwar: "Ich habe zumindest keinen größeren politischen Widerstand gesehen." Unklar ist aber, ob die Veto-Macht Russland dem Konzept im vollen Umfang zustimmen wird oder ob es eine Zustimmung nur für einen eingeschränkten Einsatz gibt.
Die EU will auch das Einverständnis der libyschen Behörden einholen. Nach langem Schweigen äußerte sich kurz vor dem Beschluss der EU allerdings erstmals der UN-Botschafter der international anerkannten Regierung des Landes und machte deutlich, dass er von den Plänen wenig hält. "Das ist keine gute Idee", sagte Ibrahim al Dabaschi dem amerikanischen Journal "Foreign Policy". Dabaschi fürchtet unter anderem, dass die Marine-Kräfte der EU-Staaten versehentlich Fischerboote statt Flüchtlingsschiffe zerstören könnten. "Für die Fischer könnte das katastrophal werden."
Quelle: ntv.de, mit dpa und AFP