Transporte nach Russland Hunderte finnische Ermittlungen zu Sanktionsbrüchen
26.11.2023, 15:48 Uhr Artikel anhören
Ein finnisch-russischer Grenzübergang.
(Foto: picture alliance/dpa/Lehtikuva)
Der finnische Zoll überprüft Tausende Lastwagen, die Waren über die Grenze nach Russland transportieren, und stellt bei rund einem Drittel mutmaßliche Sanktionsbrüche fest. Eine Recherche deckt auf, wie diese zustandekommen - und warum die Einordnung als Sanktionsbruch nicht immer leicht ist.
Finnische Unternehmen unterlaufen in großem Stil Sanktionen gegen Russland, zudem nutzen Firmen aus anderen Ländern Helsinki als Umschlagplatz für den Export sanktionierter Güter nach Russland. Das zeigt eine Recherche der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zusammen mit dem finnischen Rundfunk YLE. Demnach hat die Firma HD-Parts mit Sitz im finnischen Vantaa tausende Ersatzteile für Lastwagen im Wert von Hunderttausenden Euro nach Russland exportiert, die von der EU sanktioniert sind. Überwiegend handelt es sich um Ersatzteile für Lastwagen von Scania und Volvo. Russland ist auf die Lieferung aus dem Ausland von Ersatzteilen für Lastwagen westlicher Marken angewiesen. Vertreter von HD-Parts weisen die Anschuldigungen zurück.
Die Firma macht den Großteil ihres Geschäfts mit dem Export nach Russland. Sie hatte von 2021 auf 2022 ihren Umsatz von 5,6 Millionen Euro auf 8,8 Millionen Euro gesteigert und den Gewinn verdoppelt. Eine weitere finnische Firma hat der Recherche zufolge illegal Lastwagen nach Russland exportiert. Daten des russischen Zolls zufolge, die der "FAZ" vorliegen, gingen zudem in vielen tausend weiteren Fällen sanktionierte Güter anderer Firmen über Helsinki nach Russland. Darunter Güter des von den USA sanktionierten estnischen Unternehmens Elmec Trade. Wie die Güter nach Russland kamen, ist unklar. Eventuell gingen sie über Drittstaaten.
600 Ermittlungen zu Sanktionsverbrechen
Finnlands Außenministerin Elina Valtonen sagte laut Vorabmeldung der Medienhäuser, die finnische Regierung sei sich der Sanktionsverstöße und Sanktionsumgehungen bewusst. Zoll und Polizei untersuchten Sanktionsdelikte. "Der Zoll hat mehr als 600 Ermittlungen zu Sanktionsverbrechen eingeleitet." Es handele sich um Ordnungswidrigkeiten, für die derzeit eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verhängt werden könne. Auf EU-Ebene werde derzeit eine Sanktionsstrafrechtsrichtlinie vorbereitet, die eine Anhebung der Strafe auf bis zu fünf Jahre vorsehe. "Die Verhinderung der Umgehung von Sanktionen beginnt zu Hause, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union", so Valtonen.
Der Sanktionsfachmann und Leiter des norwegischen Beratungsunternehmens Corisk, Erlend Bjørtvedt, bezeichnete Helsinki als einen der größten Umschlagplätze für sanktionierte Waren in Nordeuropa. Seinen Angaben nach gehört die finnische Firma HD-Parts zu den westlichen Exporteuren mit der höchsten Zahl illegaler Lieferungen nach Russland. Die Firma gehöre neben Elmec aus Estland zu den stärksten Sanktionsbrechern im Westen, so Bjørtvedt.
Durchgangsverkehr in andere Länder weiter legal
Sami Rakshit, Direktor der Vollzugsabteilung des finnischen Zolls, sagte der "FAZ", der Export von Lastwagen und ihrer Teile nach Russland sei illegal. Doch könne der Zoll nicht alle Lieferungen öffnen und überprüfen. Täglich gingen nach Angaben von Rakshit (bis zur Schließung der meisten Grenzübergänge nach Russland vor wenigen Tagen) rund 100 Lastwagen über die finnisch-russische Grenze. Seit März 2022 habe der Zoll bei rund 3000 physischen Überprüfungen rund 1000 mutmaßliche Sanktionsbrüche festgestellt. Ein Problem sei, dass der Durchgangsverkehr durch Russland etwa nach Kasachstan für viele Produkte weiterhin erlaubt sei. Nach Darstellung Rakshits ist das Durchsetzen von Sanktionen schwierig. "Wenn es Bedarf für Lieferungen gibt, gibt es immer auch einen Lieferanten. Das ist wie bei Drogen", sagte Rakshit.
Mikael Wigell, Sanktionsfachmann am Finnischen Institut für Internationale Angelegenheiten (FIIA), vermutete im Gespräch mit der "FAZ", dass die meisten Unternehmen in Europa, die an Sanktionsverstößen beteiligt sind, von Russen gegründet wurden oder von Russland kontrolliert werden. Dafür gebe es mehrere Beispiele. "Russland verfügt über ein illegales Netzwerk von Unternehmen, die Sanktionen in Europa brechen. Das Land baute das Netzwerk nach der Annexion der Krim auf und stärkte es nach Kriegsbeginn 2022", so Wigell.
Quelle: ntv.de, mpe