Reformen angemahnt Gesetzliche Kassen sind so gefragt wie nie
29.12.2017, 10:20 Uhr
Fast 73 Millionen Bürger sind gesetzlich krankenversichert.
(Foto: picture alliance / Marijan Murat)
90 Prozent der Bevölkerung sind gesetzlich krankenversichert. Nie waren es mehr. Diesen hohen Zuspruch nimmt der Kassenverband zum Anlass, dringende Änderungen am System anzumelden. Vor allem der Staat sei in der Pflicht.
Nie sind mehr Menschen gesetzlich krankenversichert gewesen als derzeit. Zum Anfang des Monats belief sich die Zahl der gesetzlich Versicherten auf das Rekordhoch von 72,7 Millionen, wie die Chefin des Krankenkassen-Spitzenverbandes GKV, Doris Pfeiffer, der "Rheinischen Post" sagte. Ein Grund für den Anstieg ist, dass immer mehr Privatversicherte zu gesetzlichen Krankenkassen wechseln. Mit der steigenden Zahl der Mitglieder und der soliden Wirtschaftslage verbessert sich auch die Finanzlage der Kassen.
"2016 kamen zum fünften Mal in Folge mehr Menschen von einer privaten Krankenversicherung in eine gesetzliche Krankenkasse als umgekehrt", sagte Pfeiffer weiter. Während 129.100 die gesetzliche Krankenversicherung in Richtung eines privaten Versicherungsunternehmens verlassen hätten, seien 130.200 den umgekehrten Weg gegangen. "Ich glaube, wir können in Deutschland sehr froh sein, dass wir ein System haben, das über 90 Prozent der Bevölkerung auf einem so hohen Niveau versorgt, und zwar ohne Ansehen der Person oder des Geldbeutels."
Angesichts der guten Finanzlage der Kassen forderte Pfeiffer die Politik zu dringenden Strukturreformen auf. Als Beispiel nannte sie das Nebeneinander von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern. "Es ist die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass Kliniken und niedergelassene Ärzte endlich Hand in Hand für die Versorgung der Patienten arbeiten, statt sich darum zu streiten, wer am meisten aus den Portemonnaies der Beitragszahler bekommt." Die Strukturen müssten sich nach den Patienten richten und nicht umgekehrt.
Pfeiffer: Gesetzliche Kassen bekommen zu wenig Geld
Das Geldpolster der gesetzlichen Krankenversicherung ist in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres auf 24 Milliarden Euro gestiegen. Zugleich bekräftigte Pfeiffer ihre Kritik daran, dass die gesetzlichen Krankenkassen viel zu wenig Geld vom Staat bekämen, um Hartz-IV-Empfänger medizinisch zu versorgen. "Arbeitslosengeld II ist eine staatliche Sozialleistung." Deshalb müsse der Staat ausreichend Geld dafür zur Verfügung stellen. Die Monatspauschale belaufe sich aber nur auf 97 Euro pro Person, während die Versorgungskosten deutlich höher lägen.
Für ALG-II-Empfänger, die privat versichert sind, erhalten deren Versicherungsunternehmen bis zu 341 Euro pro Person. "Es kann doch nicht sein, dass die solidarische gesetzliche Krankenversicherung, die über 90 Prozent der Bevölkerung versorgt, vom Staat schlechter behandelt wird als private Versicherungen", sagte Pfeiffer.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa