Spinnen die Römer? Ein Bruschetta-Gesetz für richtige Aussprache


Weißbrot, gehackte Tomaten, Olivenöl und ordentlich Knoblauch - so einfach kann Bruschetta sein.
(Foto: IMAGO/Design Pics)
Bis zu 100.000 Euro Strafe könnte die falsche Aussprache von "Bruschetta" künftig kosten - das berichten zumindest diverse Medien. Dahinter steckt ein neuer Gesetzesentwurf in Italien. Der sorgt nicht nur für Verwirrung, sondern dient auch der Agenda der rechten Regierungspartei.
Ein geplantes Sprachgesetz sorgt in Italien für Aufregung. Fabio Rampelli, ein Abgeordneter der italienischen Regierungspartei Fratelli d'Italia, will Anglizismen in bestimmten Bereichen des Alltags verbieten. Denn er findet, die italienische Sprache werde durch äußere Einflüsse "erniedrigt und gedemütigt".
Wie die italienische Zeitung "La Republica" berichtet, sollen alle Dokumente, die Firmen oder Schulen herausgeben, ausschließlich in italienischer Sprache verfasst werden. Auch Werbung wäre betroffen. Der US-Sender CNN berichtet sogar, dass in Büros, in denen mehrheitlich ausländische Mitarbeiter arbeiten, Italienisch die Hauptsprache sein soll. Begriffe und Abkürzungen wie CEO oder Bachelor of Arts wären tabu. Stattdessen müsste das italienische Pendant verwendet werden. Bei einem Verstoß wäre eine Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro fällig.
"An Lächerlichkeit grenzend"
Seit der Gesetzentwurf Anfang April publik wurde, tobt Italiens Opposition. Die Fünf-Sterne-Bewegung bezeichnet den Vorschlag als "an Lächerlichkeit grenzend". Die neue Chefin der Sozialdemokraten, Elly Schlein, wirft der Regierung vor, jeden Tag eine neue Ungeheuerlichkeit aufzutischen. Und selbst die Accademia della Crusca, ein Institut, das sich der Pflege der italienischen Sprache verschrieben hat, sagt, ein Sprechverbot schieße über das Ziel hinaus.
Öffentlich geäußert hat sich Regierungschefin Giorgia Meloni dazu noch nicht. CNN schreibt jedoch, dass sie das Vorhaben unterstützen würde. Kritiker der rechten Regierung ziehen deshalb bereits Parallelen zur Zeit des Faschismus. Diktator Benito Mussolini, der Italien von 1922 bis 1943 regierte, hatte die Verwendung englischer Wörter einst unter Strafe gestellt.
Melonis Partei Fratelli d'Italia hat ihre Wurzeln im Faschismus. Von vielen Politologen wird sie als postfaschistisch bezeichnet. Mit Blick auf das geplante Sprachgesetz hält Nino Galetti, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom, diesen Vergleich aber für überzogen. Er muss bei dem Entwurf eher an Frankreich statt an Faschismus denken. "Die Franzosen schützen ihre Sprache auch und sagen: Wir wollen Französisch sprechen", sagt Galetti im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".
Strafe für falsche Aussprache?
Darüber hinaus hat Rampelli einen Ausschuss im Kulturministerium geplant, der sich mit der korrekten Verwendung und Aussprache der italienischen Sprache befassen soll. Auch wenn die genauen Aufgaben dieses Gremiums im Dunkeln liegen, schlussfolgert CNN daraus, "dass die Aussprache von "bru-schetta" anstelle von "bru-sketta" strafbar sein könnte". Viele Medien griffen den Vergleich auf und Rampellis Pläne wurden als "Bruschetta-Gesetz" bekannt. Experte Galetti hält das aber für abwegig. Er glaubt eher an eine Art Aprilscherz von CNN, mindestens aber an eine Überinterpretation.
Sind also auch deutsche Medien auf einen schlechten Scherz des US-amerikanischen Nachrichtensenders reingefallen? ntv.de hat bei Barbie Latza Nadeau nachgefragt. Die Autorin des CNN-Berichts versichert, es ernst zu meinen. Die genauen Aufgaben des Ausschuss kenne auch sie nicht, er soll aber für Restaurants und andere "italienische Einrichtungen" zuständig sein. Sie findet den Bruschetta-Vergleich deshalb gerechtfertigt.
Die CNN-Journalistin geht indes nicht davon aus, dass der Gesetzesentwurf am Ende verabschiedet wird. Auch Galetti glaubt vielmehr an politisches Kalkül der Fratelli d'Italia. Symbolpolitik, um die europaskeptischen und eher rechten Wählerinnen und Wähler zu beschwichtigen. Denn seit die Partei vor rund fünf Monaten die Macht in Italien übernommen hat, fährt sie einen einigermaßen europafreundlichen Kurs. "Die Fratelli d'Italia muss ihrer Kernwählerschaft das ein oder andere Mal zeigen, dass es was gebracht hat, sie zu wählen", sagt Galetti. Das wird dann in Bereichen gemacht, die nicht viel Geld kosten, aber eine Diskussion lostreten können. "In aller Regel bleibt das aber ohne große Konsequenzen."
"Echte Probleme treten in den Hintergrund"
Ähnlich sieht es der Politologe Andrea De Petris. Der wissenschaftliche Direktor des Zentrums für Europäische Politik in Rom glaubt aber nicht, dass der Vorschlag reine Symbolpolitik ist, sondern dass die Fratelli d'Italia mit aufsehenerregenden Aktionen wie dieser bewusst von wirtschaftlichen und politischen Problemen in Italien ablenken will. "Die Medien berichten dann eine Woche lang über Themen wie den vorgebrachten Gesetzesentwurf- und Italiens echte Probleme treten in den Hintergrund."
Aber nicht nur das. Für De Petris verfolgt die Fratelli d'Italia mit dem Gesetzesvorhaben noch ein höheres Ziel. Seit ihrer Gründung haben Parteimitglieder immer wieder den Faschismus verharmlost oder relativiert. Jetzt, in Regierungsverantwortung, bemüht sich die Partei um ein anschlussfähiges Image und inszeniert sich als Verteidiger der italienischen Identität, der echten italienischen Kultur und natürlich der italienischen Sprache. "Die Fratelli d'Italia konstruiert eine Identität, die sich besser verkaufen lässt. Sie sagen: 'Wir sind nicht gegen die Europäische Union, aber für Italien und seine nationale Identität'", erläutert De Petris.
Für die falsche Aussprache von Bruschetta belangt zu werden, muss aber aller Voraussicht nach niemand fürchten. Ein solches Gesetz wäre auch schwer umsetzbar, denn wer soll das im Alltag kontrollieren? Experte Galetti fände es allerdings schön, wenn sich Italien-Touristen - insbesondere Deutsche - bei der Aussprache in Zukunft ein bisschen Mühe geben würden. "Italienisch ist eine wohlklingende Sprache. Einfache Sätze zu lernen, ist für uns Deutsche nicht allzu schwierig. Und die meisten Italiener zollen einem Ausländer Lob und Anerkennung, wenn Wörter wie 'Bruschetta' korrekt ausgesprochen werden."
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de