Politik

Die Sache mit der DDR Gysi ist im Unrecht

Gewagte Definition der DDR: Gregor Gysi.

Gewagte Definition der DDR: Gregor Gysi.

(Foto: picture alliance / dpa)

Diktatur Ja, Unrechtsstaat Nein - Gregor Gysi liefert eine gewagte Definition der Deutschen Demokratischen Republik. Das zeigt einmal mehr: Der Linken-Fraktionschef war, ist und bleibt ein Anwalt der DDR.

Wenn es um die DDR geht, versteht Gregor Gysi keinen Spaß. Der Arbeiter-und-Bauern-Staat sei zwar kein Rechtsstaat gewesen, sagt der Gründervater von PDS und Linkspartei, aber eben auch kein Unrechtsstaat. Als Argument führt er die mehr als 20 Millionen Toten an, die die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg zu beklagen hatte. Angesichts dieser Opfer soll die Sowjetunion nicht das Recht gehabt haben, einen Staat in Ostdeutschland zu gründen? Empörend!

Doch das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Gründung der DDR beruhte zu einem großen Teil auf Täuschung, Lüge und Gewalt. Der berühmte Spruch von Walter Ulbricht, den die Russen 1945 zum Aufbau einer sozialistischen Partei in ihre Besatzungszone schickten, brachte die Strategie auf den Punkt: "Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben."

Ja, würde Gysi einwenden, eine Demokratie war die DDR natürlich nicht, aber eben auch kein Unrechtsstaat. Ach nein? Dies war ein Staat, der seine Bürger einsperren ließ, wenn sie das Land verlassen wollten - und erschießen, wenn sie es wirklich versuchten. Die Macht lag in der DDR nicht bei den "staatlichen Stellen", sondern bei den Parallelstrukturen der Partei. Auf höchster Ebene fielen die wichtigen Entscheidungen beispielsweise nicht im "Ministerrat" der DDR, also in der Regierung, sondern im Zentralkomitee der SED. Auch die Justiz der DDR verstand sich als Vollstreckungsorgan der SED.

Gysi weiß das alles natürlich; er war ja Mitglied der SED und außerdem Rechtsanwalt. Als solcher vertrat er auch einige Bürgerrechtler, die ihm später vorwarfen, sie an das Ministerium für Staatssicherheit verraten zu haben, was Gysi bestreitet. Doch die Kritik an der DDR trifft den Kern seines Selbstverständnisses: Gysi sieht sich immer noch als Anwalt - als Anwalt der DDR, deren Bürger von der bösen Bundesrepublik bis heute über den Tisch gezogen werden. Kritik am real existierenden Sozialismus hört man von ihm stets nur flankiert von einem "aber". Er muss das so machen: Neben "Frieden" und "Nein zu Hartz IV" ist die Selbststilisierung als ostdeutsche Opfer das dritte von PDS und Linkspartei beanspruchte Alleinstellungsmerkmal.

Und wenn Rot-Rot-Grün in Thüringen an seiner Haltung zur DDR scheitert? Dann kann Gysi sich immer noch damit trösten, im Recht gewesen zu sein. Denn anders als Ulbricht 1945 geht es den Linken von heute nicht mehr um die Macht. Ihnen geht es nur noch darum, Recht zu haben. Selbst wenn sie eigentlich im Unrecht sind.

Quelle: ntv.de

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