Haushaltstalk bei Lanz Esken: "Allen war klar, dass das ein Kniff ist"
06.12.2023, 07:48 Uhr Artikel anhören
SPD-Parteichefin Saskia Esken will von Trickserei der Bundesregierung nichts wissen.
(Foto: ZDF und Cornelia Lehmann)
Nach dem Urteil in Karlsruhe wird es eng für die Ampel. Wie soll das 17-Milliarden-Euro-Loch nun gestopft werden? ntv-Politikchef Blome spricht bei Markus Lanz von einer Regierungskrise. Die SPD-Parteichefin Esken sieht diese nicht und verblüfft mit einer Aussage.
SPD-Parteichefin Saskia Esken hat es nicht leicht. Sie soll am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow Markus Lanz erklären, wie es zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe kommen konnte, das der Bundesregierung so viel Kopfzerbrechen bereitet. Denn die Ampel muss mit einem Haushaltsloch von 17 Milliarden Euro klarkommen. Nun sitzen schon seit einigen Tagen Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner zusammen und beraten. Eigentlich wollten Scholz und die Sozialdemokraten das Thema bis Jahresende vorläufig vom Tisch haben, aber daraus wird wohl nichts. Zumindest wird sich das Kabinett an diesem Mittwoch nicht mit dem Bundeshaushalt befassen. Nächste Woche trifft sich der Bundestag regulär zum letzten Mal in diesem Jahr. Dass sich das Parlament dann mit dem Haushalt 2024 befasst, ist äußerst unwahrscheinlich.
Markus Lanz hat sich drei Gäste eingeladen, mit denen er in der ersten Hälfte seiner Show über den Bundeshaushalt reden will. ntv- und RTL-Politikchef Nikolaus Blome spricht von einer Regierungskrise, doch das sehen Esken und der Wirtschaftsberater des Finanzministers, Lars Feld, anders. Die Regierung habe Corona-Hilfen, die die Wirtschaft nicht abgerufen habe, in einen Transformationsfonds umgewidmet. "Allen war klar, dass das ein Kniff ist", sagt Esken.
Am vergangenen Donnerstag hatte die Politikerin in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner von einem Trick gesprochen. Lanz will nun wissen, wie es wirklich war und ob die Regierung getrickst habe. Es gelingt ihm nicht, Esken dieses eine Wort herauszulocken, dabei gibt er sich schon fast aufdringlich viel Mühe. Nikolaus Blome unterstützt ihn, als er kritisiert: Die Hälfte der Experten habe die Bundesregierung vor diesem Schritt gewarnt. "Das wusste man, dass es mindestens 50 Prozent riskant war. Das kann man ja mal machen, wenn man ein guter Spieler ist und gute Nerven hat. Aber weder hat diese Regierung gute Nerven, noch sollte man alles, was man hat, auf diese 50-Prozent-Chance setzen. Und alles, was Sie haben, ist diese Regierung, und die steht und fällt mit dem Ding. Und das war ein bisschen sehr riskant."
Etwas später fügt Blome hinzu: "Es war ein Zaubertrick, um alles unter einen Hut zu bringen, was Sie in Ihren Koalitionsverhandlungen eben nicht unter einen Hut gebracht haben." Die Koalition habe gewährleisten wollen, dass die Ampelparteien ihre Lieblingsprojekte ohne Steuererhöhung durchsetzen konnten.
"Sie können genauso gut sagen, es ist eine Weiterentwicklung der sich in den letzten zwanzig Jahren entwickelnden Haushaltspraxis", sagt Ökonom Lars Feld. Von Trickserei will auch er nicht sprechen. Stattdessen erklärt er nicht ganz leicht verständlich die Praxis der Regierungen von Bund und Ländern, Sondervermögen oder Schattenhaushalte anzulegen.
Feld kritisiert Investitionen
Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte November in seinem Urteil die Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) durch ungenutzte Kredite aus der Corona-Pandemie für unrechtmäßig erklärt. Aus diesem Fonds sollten unter anderem Geld für Unternehmen wie Intel fließen, die sich in Ostdeutschland ansiedeln wollen. Ökonom Lars Feld sagt nun bei Lanz: "Weder würde ich in Intel investieren, noch würde ich diese riesigen Beträge an die Altindustrien zahlen, um ihnen die Transformation in den Klimawandel zu erleichtern." So könne man zum Beispiel Stahl importieren, man müsse ihn nicht selber produzieren. "Wir leben in einer hoch arbeitsteiligen Wirtschaft. Wir haben auch sonst keine Autarkie. Wir können das aus dem Ausland kriegen."
Damit ist Esken nicht einverstanden, Deutschland würde sich so von anderen Ländern abhängig machen. "Bisher waren wir zum Beispiel abhängig von günstiger Energie aus Russland." In Zukunft wäre man dann auf andere Länder angewiesen, wenn man günstigen Stahl brauche. Und sie nennt ein weiteres Beispiel: "Die Investition in die Halbleiterindustrie in Europa, dass die sich hier niederlässt in Deutschland, das ist eine Investition in unsere Unabhängigkeit." Zudem weist Esken auf Lieferketten hin, die beispielsweise in der Corona-Krise unterbrochen waren. Auch Blome gibt zu bedenken: "Man muss schon zur Kenntnis nehmen, dass das mit der Globalisierung lange nicht mehr so geschmiert läuft, wie vor fünf Jahren." Deswegen könne er verstehen, wenn eine Bundesregierung jetzt eine Industriepolitik betreibe, die man vor zwanzig Jahren für altmodisch gehalten hätte.
Doch Feld nennt noch einen weiteren Punkt, der seiner Ansicht nach gegen die staatliche Unterstützung von Ansiedlung weiterer ausländischer Unternehmen in Deutschland spricht: der demografische Wandel. "Es ist völlig rückwärtsgewandt zu sagen, wir müssen Arbeitsplätze auf Teufel komm raus da und dort subventionieren." Würde man bei dem Chiphersteller Intel 3000 Jobs schaffen, dann fehlten diese Arbeitskräfte woanders, so Feld.
Esken lässt sich davon nicht überzeugen. Sie fordert, "den industriellen Kern in Deutschland zu erhalten und darauf zu schauen, dass wir bei den Lieferketten nicht wieder in solche Abhängigkeiten geraten, wie wir sie hatten."
Quelle: ntv.de