Keine "heimlichen Verabredungen" Gabriel bringt die Waffenexporte ans Licht
08.10.2014, 16:51 Uhr
Sigmar Gabriel schreibt kein neues Gesetz zu Rüstungsexporten. Trotzdem soll alles anders werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es ist ein heftiger Vorwurf, den der Wirtschaftsminister seinen Vorgängern macht: Sie hätten gegen das Gesetz heimlich mit der Rüstungsindustrie gekungelt und unsaubere Waffenverkäufe genehmigt. Sigmar Gabriel will jetzt damit aufräumen.
In der deutschen Politik ist es ungewöhnlich, was Sigmar Gabriel macht. Der Vizekanzler will die Politik verändern, und er wäre in der Position, ein neues Gesetz einzubringen. Doch zum Thema Waffenexporte schreibt Gabriel kein Gesetz, er hält eine einstündige Rede bei einem Berliner Think-Tank vor geladenen Gästen mit Übertragung ins Fernsehen. Sein Auftritt ist eine Kampfansage in gleich mehrere Richtungen. Gabriel macht sich Feinde und er tut das ab sofort mit offenem Visier.
Die einen Feinde sind die Rüstungsunternehmen, die mit dem Verkauf von Panzern, Booten und Gewehren in die ganze Welt Geld verdienen. Gesondert geprüft werden müssen Exporte in Länder, die nicht in EU oder Nato sind und auch keinen vergleichbaren Status haben. Nach den im Jahr 2000 erlassenen Gesetzen dürfen diese Länder nur im Ausnahmefall Waffen erhalten, wenn damit deutsche Interessen verfolgt werden. "Das muss man sich vor Augen führen, wenn man sieht, welche Exporte es in der Vergangenheit gegeben hat", sagt Gabriel. Eigentlich sind diese Regeln seit 2000 ohne Unterbrechung in Kraft. Doch Gabriel glaubt nicht, dass sie auch angewendet wurden. Er vermutet "heimliche Verabredungen, einen kritischen Rüstungsexport doch im Interesse der heimischen Industrie oder im Interesse guter wirtschaftlicher Beziehungen zum Empfängerland zu genehmigen". Das ist ein heftiger Vorwurf an die Vorgängerregierung, inklusive der Minister, mit denen Gabriel nun im Kabinett sitzt.
Boden-Luft-Raketen für Saudi-Arabien sind okay
Das Gesetz ist da, die Praxis nicht. Das ist der Grund, warum Gabriel nun versucht, seine Politik per Rede festzuzurren. Doch so richtig konkret werden kann er so nicht. Es dürfe keine Listen geben, auf der vertrauenswürdige und nicht vertrauenswürdige Staaten aufgeführt werden. Auch die Frage, welche Art von Waffen verkauft werden dürften, sei nicht pauschal zu beantworten. Gabriel brachte, teils auf Nachfrage, wenige konkrete Beispiele. So verteidigte er die Lieferung von Patrouillenbooten und Boden-Luft-Raketen an Saudi-Arabien. Die Raketen seien nur zur Verteidigung geeignet, die Boote dienten der Grenzsicherung und Piratenbekämpfung. Die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an das Land sei aber "schwieriger": "Man kann auch bei Ländern wie Saudi-Arabien keine Schwarz-Weiß-Entscheidung treffen." Lieferungen an Israel findet Gabriel generell unproblematisch – solange sichergestellt sei, dass die Systeme nicht für völkerrechtlich geächtete Munition verwendet wird. Damit sind die U-Boote gemeint, von denen Israel schon einige kaufte und die durchaus Atomraketen aufnehmen können, wenn man sie dafür ausrüstet. Andere problematische Empfänger deutscher Waffen wie Algerien und Katar erwähnt Gabriel nicht.
Trotz der Grauzonen will Gabriel erreichen, dass die Rüstungsexporte keine Frage von Tagespolitik sind. Die Anwendung des Gesetzes dürfe nicht davon abhängen, "wie der Bundeswirtschaftsminister heißt". Darum schafft Gabriel mehr Transparenz: Zum einen informiert die Bundesregierung schon nach zwei Wochen über ihre Exportentscheidungen, zum anderen soll der Rüstungsexportbericht zukünftig alles sechs, statt wie bislang alle zwölf Monate vorgelegt werden. Über die Einzelfallentscheidung soll damit nicht mehr nur im Geheimgremium Bundessicherheitsrat, sondern in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Damit schafft sich Gabriel weitere Feinde: Jede Exportentscheidung wird er nun umso offensiver vor den Pazifisten verteidigen müssen, von denen es in Deutschland einige gibt.
Mehr Geld für Rüstung ausgeben
Gabriel begibt sich damit auf ein Feld, das eigentlich nicht zu seinem Aufgabenbereich als Wirtschaftsminister gehört. In der Rede geht es vor allem um Außenpolitik und er wünscht sich, dass die Debatte über Waffenexporte zu einer noch grundsätzlicheren Diskussion führt: Eigentlich müsse in Deutschland mehr über die "politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen in der Außenpolitik" gesprochen werden. Gabriel beansprucht seinen Platz in der Debatte um Deutschlands Rolle in der Welt. Konsequenter fände er es allerdings auch selbst, wenn die Entscheidungen über Waffenexporte in Zukunft vom Auswärtigen Amt statt vom Wirtschaftsministerium getroffen würden. Denn, das macht er mehrfach sehr deutlich, die wirtschaftlichen Aspekte dürfen bei den Exporten keine Rolle spielen.
Als Wirtschaftsminister fühlt sich Gabriel allerdings auch in der Verantwortung, den Rüstungsunternehmen beizustehen, wenn die nun einen Teil ihres Geschäftes verlieren sollten. Deswegen wirbt er auch für höhere Verteidigungsausgaben – allerdings will er nicht den Etat erhöhen. Stattdessen soll Geld, das in einem Jahr nicht ausgegeben wurde, im nächsten Jahr verwendet werden können. Bislang verfallen die Restmittel für das Verteidigungsministerium.
Quelle: ntv.de