CDU-"Brandmauer" zur AfD Friedrich Merz wird recht behalten, aber ...


Im ZDF-"Sommerinterview" machte Merz keine gute Figur - muss deswegen aber nicht inhaltlich falsch liegen.
(Foto: picture alliance/dpa/ZDF)
… es wird ihm womöglich nichts nutzen. Sollte der CDU-Chef über sein missglücktes Interview stolpern, wäre das ein Sieg der Verpackung über den Inhalt, der Ablenkung über das Eigentliche.
Mit Tobias Hans war es zwar kein aktuelles Schwergewicht der CDU, der am Dienstag früh Friedrich Merz' Eignung zum Kanzlerkandidaten in Zweifel zog. Aber wie der ehemalige Saarland-Ministerpräsident sein hartes Urteil herleitete, das wird in so großen Teilen der CDU geteilt, dass sie Merz tatsächlich gefährlich werden könnten. Der Partei- und Fraktionschef sei, so Hans sinngemäß, eine lose canon - unberechenbar, mindestens. Ob seine Statements zu zentralen Fragen den politischen Gegner in Angst und Schrecken versetzen oder die eigene Gefolgschaft, das wisse man vorher nie. Mit so einem Kandidaten sei kein erfolgreicher Wahlkampf zu machen. Who's next?
Scheitert Friedrich Merz also gerade in Zeitlupe an sich selbst, wie der "Stern" mehr sagt als fragt? Könnte sein. Aber es wäre auch der vorläufige Sieg der Verpackung über den Inhalt. Und das kann eigentlich niemand wollen.
Ein realitätsfernes Verbot
Denn eines scheint doch klar: In der Sache mit der "Brandmauer" gegen Rechtsaußen hatte Friedrich Merz bei seinem viel gescholtenen ZDF-Interview recht. Die AfD-Abgeordneten in den verschiedenen Parlamenten lassen sich politisch und praktisch isolieren. Besonders gut geht das erwiesenermaßen im Bundestag und in den Landtagen. Deutlich schwieriger ist es in den Stadtparlamenten oder Kreistagen, wo es oftmals nicht um parteipolitisch aufgeladene Fragen, sondern um Müllabfuhr, Kita-Öffnung oder Ortsumgehung geht und die Mehrheiten sich immer neu bilden.
Aber richtig kompliziert wird es, wenn das Verbot jedweder "Zusammenarbeit" auch für einen gewählten Amtsträger gelten soll. Wenn AfD-Politiker ein operativ relevantes Amt erlangen, wenn gleichsam die Person das Amt ist, dann lässt sich das Kooperationsverbot nicht mehr in jener Ausschließlichkeit durchhalten, in der es viele Merz-Kritiker partout verstehen wollen. Eine Vielzahl von kommunalen Praktikern und Politikern haben dem CDU-Chef dieses Dilemma inzwischen fair attestiert.
Wenn Merz also in der Sache recht hatte oder die Zeit ihm - je länger, umso mehr - recht geben wird, warum hat er dann am Sonntag womöglich seine Kanzlerkandidatur verspielt? Warum ist da "etwas ins Rutschen gekommen", wie CDU-Präsidiumsmitglieder raunen und auch der Parteichef selber ahnen dürfte?
Gefährliche Merz-Schelte
Merz' Probleme sind message control und Selbstkontrolle. Theorie und Praxis der Abgrenzung zur AfD gehören zum Heikelsten, was es bei CDU und CSU derzeit zu berühren gibt. Dass die AfD erstmals auch gewählte Amtsträger stellt, zwingt zu einer moderaten Justierung der bisherigen Sprachregelung. Der CDU-Chef hat das erkannt und sich daran versucht. Allein: Wer eine wichtige Sprachregelung öffentlich verändern möchte, sollte die neue unangreifbar fehler- und fugenlos präsentieren können. Konnte der offenbar sträflich schlecht vorbereitete Parteichef nicht, der Sturm brach los.
Recht geschehen, selber schuld? Ja, irgendwie schon. Aber seine Kritiker bewegen sich auf zusehends dünnerem Eis. Wer Merz nun einen skandalösen "Rechtsruck" hin zur AfD, gar heimliche Sympathien für eine Zusammenarbeit mit den Rechtsradikalen unterstellt, bestätigt eine gefährliche, um sich greifende Wahrnehmung: dass die selbsternannten Wächter des sogenannten Mainstreams jede und jeden in die "Nazi"-Ecke drängen, wenn er oder sie eine abweichende Meinung vertritt.
Je mehr im Laufe der nächsten Zeit zutage treten wird, dass Merz die Lage vor Ort richtig und nüchtern beschrieben hat, umso mehr Bürger werden sich fragen, warum dann so viel Geschrei darum gemacht wurde - und von welchen eigenen Versäumnissen SPD, FDP und Grüne wohl billig ablenken wollten. Kämen die drei Ampel-Parteien damit durch - auch dank der vielen Merz-Kritiker aus seinen eigenen Reihen -, es wäre neben dem Sieg der Verpackung über den Inhalt auch noch einer der Ablenkung über das Eigentliche.
Quelle: ntv.de