Ukrainische Friedenspläne ade? "Kleinrussland"-Initiative sorgt für Ärger
18.07.2017, 18:35 Uhr
Die Menschen im Donbass versuchen seit Ausbruch des Krieges ihres Unabhängigkeit von der Ukraine durchzusetzen.
(Foto: REUTERS)
Die Aufständischen in Donezk wollen nicht länger Teil der Ukraine sein. Doch mit der Ausrufung ihres neuen Staats "Kleinrussland" verärgern sie nicht nur Kiew und Berlin, sondern überraschen wohl selbst Moskau und die verbündeten Rebellen in Luhansk.
Mit der Ausrufung eines Staates "Kleinrussland" haben die moskautreuen Separatisten im Kriegsgebiet Ostukraine die bisherigen Friedenspläne infrage gestellt. Die Aufständischen in der Großstadt Donezk erklärten, die frühere Ukraine sei nicht wieder herzustellen. Deswegen rief Separatistenführer Alexander Sachartschenko einseitig den neuen Staat "Kleinrussland" (Malorossija) aus.
Die Idee eines eigenen Staates in der Ostukraine ist nicht neu: Teile des Donbass stehen seit April 2014 unter Kontrolle der von Moskau unterstützten Aufständischen. Anfänglich wollten diese einen Staat "Neurussland" schaffen, bestehend aus großen Gebieten des Südens und Ostens der Ukraine. Mehrfach erklärten sie den Anschluss an Russland zum Ziel - nach dem Vorbild der 2014 annektierten Halbinsel Krim. Der Kreml erteilte dem jedoch eine Absage.

Mit seinen Verbündeten soll Rebellen-Führer Alexander Sachartschenko seine Initiative nicht abgesprochen haben.
(Foto: AP)
"Wir gehen davon aus, dass die Donezker Volksrepublik und die Luhansker Volksrepublik die einzigen Territorien der Ukraine sind - die Krim nicht mitgerechnet - in denen eine gesetzliche Regierung gewahrt wurde", sagte Sachartschenko. Der neue Staat soll demnach die ganze Ukraine umfassen, aber ohne die Krim. Zudem solle für drei Jahre der Ausnahmezustand in den von Kiew abtrünnigen Gebieten ausgerufen werden. Dieser sieht ein Verbot von Parteien vor.
Luhansk und Moskau geben sich unschuldig
Die mit Donezk verbündeten Separatisten in Luhansk reagierten überrascht. "Dieses Projekt wurde nicht mit uns besprochen", sagte ihr Anführer Igor Plotnizki. Sein Vertrauter Wladislaw Dejnego erklärte: "Wir haben davon aus den Medien erfahren."
Ähnlich überrascht waren auch die Reaktionen in Russland. Die angesehene Zeitung "RBK" meldete unter Berufung auf zwei Mitarbeiter des Kremls, der Schritt sei nicht mit Moskau abgesprochen worden. "Das ist eine persönliche Initiative von Sachartschenko und seinen Vertrauten", hieß es.
Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow kritisierte, der Vorstoß widerspreche dem Minsker Friedensplan. Dem stimmte auch der russische Gesandte in der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe, Boris Gryslow, zu. "Ich sehe das lediglich als eine Einladung zur Diskussion", sagte er.
Wut in Kiew und Berlin
Kämpferisch gab sich indes die Führung in Kiew. "Die Ukraine wird die Souveränität über den Donbass und die Krim wieder herstellen", wetterte Präsident Petro Poroschenko. "Sachartschenko ist keine politische Figur, sondern eine Marionette, welche die Mitteilungen des Kremls überträgt." Er warf Russland vor, durch seine Unterstützung für die Separatisten die Ukraine zu spalten, und forderte schärfere westliche Sanktionen gegen Moskau.
Auch die Bundesregierung verurteilte den Schritt als "völlig inakzeptabel". "Herr Sachartschenko hat keinerlei Legitimation, um für diesen Teil der Ukraine zu sprechen", erklärte ein Regierungssprecher. Deutschland erwarte, dass Russland dies weder respektiere noch anerkenne.
Die Osteuropa-Politikerin Marieluise Beck von den Grünen wertete die Initiative als Absage an das Minsker Abkommen. Zudem sei Kritik aus Moskau unglaubwürdig, "denn das Regime im Donbass ist vollständig von der militärischen und finanziellen Unterstützung des Kreml abhängig" und erhalte Weisungen aus Moskau. Russland dementiert dies.
Der Minsker Plan sieht eigentlich vor, dem Donbass als Teil der Ukraine mehr Autonomie einzuräumen. Doch die Umsetzung kommt nicht voran. UN-Angaben zufolge wurden bei Kämpfen zwischen Separatisten und Regierungstruppen bereits mehr als 10.000 Menschen getötet. Die Konfliktparteien warfen sich gegenseitig vor, gegen die Waffenruhe zu verstoßen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichtete vergangene von zunehmenden Kämpfen.
Quelle: ntv.de, chr/dpa