Forsa-Chef im Interview "Für die Union ist das, was Merz macht, fatal"
28.01.2025, 15:59 Uhr Artikel anhören
Merz' Vorstoß hat für Mobilisierung gesorgt, sagt Peter Matuschek; "allerdings nicht bei der Union, sondern bei SPD und AfD".
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Das Vorgehen von CDU-Chef Merz habe der Union in den Umfragen geschadet, sagt Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek im Interview mit ntv.de. "Das Auf und Ab der AfD hängt weniger davon ab, was die AfD selbst tut oder nicht tut, sondern viel stärker davon, wie die anderen Parteien sich zu ihr verhalten", so Matuschek. "Wenn Friedrich Merz billigend in Kauf nimmt, dass die AfD seinen Anträgen zustimmt und damit auch mitentscheiden kann, dann entsteht zumindest der Eindruck einer Aufwertung der AfD durch die CDU. Für die Union ist das fatal."
ntv.de: Die Union ist innerhalb der vergangenen Woche in der Forsa-Umfrage regelrecht abgestürzt - von 31 Prozent am Dienstag und Mittwoch auf 28 Prozent im Zeitraum von Donnerstag bis zum gestrigen Montag. Die AfD legte dagegen von 19 auf 21 Prozent zu. Können Sie sagen, was der Grund für diesen Stimmungsumschwung ist?

Peter Matuschek ist Geschäftsführer von Forsa. Das Meinungsforschungsinstitut erhebt das Trendbarometer für RTL und ntv.
(Foto: picture alliance / Britta Pedersen/dpa)
Peter Matuschek: Solche Veränderungen innerhalb einer Woche sind relativ ungewöhnlich. Deshalb haben wir für das aktuelle Trendbarometer die Werte vor und nach dem Anschlag in Aschaffenburg und nach der Reaktion der Union darauf dargestellt. Dabei wird sehr deutlich, dass die Veränderungen in einem engen Zusammenhang stehen mit der Reaktion von Friedrich Merz und der Union auf die Ereignisse in Aschaffenburg.
Inwiefern?
Es gab auch früher schon schreckliche Ereignisse wie jetzt in Aschaffenburg. Aber danach konnten wir keine solchen Effekte beobachten wie jetzt. Mit Blick auf die Werte der Union sieht man: Merz persönlich büßt an Zustimmung ein, und die Kompetenzwerte für die Union insgesamt gehen auch deutlich nach unten. Dagegen geht es für die AfD und Alice Weidel aufwärts.
Kann man den Auslöser so klar festlegen? Der Anschlag in Aschaffenburg fand am vergangenen Mittwoch statt, und am selben Tag sagte Merz, er werde im Fall seiner Wahl zum Bundeskanzler "am ersten Tag" seiner Amtszeit das Bundesinnenministerium anweisen, "ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen". Am Donnerstag kündigte Merz Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag an und machte deutlich, dass es ihm egal sei, wenn eine Mehrheit dafür mit den Stimmen der AfD zustande komme.
Wir haben nach früheren Anschlägen gesehen, dass es für die Umfragewerte der Parteien in erster Linie darauf ankommt, wie die Parteien damit umgehen; so schrecklich solche Anschläge sind, sie allein lösen starke Ausschläge in den Umfragewerten der Parteien nicht aus. Das können Sie bis zurück in die Zeit der Flüchtlingskrise von 2015/2016 beobachten. Die Ursache für die Verschiebung im Trendbarometer hat sich vollzogen, nachdem die Union mit der Ankündigung ihrer Anträge vorgeprescht ist. Das ist ein Muster, das sich stets wiederholt: Das Auf und Ab der AfD hängt weniger davon ab, was die AfD selbst tut oder nicht tut, sondern viel stärker davon, wie die anderen Parteien sich zu ihr verhalten.
Forsa hat für das aktuelle Trendbarometer auch nach Positionen der Deutschen zur Migrationspolitik gefragt. 28 Prozent der Wahlberechtigten schreiben der Union bei diesem Thema die höchste Problemlösungskompetenz zu, 22 Prozent der AfD. Bei SPD und Grünen liegen die Werte deutlich darunter. Wie ist der Wert der Union zu bewerten?
Das ist ein schlechtes Ergebnis für die Union, denn in früheren Erhebungen war der Vorsprung der Union vor der AfD in dieser Frage deutlich größer. Wenn die AfD nun bei dieser Frage plötzlich auf 22 Prozent kommt, dann hat das auch mit ihrer indirekten Aufwertung zu tun.
Indirekte Aufwertung?
Wenn Friedrich Merz billigend in Kauf nimmt, dass die AfD seinen Anträgen zustimmt und damit auch mitentscheiden kann, dann entsteht zumindest der Eindruck einer Aufwertung der AfD durch die CDU. Für die Union ist das fatal.
Zugleich wollen nur 25 Prozent der Unionsanhänger, dass die Migrationspolitik zum wichtigsten Wahlkampfthema gemacht wird. Was könnte das für die Wahlkampfstrategie der Union bedeuten?
Es ist von außen nicht nachvollziehbar, warum die Union überhaupt so stark auf das Thema Migration setzt. Nach unseren Erhebungen und auch nach denen anderer Institute wie etwa der Forschungsgruppe Wahlen ist die Migration für die Leute ein wichtiges, aber bei weitem nicht das wichtigste Thema.
Was ist das wichtigste Thema?
Die Wirtschaft, die wirtschaftlichen Probleme des Landes, die wirtschaftliche Lage - das ist das alles überlagernde innenpolitische Thema. Und in der Wirtschaftspolitik hat die Union noch einen deutlichen Kompetenzvorsprung vor den anderen Parteien, hier könnte sie viel stärker punkten. Umso unverständlicher ist es, dass die Union jetzt das Thema Migration in den Mittelpunkt rückt - und das auch noch in dieser Art und Weise. Denn in der Migrationspolitik gibt es bekanntermaßen keine einfachen Lösungen. Wer das suggeriert, hilft nur der AfD. Für deren Anhänger ist die Migration das Leib- und Magenthema.
Offenbar hatten CDU und CSU nach Aschaffenburg das Gefühl, sie müssen ein Zeichen setzen.
Das war eine Fehleinschätzung, wenn man sich die Zahlen anschaut. Das hätte man allerdings auch vorher wissen können, wenn man die Daten der seriösen Umfrageinstitute verfolgt hat. Auch in unserer aktuellen Umfrage für RTL und ntv raten 79 Prozent der Wahlberechtigten und auch 74 Prozent der CDU/CSU-Anhänger den Parteien davon ab, die Zuwanderungspolitik zum zentralen Wahlkampfthema zu machen. Dass Merz und die CDU das doch getan haben, hat in dieser Woche für eine Mobilisierung gesorgt, allerdings nicht bei der Union, sondern bei SPD und AfD.
Haben Sie eine Prognose, wie stark der Anschlag von Aschaffenburg den Wahlausgang beeinflussen wird? Die Bundestagswahl findet ja schon in weniger als vier Wochen statt.
Das ist schwer vorherzusagen. Wir müssen im Laufe der Woche schauen, was im Bundestag passiert, wer wie mit wem stimmt, wie die Parteien sich dazu verhalten und wie das von der Bevölkerung wahrgenommen wird. Im Moment ist das schwer zu sagen. Aber klar ist, dass das Migrationsthema durch aktives Zutun der Unionsführung prominent auf die Agenda gesetzt wurde, obwohl es andere Themen gibt, die von der Bevölkerung als wichtiger angesehen werden.
Eine Frage zur Methodik: Forsa hat für das Trendbarometer zur Sonntagsfrage 2504 Personen befragt: 1001 am 21. und 22. Januar, 1503 am 23. bis zum 27. Januar. Für das Trendbarometer insgesamt weisen Sie eine statistische Fehlertoleranz von 2,5 Prozent aus. Gilt diese Fehlertoleranz auch für die jeweils getrennten Erhebungszeiträume?
Bei einer geringeren Fallzahl ist die statistische Fehlertoleranz entsprechend höher und liegt je nach Fallzahl bei drei oder etwas unter drei Prozent. Die Besonderheit unseres Trendbarometers ist, dass wir für RTL und ntv seit 1992 kontinuierlich und an jedem Wochentag 500 Wahlberechtigte befragen. Durch dieses in Deutschland einmalige Instrument haben wir die Möglichkeit, getrennte Auswertungen für einzelne Wochentage oder Wochenabschnitte wie in dieser Woche mit 1000 oder 1500 Befragten vorzunehmen und die Werte zu vergleichen. Daher können wir problemlos auch innerhalb einer Woche zwei Zeiträume abbilden und eine Entwicklung darstellen.
Mit Peter Matuschek sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de