Politik

Gehemmt wegen des Holocausts? Gauck warnt vor wachsendem Antisemitismus

Beim Thema Zwei-Staaten-Lösung gehen die Meinungen Deutschlands und Israels  weit auseinander.

Beim Thema Zwei-Staaten-Lösung gehen die Meinungen Deutschlands und Israels weit auseinander.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bundespräsident Gauck sieht vermehrt "antjüdische Aggressionen". Er appelliert, Antisemitismus offen entgegenzutreten. Israels Ex-Botschafter, Primor, fordert dagegen mehr offen geäußerte deutsche Kritik: "Zu einer dauerhaften Freundschaft gehört, dass man offen, ehrlich und kritisch miteinander umgeht."

Bundespräsident Joachim Gauck hat vor einem zunehmenden Antisemitismus in Europa gewarnt. In einem Interview mit der "Bild"-Zeitung und der israelischen "Yedioth Ahronoth" sagte Gauck: "Die antisemitischen Ressentiments und antijüdischen Aggressionen in Teilen Europas bereiten mir natürlich sehr große Sorge. Auch in Deutschland haben wir bei Demonstrationen im letzten Jahr einen teils als Kritik an Israel verbrämten, teils offenen Antisemitismus erlebt: neben einem 'traditionellen' Antisemitismus sehen wir uns verstärkt mit Antisemitismus aus Zuwandererfamilien konfrontiert."

Gauck appellierte an die Bürger, Antisemitismus offen entgegenzutreten. Zugleich würdigte er die Beziehungen Deutschlands zu Israel, die "enger denn je" seien. Der Bundespräsident sagte, er wünsche den Menschen in Israel, "dass ihr Land künftig sicher und in Frieden mit seinen Nachbarn leben kann. Dazu gehört für mich auch, einen friedlichen Weg für das Zusammenleben mit den Palästinensern zu finden. Grundlage dafür ist eine Zwei-Staaten-Lösung, davon bin ich überzeugt." Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich jüngst erneut dafür aus.

Primor: Mehr offene Kritik äußern

Allerdings sieht das der israelische Präsident Reuven Rivlin anders. Er lehnt - zusammen mit der neuen rechts-religiösen Regierung in Tel Aviv unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu - einen eigenen Palästinenserstaat strikt ab.

Indes hat aus Anlass des 50. Jahrestags der bilateralen diplomatischen Beziehungen Israels früherer Botschafter in Deutschland, Avi Primor, die Deutschen zu einer kritischeren Haltung gegenüber seinem Land aufgefordert. "Zu einer dauerhaften Freundschaft gehört, dass man offen, ehrlich und kritisch miteinander umgeht, doch das fehlt bislang in unserem Dialog", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Deutschen seien wegen des Holocausts noch immer gehemmt gegenüber Israel und äußerten Kritik deshalb nur verhalten, besonders mit Blick auf die Politik in den besetzten Gebieten und gegenüber den Palästinensern.

Am Abend wird in der Berliner Philharmonie der 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel mit einem Festakt begangen. Zuvor kommt Rivlin mit Kanzlerin Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zusammen. Gemeinsam mit Merkel wird er im Kanzleramt auch mit einer Gruppe Jugendlicher über den Stand der deutsch-israelischen Beziehungen diskutieren.

Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts

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