Politik

Reaktion auf Trumps Chaos-Jahre Ein Plan, der die USA retten soll

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Unter anderem den Schaden, den Donald Trump den USA zugefügt hat, wollen die Demokraten mit einem Gesetz beheben.

(Foto: REUTERS)

Donald Trump hat dem Fundament der USA gehörige Risse zugefügt. Ein Gesetz der Demokraten soll nun die Demokratie retten. Mit dem "For the People Act" wollen sie das Wahlsystem modernisieren, es fairer machen und vereinfachen. Doch der Plan droht an den Republikanern zu scheitern.

Donald Trump hat die Demokratie der USA ins Wanken gebracht. Nicht nur, dass der ehemalige US-Präsident in seinen vier Jahren im Amt dreiste Lügen verbreitete, die Spaltung der Gesellschaft vorantrieb, die Medien verunglimpfte, Rassismus den Weg in den Politik-Mainstream bereitete und Regeln missachtete, die seine Macht eingrenzen sollten. Trump diskreditierte auch das Wahlsystem der Vereinigten Staaten, besonders die Abstimmung per Post und Briefwahl, indem er vehement darauf beharrte, Opfer eines Wahlbetrugs zu sein.

Kurz bevor er sein Amt verlassen musste, stiftete er auch noch einen Angriff auf das Parlament an, das Kapitol in Washington. Der Aufstand vom 6. Januar zeigte der ganzen Welt, wie tief die Risse in der ältesten Demokratie der Welt geworden waren. Aber der Kapitol-Sturm wurde nicht erst am Tag des Angriffs angefacht. Die Stimmung, die dazu führte, hatte Trump durch Rhetorik und Handeln in vier Jahren Amtszeit befeuert.

Dabei konnte der Ex-Präsident an bestehende Narrative und Strukturen anknüpfen: an das Gerede von der Wählerunterdrückung beispielsweise, das oftmals rassistisch motiviert ist. An den Einfluss des Geldes von Superreichen, von Unternehmen, von Super-PACs und anderen sogenannten "dark money" Organisationen auf Wahlen. Und an politisch motiviertes Gerrymandering - also die Manipulation von Wahlkreisgrenzen, um aus numerischen Minderheiten politische Mehrheiten zu machen.

"Republikaner profitieren von strukturellen Vorteilen"

Die Demokraten wollen diesem gefährlichen Zustand der Vereinigten Staaten nun mit einem Gesetz Einhalt gebieten. Der "For the People Act" (auf Deutsch: das Für-das-Volk-Gesetz) soll zu Bundesrecht werden - und zwar so schnell wie möglich. Der rechtliche Begriff der Gesetzesvorlage lautet H.R. 1, was für House Resolution Nummer eins steht und ihren Status als oberste Legislativpriorität unterstreicht. Im Repräsentantenhaus, ab 2018 schon unter Trump in der Hand der Demokraten, wurde der Entwurf 2019 bereits verabschiedet. Der mehrheitlich republikanische Senat schmetterte ihn damals jedoch ab. Nun soll er der erste Vorschlag werden, den die neue demokratische Mehrheit des Senats angeht und Joe Biden zum Unterzeichnen auf den Tisch legt. Doch auch bei diesem zweiten Versuch wird das Gesetz auf starken Widerstand der Republikaner treffen.

"Aus Sicht der Demokraten - und auch aus demokratietheoretischer Sicht - muss das Wahlsystem der USA in der Tat dringend modernisiert werden", sagt Thomas Greven, Experte für das Parteiensystem in den USA am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Der "For the People Act" hat genau das vor und soll vor allem die Wahl für US-Bürger erleichtern, den Einfluss von Geld auf die Politik verringern und Ethikregeln für Politiker verschärfen. Das sei nötig, so US-Fachmann Greven zu ntv.de, denn: "Grob gesagt profitieren die Republikaner von strukturellen Vorteilen, die ihre Wähler überrepräsentieren, und sie sind zudem bereit, gesetzlich und administrativ Wähler der Demokraten an der Stimmabgabe zu hindern, insbesondere Angehörige von Minderheiten und junge Wähler."

Konkret will der fast 600-seitige Gesetzentwurf alle Bundesstaaten dazu verpflichten, eine Online-Wählerregistrierung anzubieten, eine automatische Wählerregistrierung einzurichten, Wählerregistrierungen am Tag einer Präsidentschaftswahl zuzulassen sowie mindestens 15 Tage für eine vorzeitige Stimmabgabe einzuräumen. Auch das Stimmrecht für Straftäter nach dem Verlassen des Gefängnisses soll in allen Bundesstaaten wiederhergestellt werden. Das Gesetz würde es zu einer Straftat machen, "eine andere Person zu stören oder daran zu hindern, sich zur Abstimmung anzumelden". Außerdem soll der Wahltag (in den USA traditionell ein Dienstag) ein nationaler Feiertag werden, damit die Menschen nicht jobbedingt vom Gang an die Wahlurne abgehalten werden. Zusätzlich sollen Briefwahlzettel kein Porto mehr benötigen.

Kein Partisanen-Gerrymandering mehr

Um den Einfluss von Geld auf die Politik zu verringern, soll das Gesetz die Transparenz der Wahlkampffinanzierung verbessern. Super-PACs, also Interessengruppen, die Geld für den Wahlkampf von Kandidaten sammeln, müssten Spender offenlegen, die mehr als 10.000 US-Dollar geben. In den USA werden politische Ausgaben von Super-PACs und gemeinnützigen Organisationen als "dark money" bezeichnet, weil die Interessengruppen nicht verpflichtet sind, ihre Spender zu nennen, und daher unbegrenzt Spenden von Unternehmen, Einzelpersonen und Gewerkschaften erhalten und Wahlen beeinflussen können, ohne dass die Wähler wissen, woher das Geld stammt. Der "For the People Act" fordert außerdem Online-Plattformen auf, öffentlich zu machen, welche Personen politische Anzeigen im Wert von mindestens 500 US-Dollar kaufen.

Mit einem Fingerzeig in Richtung Donald Trump verpflichtet der Gesetzentwurf Präsidenten und Vizepräsidenten sowie die Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten dazu, ihre Einkommensteuererklärung der letzten zehn Jahre öffentlich zu machen. Bislang war dies nur üblich, nicht vorgeschrieben; Trump hielt sich bekanntlich nicht an diese Tradition. Außerdem würde das Gesetz Gerrymandering verhindern, indem die Bundesstaaten unabhängige Kommissionen (bestehend aus fünf Demokraten, fünf Republikanern und fünf Unabhängigen) einsetzen müssten, um die Grenzen von Kongressbezirken neu zu ziehen.

Alle zehn Jahre werden in den USA die Wahlkreise neu zugeschnitten. Besonders Republikaner, aber auch Demokraten versuchen immer wieder, die Grenzen zu ihrem Vorteil zu ziehen und möglichst viele eigene Wähler in einem neu eingeteilten Wahlbezirk zu versammeln, oder die Wähler der gegnerischen Partei aufzuteilen. 2021 werden die Grenzen wieder neu gezogen, diesmal hat die Grand Old Party weitaus mehr Kontrolle über den Prozess als die Demokraten und könnte ein Kräfteverhältnis herstellen, das ihr einen Vorteil für die Repräsentantenhaus-Wahl verschafft, der mehrere Wahlzyklen überdauert. Mit dem "For the People Act" wäre parteiliches Gerrymandering verboten, denn die Kommissionen müssten gleichberechtigende Kriterien einhalten.

"Demokratie ist in Zustand tiefen Verfalls"

"H.R. 1 stellt das Vertrauen der Menschen wieder her, dass die Regierung für das öffentliche Interesse, die Interessen der Menschen, und nicht für andere spezielle Interessen arbeitet", hatte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bereits 2019 gesagt und fügte Anfang dieses Jahres hinzu: "Unsere Demokratie ist in einem Zustand tiefen Verfalls. (...) Unsere historischen Reformbemühungen werden jahrzehntelange Funktionsstörungen in Washington beseitigen, die Macht an die Menschen zurückgeben und ein gerechteres und wohlhabenderes Land für alle Amerikaner aufbauen." Auch zahlreiche Zivilrechtsorganisationen unterstützen den Gesetzentwurf.

"Die Republikaner werden mit allen Mitteln versuchen, dieses Gesetz zu verhindern", glaubt aber US-Experte Greven. Die Republikaner, traditionell gegen zu viel Macht auf Seiten der Exekutive in Washington, sehen in dem Gesetz mit den landesweiten Wahlregeln eine Machtverschiebung von den Bundesstaaten hin zur Föderalregierung, den sie aufhalten müssten. Sie glauben auch nicht, dass es neue Wahlgesetze geben müsse, schließlich lag die Wahlbeteiligung bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 bei knapp 67 Prozent, was die höchste Beteiligung seit 100 Jahren bedeutete.

Als das Gesetz 2019 diskutiert wurde, sagte J. Christian Adams, Präsident der Public Interest Legal Foundation, der auch Mitglied in Trumps erster kurzlebiger Wahlbetrugskommission aus dem Jahr 2016 war: "Tatsächlich ist es schwierig, die Möglichkeiten zu verpassen, sich zur Wahl anzumelden." Doch auch die Präsidentschaftswahl 2020 zeigte wieder, dass Wahlbemühungen massiv unterdrückt wurden und Teile der Bevölkerung aufgrund von hohen Hürden ausgeschlossen werden. Seitdem bemüht sich die Grand Old Party in verschiedenen Bundesstaaten sogar massiv, härtere Wahlgesetze einzuführen, die den "For the People Act" direkt konterkarieren.

"Schnappen" Demokraten nach Macht?

Für die Republikaner geht es nach der verlorenen Wahl nun vor allem darum, nicht in noch schlechtere Aussichten für die Zukunft zu schlittern. Der damalige Mehrheitsführer des Senats, der Republikaner Mitch McConnell, nannte den Entwurf vor zwei Jahren das "Gesetz zum Schutz demokratischer Politiker" und ein "Schnappen nach Macht". In einem Meinungsstück für die "Washington Post" schrieb er, dass die Demokraten "die Regeln der amerikanischen Politik ändern wollen, um einer Partei zu helfen".

In McConnells Partei geht die Angst um, das Gesetz könnte vor allem traditionell eher demokratisch wählenden Minderheiten den Gang zur Urne erleichtern und Früh- beziehungsweise Briefwählern helfen, die ebenfalls eher zu den Demokraten gehören. Auch die Transparenz hinsichtlich Super-PACs und "dark money" dürfte die Republikaner stören, denn die Spenden-Summen der Konservativen sind stets größer als die der Demokraten. "Frei nach Donald Trump könnte man sagen", urteilt Greven vom John-F.-Kennedy-Institut, "dass wenn dieses Gesetz in Kraft tritt und tatsächlich den Bürgern die Wahlbeteiligung erleichtert wird, kein Republikaner jemals wieder eine Wahl gewinnen kann."

Auch 2021 wird es für die Demokraten also schwer, aus dem Entwurf ein Gesetz zu machen. Im Senat benötigen sie zwar nur eine einfache Mehrheit (mit Vizepräsidentin Kamala Harris besitzen sie 51 von 101 Stimmen), um ein Gesetz zu verabschieden. Aber 60 von 100 Senatoren sind nötig, um eine Debatte über das Gesetz zu beenden. Einige Republikaner kündigten bereits an, mit dem Werkzeug des Filibuster, einer Endlosrede im Senat, das Gesetz abzuschmettern - zehn Senatoren von der Gegenseite bräuchten die Demokraten also, um das Gebaren zu beenden. Die Demokraten bauen darauf, dass die Öffentlichkeit den Entwurf unterstützt und Druck auf die Republikaner ausübt. In einer Umfrage von Ende Januar befürworteten 67 Prozent der befragten US-Amerikaner den "For the People Act". Selbst unter den Wählern der Republikaner gab es dafür eine Mehrheit von 56 Prozent.

Schlechte Chancen

"Wenn überhaupt, dann wird das Gesetz vermutlich nur in stark verwässerter Form verabschiedet", glaubt US-Fachmann Greven: "Es sei denn, die Demokraten entschließen sich dazu, den Filibuster im Senat abzuschaffen." Tatsächlich scheint dieser Schritt möglich. John Sarbanes, einer der Architekten von H.R. 1, sagte der Zeitschrift "Rolling Stone", dass man "einen zunehmenden Druck auf die Reform des Filibusters, insbesondere wenn es um die Grundregeln für die Funktionsweise unserer Demokratie geht, sehen wird". Allerdings bräuchten die Demokraten für die Abschaffung des Filibusters eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Mit der Schaffung eines neuen Präzendenzfalls könnte die Eliminierung aber auch mit einfacher Mehrheit gelingen.

Ob die USA Trumps Kurs erfolgreich umkehren, das Fundament ihrer Demokratie wieder stärken und die Risse darin teilweise kitten können, hängt dieser Tage unter anderem vom "For the People Act" ab. Doch die Chancen stehen nicht gut. Das Gesetz dürfte noch für viel Diskussionsstoff sorgen und zu Grabenkämpfen zwischen den Parteien führen. Es könnte der Biden-Regierung zu einem ersten großen Sieg verhelfen - oder in einer empfindlichen Niederlage enden.

Quelle: ntv.de

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