"Schicksalsfrage": Flüchtlingspolitik Gabriel sieht soziale Stabilität in Gefahr
08.09.2016, 10:14 Uhr
SPD-Chef Sigmar Gabriel warnt angesichts der Flüchtlingskrise vor einer sozialen Schieflage im Land.
(Foto: imago/IPON)
In der Flüchtlingskrise darf es nicht nur um die Flüchtlinge gehen, meint SPD-Chef Sigmar Gabriel - und warnt erneut davor, die Sorgen der Bürger nicht ernst zu nehmen. Nicht seine Sticheleien gegen Merkel seien der Nährboden für Rechtspopulisten, sondern "unhaltbare Wahlversprechen".
Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel hat den Erhalt der sozialen Stabilität im Land als "Schicksalsfrage" für Deutschland bezeichnet. In der Flüchtlingskrise hätten die Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, Solidarität verdient. "Aber nicht nur die. Konkurrenz am Arbeitsmarkt, am Wohnungsmarkt, Sorgen um die Qualität der Schulen, Sorgen um Kriminalität in schwierigen Stadtteilen - das betrifft vor allem die in Deutschland, die nicht viel Geld haben", sagte der SPD-Politiker im Bundestag und wies Kritik zurück, so eine Neiddebatte anzustoßen. "Darauf hinzuweisen, heißt nicht, den Rechtspopulisten nach dem Mund zu reden."
Gabriel reagierte damit auf die anhaltende Kritik an seinem Vorgehen in der Flüchtlingsfrage. Weil der SPD-Vorsitzende immer wieder gegen den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel gestichelt hatte, war er sowohl aus den Reihen der Opposition als auch innerhalb der Großen Koalition scharf kritisiert worden. Gabriels Forderung nach mehr Geld für Kita-Plätze, den sozialen Wohnungsbau und Rentner hatte vor allem im Bundesfinanzministerium für heftige Abwehrreaktionen gesorgt.
Der Ruf nach mehr Geld könne "nicht die Meinung eines Vizekanzlers sein, sondern vielleicht die eines SPD-Wahlkämpfers", hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gekontert. "Wenn wir Flüchtlingen - Menschen, die in bitterer Not sind - nur noch helfen dürfen, wenn wir anderen, die nicht in so bitterer Not sind, das Gleiche geben oder mehr, dann ist das erbarmungswürdig". Ein Vorwurf, den Gabriel nicht auf sich sitzen lassen will. Im Bundestag sagte er, dies sei nicht "erbarmungswürdig", sondern der "einzige Weg, um die Gesellschaft zusammenzuhalten".
Erneut mahnte der SPD-Chef, es gebe Grenzen dafür, wie viele Menschen Deutschland aufnehmen könne. Den Begriff "Obergrenze" umging er diesmal und sagte stattdessen, entscheidend sei "das Maß, in dem wir fähig und in der Lage sind, den Zusammenhalt aller zu sichern".
Gabriel lehnt Steuersenkung ab
Die vom Finanzminister angekündigte Steuerentlastung lehnte Gabriel klar ab. Denn diese summiere sich zusammen mit anderen Versprechen auf 40 Milliarden Euro. "Mal ganz offen, wer soll das eigentlich glauben?" Notwendig seien die gezielte Entlastung von mittleren und kleinen Einkommen und Investitionen in die Volkswirtschaft, auch um Kitas und das Bildungssystem angesichts der hohen Flüchtlingszahlen zu stützen.
Um etwa Alleinerziehenden zu helfen, böten sich laut Gabriel Entlastungen bei den Sozialabgaben eher an als bei den Steuern. Schäuble und Unionsfraktionschef Volker Kauder hatten den Spielraum für Steuersenkungen nach der Bundestagswahl 2017 auf jährlich 15 Milliarden Euro beziffert. Zu Entlastungen sagte Gabriel, man solle diese nicht vor Wahlen ankündigen, "sondern wenn möglich vor Wahlen machen". Der Minister warnte, dass unhaltbare Wahlversprechen den Rechtspopulisten weiteren Nährboden böten.
Quelle: ntv.de, jug/dpa