Politik

Ja oder Nein? Grüne und Linke im Griechenland-Dilemma

Griechen protestieren vor dem Parlament in Athen gegen die Einigung mit den Gläubigern.

Griechen protestieren vor dem Parlament in Athen gegen die Einigung mit den Gläubigern.

(Foto: AP)

Für die deutsche Opposition ist die Entscheidung schwer: Die Grünen müssen überlegen, ob sie noch einmal "trotzdem ja" sagen. Und wenn die Linken das Griechenland-Paket am Freitag im Bundestag ablehnen, stimmen sie gegen ihren Parteifreund Tsipras. Oder nicht?

Wenn der Bundestag am Freitag darüber abstimmt, ob Finanzminister Wolfgang Schäuble im Rahmen der Eurogruppe mit Griechenland über ein drittes Kreditprogramm verhandeln darf, werden die meisten Linken voraussichtlich mit Nein stimmen. "Die Einigung vom Euro-Gipfel ist in der Nacht zum Montag auf der Basis von Erpressung zustande gekommen, sie setzt den katastrophalen Kurs der letzten fünf Jahre fort und hat mit der Treuhandanstalt 2.0 noch eine zusätzliche Belastung der Privatisierung geschaffen, so dass ich mir eine Zustimmung nicht vorstellen kann", sagt Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch n-tv.de.

Entschieden ist allerdings noch nichts. Wie die anderen Fraktionen treffen sich auch die Abgeordneten der Linken erst am Donnerstag zu einer gemeinsamen Sitzung, um über die Abstimmung zu diskutieren. Bei der letzten Griechenland-Abstimmung im Februar hatten noch 41 Linken-Abgeordnete mit Ja gestimmt – ein Novum. Nur drei Linke lehnten die Verlängerung des zweiten Griechenland-Programms damals ab.

Die Linken-Außenexpertin Sevim Dagdelen, die im Februar zu den zehn Enthaltungen zählte, tendiert jetzt wie Bartsch zu einem Nein, "weil durch die diktierte Zwangsprivatisierung von 50 Milliarden öffentlichen Eigentums, massiven Mehrwertsteuererhöhungen und Rentenkürzungen die Wirtschaft weiter einbrechen und die soziale Verelendung Griechenlands zunehmen wird", wie sie n-tv.de sagt. "Und weil wir als Steuerzahler für diese zutiefst falsche Politik von (Bundeskanzlerin) Merkel, Schäuble und (SPD-Chef) Gabriel einstehen werden müssen, weil Griechenland mit diesem Diktat auch die neuen Schulden niemals zurückzahlen können wird."

Die Linken würden damit im Bundestag ein Vorhaben ablehnen, für das ihr griechischer Parteifreund Alexis Tsipras an diesem Mittwoch im griechischen Parlament wirbt – als Mitglieder der Europäischen Linken sind Syriza und die deutsche Linke immerhin Schwesterparteien. "Wäre ich Mitglied der Syriza-Fraktion, würde ich dem Vorschlag von Ministerpräsident Alexis Tsipras folgen und trotzdem in großer Deutlichkeit sagen, dass diese Lage weder Wahlziel war noch akzeptabel ist, vielmehr das Ergebnis schlichter Erpressung", sagt Bartsch.

Einen Widerspruch sieht er in dieser Haltung nicht: Die griechischen Abgeordneten stünden schließlich vor der Alternative, die Einigung anzunehmen oder es zum Grexit kommen zu lassen. "In Deutschland sind wir nicht in dieser Erpressungssituation, wurden nicht mit dem Messer am Hals in Verhandlungen gezwungen." Scharfe Worte wählt auch Dagdelen für die Verhandlungsführung der Bundesregierung: "Es ist ein Staatsstreich, der die Demokratie in Europa zerstört."

Sagen die Grünen noch einmal "Trotzdem ja"?

Auch die Grünen stecken in einem Dilemma – allerdings nicht, weil sie der griechischen Regierung politisch verbunden sind, sondern weil sie bislang stets den Griechenland-Paketen zugestimmt haben. "Die Entscheidung ist schwierig", sagt Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. Gut an der Einigung vom Montagmorgen sei, dass Griechenland im Euro bleiben soll. "Ansonsten sehen wir die Vereinbarung sehr kritisch. Griechenland wird keine Umstrukturierung seiner Schulden in Aussicht gestellt, stattdessen soll es weitergehen mit der Kaputtsparpolitik. Auch die Kontrolle der griechischen Regierung ist ein zu starker Eingriff in die staatliche Souveränität des Landes. Eine Reformperspektive hat Griechenland damit noch immer nicht."

Schicks Fraktionskollege Sven Kindler ärgert vor allem Schäubles Grexit-Vorschlag. Dies sei ein "historischer Paradigmenwechsel" gewesen, sagt der Haushaltspolitiker n-tv.de. "Erstmals ist eine Bundesregierung in europäischen Verhandlungen nicht für mehr, sondern für weniger Europa eingetreten". Bei seinem Vorstoß habe Schäuble den Bundestag "belogen und rechtswidrig nicht beteiligt". Das sei ein Verfassungsbruch.

Dennoch will Kindler noch nicht verraten, wie er und seine Fraktion am Freitag abstimmen werden. "Das werden wir am Donnerstag in Ruhe in der Fraktion besprechen." Sicher ist nur, dass die Grünen die "antieuropäische Erpressungsstrategie der Bundesregierung und das Beharren auf der gescheiterten Krisenpolitik" scharf kritisieren werden. Schick betont, die Zustimmung der Grünen zu den Griechenland-Programmen sei immer ein "Trotzdem ja" gewesen. "Wir haben von Anfang an gewarnt vor den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Kaputtsparpolitik, wollten aber die Kreditvergabe nicht blockieren." Jetzt müssen sie entscheiden, ob sie dieses Argument ein weiteres Mal gelten lassen.

Wie bei Union und SPD über die Abstimmung vom Freitag diskutiert wird lesen Sie hier.

Quelle: ntv.de

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