Gruppe der "Willigen" EU will Türkei 400.000 Migranten abnehmen
29.11.2015, 12:05 Uhr
Flüchtlinge an der Autobahn, die von Istanbul nach Edirne führt. Hier haben sie die Nacht verbracht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Viele EU-Staaten wehren sich. Sie wollen keine oder nur wenige Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. Doch eine kleine Gruppe, darunter auch Deutschland, will Ankara nun ein Angebot machen - gegen bestimmte Auflagen.
Erstmals formiert sich in der EU eine Gruppe von Staaten, die der Türkei die Aufnahme von 400.000 anbieten will. Auch Deutschland gehört dazu. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Im Gegenzug soll Ankara die ungesteuerte Weiterreise der Menschen in die EU stoppen. Nach FAS-Informationen haben Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vor dem Auftakt des EU-Türkei-Gipfels in Brüssel ein Treffen der "Willigen" arrangiert. Neben Deutschland sind das die drei Beneluxländer, Österreich, Schweden, Finnland, Griechenland und Frankreich.
400.000 Menschen, das entspricht einem Drittel der Zahl der Flüchtlinge, die in diesem Jahr aus der Türkei über den Westbalkan in die EU gereist sind. Zu erwarten sei – so schreibt die "FAS" -, dass Deutschland den größten Anteil übernimmt. Unter vielen EU-Staaten gibt es Widerstand gegen die verbindliche Aufnahme von Flüchtlingen aus der Türkei. Kommissionschef Juncker soll nun den Auftrag erhalten, bis zum EU-Gipfel in zweieinhalb Wochen einen Verteilungsplan auszuarbeiten.
Konkretes Ziel des EU-Türkei-Gipfels ist es zunächst, mit Ankara einen gemeinsamen Aktionsplan zur Flüchtlingskrise in Kraft zu setzen. Er zielt darauf, dass die Türkei Flüchtlinge vor allem aus Syrien nicht länger ungesteuert Richtung EU weiterreisen lässt. Dafür sind die Europäer bereit, geplante Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger etwas früher umzusetzen, die festgefahrenen Beitrittsverhandlungen neu zu beleben und drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe vor Ort bereitzustellen. Im Gespräch ist auch, dass die EU die Türkei mit drei Milliarden Euro bei der Versorgung von Migranten unterstützt.
"Quittung für Haltung in der Schuldenkrise"
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigt sich skeptisch über Kontingente zur Steuerung des Flüchtlingsstroms. Die Idee sei zwar gut, habe aber zwei Haken, sagte der SPD-Politiker dem "Spiegel". So setzten die Kontingente voraus, dass alle europäischen Länder bereit seien, Flüchtlinge aufzunehmen. "Und zweitens: Was passiert, wenn die Kontingente ausgeschöpft sind?" Die Frage sei dann, ob man einem bedrohten Menschen sagen wolle, er werde zurückgeschickt. Wenn man die Lebensbedingungen in der Türkei verbessere, so Schulz, schaffe dies einen Anreiz für die Menschen, dort zu bleiben und sich nicht in die Hände von Schleppern zu begeben.
Dafür, dass etliche EU-Länder nicht in nennenswertem Umfang Flüchtlinge aufzunehmen wollen, hat Schulz eine Erklärung: Dies sei auch eine Reaktion auf eine harte Haltung Deutschlands während der Schuldenkrise. "Es mag zynisch sein", sagte er, "aber es ist gerade Payback-Time in Brüssel, jetzt kriegen wir die Quittung für dieses Verhalten." Die Adressaten seien dabei nicht Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel, sondern "gewisse Leute in der Berliner Wilhelmstraße" - also dem Sitz von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Dieser sei "ganz sicher für viele eine Reizfigur".
Quelle: ntv.de, asc/AFP/rts