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Vor allem Belgien ist skeptisch EU kommt bei Nutzung russischen Vermögens nicht viel weiter

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Zwei Tage lang tagten Staats- und Regierungschefs der EU-Länder.

Zwei Tage lang tagten Staats- und Regierungschefs der EU-Länder.

(Foto: IMAGO/Anadolu Agency)

Kanzler Merz und weitere EU-Staats- und Regierungschefs wollen mit dem eingefrorenen russischen Vermögen der Ukraine helfen. Dagegen gibt es aber massive Bedenken, nicht nur von den üblichen Verdächtigen. Beim EU-Gipfel gibt es nur einen kleinen Teilerfolg in der Sache.

Nach stundenlangen Verhandlungen über die mögliche Verwendung von eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU nur auf einen Minimalkompromiss einigen können. In einer Gipfelerklärung beauftragten sie die EU-Kommission lediglich damit, Optionen für die finanzielle Unterstützung der Ukraine zu prüfen. Die russischen Vermögenswerte sollen demnach so lange eingefroren bleiben, bis Russland "die durch seinen Krieg verursachten Schäden kompensiert".

EU-Diplomaten zufolge schließt diese Formulierung nicht aus, dass die Kommission auch die Nutzung russischer Vermögen in ihre Überlegungen einfließen lässt. Die Gipfelerklärung blieb damit allerdings weit hinter der ursprünglich anvisierten Einigung zurück. Geplant war ursprünglich, die Kommission konkret damit zu beauftragen, eine rechtssichere Umsetzung des Vorhabens zu erarbeiten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor vorgeschlagen, rund 140 Milliarden Euro russischer Zentralbankgelder, die in Belgien eingefroren sind, für Kredite an die Ukraine zu nutzen. Russland sollte demnach erst dann wieder auf das Geld zugreifen können, wenn es Reparationen an Kiew zahlt. Haften würden zunächst die EU-Mitgliedstaaten für das Geld.

Deutsche Unternehmer haben Bedenken

Insbesondere Belgien machte jedoch massive rechtliche Bedenken geltend. Regierungschef Bart De Wever fürchtet unter anderem, dass sein Land finanzielle Risiken durch mögliche Gegenmaßnahmen Russlands alleine tragen müsste. Zwar hatten die meisten EU-Länder grundsätzliche Zustimmung zu dem Plan signalisiert, dem Vernehmen nach teilten aber auch andere EU-Staaten in Teilen die belgischen Bedenken.

Vorbehalte gibt es auch in deutschen Unternehmerkreisen: "Deutschland hat wie kein anderes Land in Russland investiert", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Matthias Schepp. Bei der geplanten Nutzung russischer Zentralbankgelder für Waffenkäufe zugunsten der Ukraine habe man folglich "am meisten zu verlieren". Zusammengerechnet sei Vermögen von über 100 Milliarden Euro in Gefahr.

Ungarn bleibt außen vor

Der gesamte Teil der Gipfelerklärung zum Thema Ukraine wurde zudem nur von 26 der 27 Mitgliedstaaten getragen. Ungarn beteiligte sich wie schon bei vorigen Gipfeln nicht. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban war erst am späten Nachmittag zum Gipfel angereist und verpasste so den Großteil der Diskussion zur Ukraine. Er hatte Sanktionen gegen Russland in der Vergangenheit immer wieder blockiert.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nahm am Donnerstagvormittag an den Gipfelberatungen teil und forderte die EU-Staaten dazu auf, Russland für die Unterstützung seines Landes bezahlen zu lassen. Auf X schrieb er: Wer die Entscheidung zur Verwendung der russischen Vermögen verzögere, "schränkt nicht nur unsere Verteidigung ein, sondern verlangsamt auch den Fortschritt der EU selbst".

Bundeskanzler Friedrich Merz machte sich für das Vorhaben stark, die russischen Gelder zu nutzen. Vor den Gesprächen hatte er allerdings auch "ernstzunehmende Einwendungen" etwa der Belgier eingeräumt. Davor klang Merz noch zuversichtlicher. Vor drei Wochen hatte er die Erwartung geäußert, dass es "aller Voraussicht nach" eine konkrete Entscheidung geben werde.

In ihrer Abschlusserklärung zum Thema Verteidigung und Sicherheit bekannten sich die Staats- und Regierungschefs im Großen und Ganzen zu einem Vorschlag der Kommission aus der vergangenen Woche, der unter anderem den Aufbau einer effizienten Drohnenabwehr vorsieht. Sie forderten eine besondere Ausrichtung auf Drohnenabwehr und Luftverteidigung. Die EU reagiert damit auf das Eindringen russischer Drohnen und Kampfflugzeuge in europäischen Luftraum sowie mysteriöse Drohnensichtungen in mehreren EU-Ländern.

Noch während der Gipfel lief, sorgte eine Meldung aus Litauen für erneute Verunsicherung: Zwei russische Militärflugzeuge seien am Abend in den Luftraum des baltischen EU- und Nato-Landes eingedrungen, hieß es aus Vilnius. Der Kampfjet vom Typ SU-30 und ein Tankflugzeug vom Typ IL-78 hätten aus der russischen Exklave Kaliningrad kommend 18 Sekunden lang litauischen Luftraum durchflogen. Zwei spanische Eurofighter Typhoon, Teil einer Nato-Mission im Baltikum, stiegen demnach zur Aufklärung auf.

Quelle: ntv.de, Peter Esser, AFP

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