Warten auf den GroKo-Durchbruch Finanz- und Asylpolitik halten Sondierer wach
12.01.2018, 06:40 Uhr
Auch nach mehr als 21 Stunden ist bei den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD noch kein Ende absehbar. Der Streit um die Flüchtlings- und Finanzpolitik ist ungelöst. Viel Zeit bleibt laut Plan der Parteien nicht mehr.
Die Unterhändler von Union und SPD ringen um ein Ergebnis ihrer Regierungssondierungen. Auch nach rund 21-stündigen Beratungen in der Berliner SPD-Zentrale war zunächst noch kein Ende in Sicht. Ein Scheitern der Sondierungen wurde zwischenzeitlich nicht ausgeschlossen. Zentrale Probleme waren bis zuletzt die Finanz- und die Flüchtlingspolitik. Aber auch bei Themen wie Rente und Gesundheit hakte es.
Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Martin Schulz hatten am Donnerstagvormittag vor der Sondierungsrunde den Willen zur Einigung bekräftigt. Zugleich war aber klar, dass noch "große Brocken" aus dem Weg geräumt werden mussten. Noch an diesem Morgen wollen Merkel und Schulz ihren Gremien ein Ergebnis vorlegen.
Dem Vernehmen nach wurde viele Stunden um die Finanzierung verschiedener kostspieliger Projekte in der Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik gerungen. Obwohl grundsätzlich von einem finanziellen Spielraum von 45 Milliarden Euro für eine künftige Regierung ausgegangen worden war, summierten sich die Kosten für die in den Arbeitsgruppen ausgearbeiteten Einzelvorhaben noch am Donnerstagvormittag auf rund das Doppelte.
Schwierig waren die Gespräche auch bei der SPD-Forderung nach einer Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent. Wenn diese Anhebung linear erfolgt, könnte dies auch niedrigere Einkommen treffen. Der Union sei es im Gegenzug wichtig, beim Abbau des Solidaritätszuschlages voranzukommen, hieß es. Zugleich pochte die Union nach diesen Informationen auch angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen auf die "schwarze Null" im Haushalt - also den Verzicht auf neue Schulden.
Jusos organisieren schon Widerstand
Die Verhandlungen wechselten zwischen Sitzungen von Arbeitsgruppen, Sechser-Runden der Partei- und Fraktionschefs, getrennten Beratungen der einzelnen Seiten und der großen Gruppe der Unterhändler. Mehrere Politiker nahmen sich zwischenzeitlich eine Auszeit von den Beratungen - unter anderem die stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Ursula von der Leyen und Julia Klöckner sowie die CSU-Politikerin Dorothee Bär verließen gegen Mitternacht gemeinsam das Willy-Brandt-Haus, wo die entscheidende Runde stattfindet. "Wir kommen wieder", sagte Klöckner.
Schulz hatte zum Auftakt der Gespräche auch die Europapolitik in den Mittelpunkt gerückt. "Wenn wir in eine solche Regierung eintreten, dann unter der Bedingung, dass sie Europa stark macht", sagte er. Ein weiteres SPD-Projekt ist eine einheitliche gesetzliche Bürgerversicherung im Gesundheitssystem. Die Union lehnt eine Bürgerversicherung ab.
Unter anderem beim Unkrautgift Glyphosat, das für massiven Ärger in der bisherigen großen Koalition gesorgt hatte, haben Union und SPD bereits eine gemeinsame Position gefunden. Einig sind sich die Sondierer auch darin, Diesel-Fahrverbote vermeiden und generell Luftverschmutzung durch Autoabgase senken zu wollen. Das nur noch schwer erreichbare Klimaschutzziel für 2020 soll aufgegeben werden.
Sollte die SPD-Spitze nach den Sondierungen den Einstieg in offiziele Koalitionsverhandlungen mit der Union empfehlen, hängt es davon ab, ob ein am 21. Januar geplanter Parteitag dem zustimmt. Schulz will in der Woche davor für die Empfehlung werben. Die Jusos wollen Widerstand gegen eine Neuauflage der großen Koalition mobilisieren. Juso-Chef Kevin Kühnert will dafür unter anderem durch mehrere SPD-Landesverbände touren.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte die Unterhändler an ihre Verantwortung. CDU, CSU und SPD seien nicht nur ihren Parteien und der eigenen politischen Zukunft verpflichtet, sondern hätten auch große Verantwortung für Europa und die internationale Politik, mahnte das Staatsoberhaupt beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa