Reederei: Fähre fast gestürmt "Es war keine Minute zu spät, sonst wäre der Mob an Bord gewesen"
05.01.2024, 12:52 Uhr Artikel anhören
Die Fähre mit Wirtschaftsminister Habeck sowie Dutzenden weiteren Fahrgästen an Bord muss aufgrund der Tumulte in Schlüttsiel wieder ablegen.
(Foto: picture alliance/dpa/NEWS5)
Vor der Bauern-Randale in Schlüttsiel wird in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, am Fähranleger zu protestieren. Daraufhin finden sich dort etwa 300 Personen ein. Derweil spricht die Reederei von einem so noch nie dagewesenen Vorfall.
Die Fähre im Hafen von Schlüttsiel mit Vizekanzler Robert Habeck an Bord ist nach Angaben der Wyker Dampfschiffs-Reederei am Donnerstagabend um ein Haar von Demonstranten erstürmt worden. Dies habe der Kapitän im letzten Moment verhindert, indem er wieder ablegte, sagte der Geschäftsführer der Reederei, Axel Meynköhn. Alle etwa 30 Fahrgäste, die von den Halligen kamen, seien am Verlassen der Fähre gehindert worden. Ein Lastwagenfahrer sei genötigt worden, von der Rampe rückwärts wieder auf die Fähre zu fahren.
"Das ist aus meiner Sicht Nötigung. Das ist ein schlimmer Vorgang", sagte Meynköhn. Es hätten auch medizinische Notfälle an Bord sein können. Der Kapitän habe mit den Personenschützern an Bord und nach Rücksprache mit der Polizei an Land entschieden, wieder abzulegen. "Wenn diese Entscheidung eine Minute später getroffen worden wäre, dann wäre die Fähre gestürmt gewesen." Er wisse von der Besatzung, dass Leute noch rübergesprungen wären, wenn das Schiff nicht bereits zu weit weg gewesen wäre, sagte der Geschäftsführer. "Es war keine Minute zu spät, sonst wäre der Mob an Bord gewesen, mit nicht auszudenkenden Folgen."
Die Fähre sei dann mit allen Passagieren an Bord zunächst zur Hallig Hooge zurückgefahren. Es gehe hier nicht mehr nur um Robert Habeck, der privat auf Hooge war, es gehe um die Gesamtheit des Schiffes, seiner Passagiere und seiner Besatzung, betonte Meynköhn. "Hier ist ganz klar genötigt worden. So einen Vorfall hat es nach unserem Kenntnisstand in der fast 140-jährigen Geschichte der Reederei noch nicht gegeben."
Bis zu 300 Menschen folgen Protestaufrufen
Indes gab die Flensburger Polizei neue Details zu der Blockadeaktion bekannt. "In den sozialen Medien wurden Aufrufe zur Demonstration am Fähranleger Schlüttsiel verbreitet, an welchem Herr Dr. Habeck am Nachmittag eintreffen sollte", erklärt die Polizei. Etwa 80 landwirtschaftliche Fahrzeuge hätten sich am Donnerstag auf den Weg zum Fähranleger gemacht. Bis zu 300 Menschen hätten sich dort eingefunden, um gegen Kürzungspläne der Bundesregierung zu demonstrieren.
Als die Fähre gegen 17 Uhr Schlüttsiel erreichte, sei die Lage angespannt gewesen, ein Dialog zwischen Habeck und den Versammlungsleitern habe nicht ermöglicht werden können, berichtete die Polizei weiter. Aus der Versammlung heraus hätten 25 bis 30 Menschen versucht, auf die Fähre zu gelangen. Einsatzkräfte hätten diese teilweise unter Einsatz von Pfefferspray zurückgehalten. "Nach Ablegen der Fähre beruhigte sich die Lage und die Versammlung löste sich gegen 19 Uhr auf." In der Nacht zum Freitag hätten Einsatzkräfte schließlich die Heimreise Habecks nach Flensburg ohne weitere Vorkommnisse gewährleistet.
Bürgermeister berichtet von Fake News
Auch der Bürgermeister der Gemeinde Ockholm kritisierte die Blockadeaktion in Schlüttsiel scharf. "Es kann ja nicht sein, dass du jemanden daran hinderst, dass er die Fähre verlässt. Das ist ja schon Nötigung", sagte Matthias Feddersen. Er habe am Donnerstag vorher davon erfahren, dass sich Habeck angeblich mit Bauern treffen wolle.
Es sei von vornherein klar gewesen, dass es sich dabei um Fake News handele, sagte Feddersen. Das Ordnungsamt habe letztlich geraten, die Polizei zu informieren. "Man kann ihn ja nicht ins offene Messer laufen lassen." Die Gemeinde sei am Fähranleger ja mehr oder weniger Hausherr. Er selbst sei nicht am Ort gewesen, sagte Feddersen. Zwar könne er verstehen, dass die Landwirte aufgebracht seien. "Aber so, wie sie es gemacht haben: Das war eine Spur zu hart. Ganz klar."
Quelle: ntv.de, hul/dpa