Linker Ministerpräsident in Erfurt Gabriel beklagt "abenteuerliche Hysterie"
06.12.2014, 07:49 Uhr
Ramelow führt eine rot-rot-grüne Koalition.
(Foto: dpa)
Bodo Ramelow ist seit Freitag der erste linke Ministerpräsident der Bundesrepublik. Die Kritik an Ramelows Wahl hält SPD-Chef Gabriel für überzogen und findet dafür deutliche Worte.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die kritischen Kommentare der Union zum rot-rot-grünen Bündnis in Thüringen unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisiert. "Ich finde die Hysterie um die Koalitionsbildung in Thüringen inzwischen abenteuerlich", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
"Man kann diese Koalition gut oder schlecht finden, aber es ist doch keine Rückkehr zur DDR." Es sei Unsinn so zu tun, "als ob Herr Ramelow die Rückkehr zum DDR-Sozialismus plant", so Gabriel. "Die Wahl wird auch keine Auswirkungen auf die Koalition im Bund haben. Wenn das einige CDU/CSU-Politiker doch herbei reden wollen, dann müssen sie mal sagen, was sie damit meinen", sagte er weiter. "Gelegentlich muss man einige CDU-Politiker mal daran erinnern, dass ihre Partei nach dem Fall der Mauer keine moralischen Bedenken hatte, sich die Vermögen und Funktionäre der Blockflöten-CDU einzuverleiben."
Koalition mit höherem Sinn
Gabriel sagte weiter: "Wenn die Koalition in Thüringen dazu führt, dass die Linkspartei stärker in der Gegenwart ankommt und Pragmatiker wie Ramelow stärker das Sagen bekommen und gleichzeitig die Gegner der Linkspartei auch im 21. Jahrhundert ankommen und verstehen, dass diese Partei zumindest auf Landesebene zum ganz normalen demokratischen Spektrum der Bundesrepublik gehört, dann hätte die Koalition sogar einen höheren Sinn."
Ramelow war am Freitag im zweiten Wahlgang mit 46 von 90 Stimmen zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden. In seiner Antrittsrede bat der 58-jährige gebürtige Niedersachse die Stasi-Opfer um Entschuldigung. Ihnen sei großes Unrecht durch eine der Parteien widerfahren, die zu den Quellen seiner Linkspartei zähle. Er bezog sich dabei auf die einstige DDR-Einheitspartei SED, deren Nachfolgerin seine Partei ist.
"Keine glaubwürdige Aufarbeitung"
Der Leiter der Stasiunterlagenbehörde, Roland Jahn, sieht diese Äußerungen skeptisch. SED, PDS und Linke hätten es "in 25 Jahren nicht geschafft, für Aufklärung des SED-Unrechts zu sorgen", schrieb Jahn in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung. Die Linkspartei habe auch die eigene Geschichte noch nicht glaubwürdig aufgearbeitet. Aufarbeitung sei "mehr als beschriebenes Papier". Es gehe "um Menschen, denen durch den SED-Staat Unrecht geschehen ist" und deren "Verletzungen oft bis heute schmerzen".
Jahn forderte den neuen thüringischen Ministerpräsidenten in dem Beitrag zum Handeln auf. "Lippenbekenntnisse heilen keine Wunden", erklärte er. Ramelow und seine Regierung könnten Vergebung aber auch nicht verordnen. "Den Zeitpunkt der Vergebung bestimmen die Opfer", betonte Jahn.
Quelle: ntv.de, sba/dpa