Politik

Wirtschaftsriesen in der Krise G20 wollen neue Impfstoffe in 100 Tagen

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Am Wochenende treffen sich Merkel und Scholz mit den Staats- und Regierungschefs der anderen wirtschaftsstärksten Länder. Die Ziele des G20-Gipfels in Rom: nicht weniger als das Bremsen der Erderwärmung und der Sieg gegen das Coronavirus. Doch das Format steckt in einer Krise.

Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wollen mehr Tempo beim Klimaschutz und der Pandemiebekämpfung. "Wir erkennen an, dass die Auswirkungen des Klimawandels bei 1,5 Grad viel geringer sind als bei 2 Grad und dass sofortige Maßnahmen ergriffen werden müssen, um 1,5 Grad in Reichweite zu halten", heißt es in einem mehreren Nachrichtenagenturen vorliegenden Entwurf der G20-Gipfelerklärung in Rom. "Wir verpflichten uns, die existenzielle Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen." Zugleich sollen die G20-Staaten mithelfen, dass Impfstoffe schneller entwickelt werden als bisher.

Bei dem Klimateil gilt allerdings weiter als strittig, bis zu welchem Jahr die Länder Klimaneutralität erreicht haben wollen. Dabei gehen die Meinungen bei so unterschiedlichen G20-Ländern wie Japan, China, Saudi-Arabien und den EU-Staaten weit auseinander. Auch der Hinweis in der Erklärung, dass die G20-Staaten für mindestens 75 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich sind, gilt als strittig.

Finanzminister Olaf Scholz nahm am Nachmittag in Rom an einer gemeinsamen Beratung der G20-Finanz- und Gesundheitsminister teil, die dem eigentlichen Gipfel vorgeschaltet ist. Dabei geht es um die Vorsorge und Pandemie-Bekämpfung. Im Kapitel Gesundheit der G20-Abschlusserklärung unterstreichen die Regierungen laut Entwurf das Ziel, dass 70 Prozent der Weltbevölkerung bis Mitte 2022 gegen Corona geimpft sein sollen. Die Produktion von Impfstoff in den Schwellenländern soll ausgebaut werden.

Zudem soll die Entwicklung neuer Impfstoffe nach Möglichkeit auf 100 Tage verkürzt werden - was allerdings vor allem von der technologischen Entwicklung abhängt. In der Corona-Pandemie ist die Entwicklung und Zulassung neuer Impfstoffe bereits von mehr als einer Dekade auf weniger als ein Jahr verkürzt worden. Nun soll versucht werden, die Forschung anzuschieben und regulatorische Vorhaben zu straffen, damit man noch schneller auf neue Pandemien reagieren kann. Die G20 wollen sich zudem unter anderem zu einem "offenen und fairen, regelbasierten Welthandel" bekennen. Auch die generelle Entwicklung der Weltwirtschaft wird Thema sein.

Krisen-Truppe selbst in der Krise

Finanzkrise, Coronakrise, Klimakrise: Die Staatengruppe der G20 kommt immer dann ins Spiel, wenn es weltweite Krisen zu lindern gibt. Das Besondere diesmal ist aus deutscher Sicht das gemeinsame Erscheinen von Kanzlerin Angela Merkel und ihres wahrscheinlichen Nachfolgers: Olaf Scholz wird in Rom sein Debüt auf der großen Gipfelbühne geben. Merkel will ihn zu ihren bilateralen Treffen mit anderen Staats- und Regierungschefs mitnehmen - anvisiert ist unter anderem eine Begegnung mit US-Präsident Joe Biden. In Berliner Regierungskreisen wird der gemeinsame Auftritt als "durchaus historisch" bewertet: Deutschland könne damit "sehr viel Kontinuität signalisieren im G20-Prozess" - und beispielhaft demonstrieren, wie ein reibungsloser Regierungswechsel funktioniere. Biden traf bereits in Rom ein und wurde im Apostolischen Palast zusammen mit seiner Frau Jill von Papst Franziskus empfangen.

Das G20-Format steckt allerdings selbst in einer Krise. Wenig war in den vergangenen Jahren übrig vom Geist des ersten derartigen Treffens 2008 in Washington. Damals, auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise, galt die G20 als hoffnungsvolles Symbol einer multipolaren Weltordnung, in der Industrie- und Schwellenländer gemeinsam die Probleme der Welt angehen. Zuletzt war die G20 eher zur Bühne für politische Egoisten geworden. Die Hoffnung ist nun, dass der Geist der internationalen Kooperation unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden wieder auflebt.

Die G20-Chefs können in Rom immerhin ein konkretes Ergebnis feiern: Sie werden grünes Licht geben für die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent auf Unternehmen ab dem Jahr 2023. Die G20-Finanzminister hatten sich um Juli darauf verständigt. Die G20-Länder stehen immerhin für zwei Drittel der Weltbevölkerung, 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und drei Viertel des Welthandels.

Reaktion auf die Finanzkrise

Die G20-Runde gibt es bereits seit 1999. Sie wurde damals als Reaktion auf die Asien-Finanzkrise zunächst auf Ebene der Finanzminister eingerichtet. Infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wurde die Gruppe 2008 aufgewertet: Erstmals kamen nun die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer zu einem Gipfel zusammen. 2009 werteten sie die Runde der G20 zum "obersten Forum für unsere internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit" auf. Neu daran war, dass hier nicht nur die reichen und mächtigen westlichen Industriestaaten zusammensaßen - wie etwa in der G7-Gruppe -, sondern dass Schwellenländer aus Lateinamerika, Asien und Afrika hinzugezogen wurden.

Die G20 sind ein informeller Zusammenschluss und keine internationale Organisation. Von Kritikern wird regelmäßig angeprangert, dass die Gruppe nicht dazu legitimiert sei, Beschlüsse für die gesamte Welt zu treffen. Die Gipfelvereinbarungen sind allerdings nicht bindend, oft halten sich die G20-Staaten auch selbst nicht daran.

Mitglieder der G20 sind die sieben großen Industrieländer (G7) USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan; dazu kommen Russland sowie Australien, die Türkei, Saudi-Arabien und Südafrika. Vertreten sind außerdem die asiatischen Länder China, Indien, Indonesien und Südkorea sowie die lateinamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien und Mexiko. Das zwanzigste Mitglied der G20 ist kein Staat, sondern eine Staatengruppe: die Europäische Union.

Quelle: ntv.de, chl/rts/AFP/dpa

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