Politik

So sehen Experten die Asylrechtsreform Gesetzentwurf erfreut Herzen der Hardliner

Flüchtlinge warten vorm Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales. Wie viele andere, ist auch diese Behörde angesichts der vielen Neuankömmlinge überfordert.

Flüchtlinge warten vorm Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales. Wie viele andere, ist auch diese Behörde angesichts der vielen Neuankömmlinge überfordert.

(Foto: REUTERS)

Weniger Leistungen für Flüchtlinge, Arbeitsverbote, schnellere Abschiebungen - die Bundesregierung will das Asylrecht verschärfen. Experten streiten darüber, ob die geplante Reform auch wirklich rechtmäßig ist.

Hans-Eckard Sommer ist der Hardliner in der Runde. Sachverständige nehmen im Innenausschuss des Bundestages zum geplanten neuen Asylrecht Stellung. Und der Mitarbeiter des bayerischen Innenministeriums hat "keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken". Im Gegenteil: "Der Gesetzentwurf erfreut das Herz des für den Ausländervollzug Beauftragten", sagt Sommer. Ein Raunen geht durch die Zuschauerränge.

Sommer hält es für die richtigen Schritte, Leistungen von ausreisepflichtigen Asylbewerbern zu kürzen, Abschiebungen nicht mehr ankündigen zu dürfen und Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten das Arbeiten in Deutschland zu verbieten. Er sieht die geplante Reform auch nur als "Zwischenschritt", auf den weitere Maßnahmen folgen müssten. Die Meinungen der Experten im Innenausschuss gehen allerdings weit auseinander.

Der Gegenpart zu Sommer ist Claudius Voigt von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender. Als Sozialarbeiter sei er es gewohnt, erst einmal Ressourcen zu sehen, erst dann Defizite, sagt er. "Bei diesem Entwurf fällt mir das ausgesprochen schwer", so Voigt. Der Sozialarbeiter spricht von "offensichtlich verfassungswidrigen Leistungskürzungen". Es gebe im Entwurf keine Erläuterungen dazu, warum ausreisepflichtige Flüchtlinge einen geringeren Bedarf haben sollten, als andere.

Als "völlig unverhältnismäßig" bezeichnet er, dass Menschen künftig ohne Vorwarnung abgeschoben werden sollen. Begleiche jemand eine Rechnung nicht, bekomme er doch schließlich auch eine Mahnung. Und bei Abschiebungen handele es sich um eine wesentlich tiefgreifendere Erfahrung als eine Gerichtsvorladung wegen offener Schulden.

Das unbefristete Arbeitsverbot für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten bezeichnet Voigt nicht nur als integrations- und sozialpolitischen Irrweg, sondern stellt auch infrage, ob es mit europäischem Recht und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen vereinbar ist.

Fälschte das Auswärtige Amt Lageberichte?

Zwischen den Widerparts Sommer und Voigt gibt es etliche Nuancen. Winfried Kluth von der Universität Halle-Wittenberg sagt über die Leistungskürzungen, sie seien "sicher ein Thema, das man kontrovers diskutieren kann". Er persönlich halte die geplanten Regelungen für zulässig, räume aber ein, dass es "gewisse Unsicherheiten" gebe.

Klarheit wird es wohl erst nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geben. Kanzlerin Angela Merkel sagte der "Bild"-Zeitung bereits, dass sie mit einer Klage gegen die Reform rechne.

Einen heftigen Vorwurf erhebt der Sachverständige Jan Sürig, der in Bremen für ein Anwaltsbüro für Migrationsrecht arbeitet. Laut dem Juristen liefert das Auswärtige Amt "wahrheitswidrige" Lageberichte zur Situation in den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Als Beispiel nennt Sürig die medizinische Versorgung ethnischer Minderheiten wie den Roma im Kosovo. Anders als vom Auswärtigen Amt dargestellt seien sie de facto völlig von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen.

Die Bundesregierung hat die Reform des Asylrechts Ende September auf den Weg gebracht. Bereits im November soll es in Kraft treten. Zuvor müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen. Das Ja gilt angesichts der Mehrheiten in den beiden Parlamenten eigentlich als sicher. Entscheidend ist aber die Zustimmung der Länder mit grüner Regierungsbeteiligung. Die haben angekündigt, den Gesetzgebungsprozess für Änderungen des Entwurfs zu nutzen.

Quelle: ntv.de, ieh

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen