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Nach Steuerprognose Klingbeil bringt Länder mit Absage gegen sich auf

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Vizekanzler Lars Klingbeil sieht keinen Spielraum.

Vizekanzler Lars Klingbeil sieht keinen Spielraum.

(Foto: picture alliance / SZ Photo)

Der Fiskus kann in den kommenden Jahren laut der Steuerschätzung mit Milliarden-Mehreinnahmen rechnen. Gleichzeitig fordern Länder und Kommunen eine Kompensation von befürchteten Milliardeneinbußen wegen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. Doch Vizekanzler Klingbeil erteilt dem eine deutliche Absage.

Finanzminister Lars Klingbeil sieht nach der Steuerschätzung erst recht keinen Grund mehr, Einnahmeausfälle der Länder durch den Bund auszugleichen. "Ich glaube, dass spätestens mit diesen Zahlen diese politische Debatte beendet sein wird", sagte der Vizekanzler mit Blick auf ein bis Freitag geplantes Treffen der Länder-Ministerpräsidenten. Klingbeil zog damit die Kritik mehrerer Länder auf sich.

In Mainz wollen die Länder darüber sprechen, wie die Finanzbeziehungen mit dem Bund grundsätzlich neu geregelt werden können. Es müsse künftig sichergestellt werden, dass der Bund Mehrkosten trägt, die durch in Berlin entstandene Gesetze entstehen, sagt der Ministerpräsident des Gastgeberlandes Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer. Aus Sicht der Länder soll das Konnexitätsprinzip gelten: Wer bestellt, bezahlt.

Konkret steht das zur Debatte bei der von der schwarz-roten Koalition geplanten Mehrwertsteuersenkung für Speisen in der Gastronomie und bei der geplanten Erhöhung der Pendlerpauschale. Beides sind Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag – aktuell beraten darüber Bundestag und Bundesrat. Wegen der dadurch befürchteten Milliardeneinbußen kam von den Ländern teils deutliche Kritik und die Forderung nach Kompensation.

Klingbeil sieht keinen Spielraum

Klingbeil sieht dafür nach der Steuerschätzung keinen Spielraum: Während der Bund bis 2029 nicht mit zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen kann, kommen bei Ländern und Kommunen voraussichtlich 39,1 Milliarden Euro mehr rein. Weder bei der Gastrosteuersenkung noch bei der Pendlerpauschale sieht Klingbeil damit noch Redebedarf bezüglich potenzieller Kompensationen.

Der SPD-Chef betonte, nicht alle Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag seien für ihn "mit großer Leidenschaft" verbunden, er stehe aber zu den Vereinbarungen. Auch Länderchefs hätten bei den Verhandlungen mit am Tisch gesessen. Im Nachhinein nun die Spielregeln zu verändern und eine Kompensation durch den Bund zu fordern, gehe nicht.

Unterschiedliche Meinungen

Schweitzer sieht darin die typische Haltung eines Finanzministers: "Die Berufsauffassung eines guten Finanzministers muss sein, die Taschen zuzunähen", sagte er zum Auftakt des Länder-Treffens. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt von der CDU forderte: "Wer Beschlüsse fasst, muss auch Verantwortung für die Finanzierung übernehmen." Entlastungen für Pendler und die Gastronomie seien richtig, aber dürften nicht auf Kosten der Länderhaushalte gehen.

Deutlichen Gegenwind bekommt Klingbeil auch aus Hessen. Ministerpräsident Boris Rhein warf dem Vizekanzler eine unkluge Kommunikation vor. "Ich glaube, der Bundesfinanzminister sollte seine Energie lieber darauf verwenden, eine Lösung dafür zu finden, anstatt so etwas herbeizuführen wie ein Drohpotenzial", kritisierte Rhein. Das Motto: "Wenn ihr nicht mitmacht, bekommen die Bürger diese Entlastungen nicht", sei der falsche Weg.

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer sagte, es seien Bundesgesetze gewesen, die viele Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten auf die Kommunen abgewälzt hätten. Der Bund stehe in der Verantwortung. "Er muss da helfen", sagte der CDU-Politiker in Mainz.

Söder springt Klingbeil zur Seite

Beistand dagegen bekommt Klingbeil von Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder, der als CSU-Chef den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hat. Der Bund habe von Anfang an gesagt, bei Steuern könne er nicht ausgleichen, sagte Söder. "Deswegen ist es für mich eindeutig, da kann es keine Kompensation geben."

Söder appellierte an seine Länder-Kollegen, den Reformen zuzustimmen: "Wer nicht will, dass Innenstädte veröden ohne Gastronomie, wer nicht will, dass die Dorfwirtschaft verschwindet, und wer auch nicht will, dass die Pendler benachteiligt werden, gerade im Vergleich zum Deutschlandticket, der muss am Ende zustimmen, und da werde ich sehr dafür werben", sagte er. Gastrosteuer, Pendlerpauschale und Stadtbilddebatte gehören für den CSU-Chef zusammen.

Klingbeil: Kein Grund zur Entwarnung

Die Herbst-Steuerschätzung prognostiziert jährliche Mehreinnahmen in Milliardenhöhe bis 2029, allerdings nur für Länder und Kommunen. Demnach steigen die Steuereinnahmen in diesem Zeitraum um voraussichtlich 33,6 Milliarden Euro. Anders als Länder und Kommunen muss der Bund aber nach leichten Zuwächsen in den kommenden Jahren ab 2028 sogar mit weniger Steuereinnahmen kalkulieren als bislang erwartet. Für Finanzminister Lars Klingbeil sind die Zahlen daher kein Grund zur Entwarnung.

Auch die Unionsfraktion sieht in der neuen Steuerprognose keine nachhaltige Entlastung. Die Löcher in den Haushalten 2026 und 2027 würden nur minimal kleiner, sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg den RND-Zeitungen. "Danach wird es schwieriger als bisher geschätzt." Deshalb seien "dringend Strukturreformen" nötig.

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Haase, mahnte ebenfalls zur finanziellen Disziplin. "Die Steuerschätzung offenbart, dass es sowohl kurz- als auch mittelfristig keine finanziellen Spielräume für politische Wünsche gibt", erklärte Haase. "Die Koalition ist daher aufgerufen, sich den haushaltspolitischen Realitäten zu stellen und ihre Politik an dem finanziell Machbaren auszurichten."

Grüne kritisieren verfehlte Haushaltspolitik

Die Grünen sehen in der Steuerschätzung keinen Grund zur haushaltspolitischen Entwarnung. Die Einnahmezuwächse dürften "nicht darüber hinwegtäuschen, wie fragil die Lage ist", erklärte der Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer. Die aktuell prognostizierten Mehreinnahmen seien "kein Beweis erfolgreicher Politik", sagte Schäfer. "Sie gehen vor allem auf höhere Lohnsteuereffekte und eine sehr optimistische Wirtschaftsprognose der Bundesregierung zurück."

Der Grünen-Abgeordnete warf der Bundesregierung eine verfehlte Haushaltspolitik vor. Zwar könnte das neue Sondervermögen "wichtige Impulse bringen", erklärte Schäfer. Allerdings pflege die Bundesregierung einen "fragwürdigen Umgang" mit diesen Mitteln und verschiebe laufende Ausgaben in das Sondervermögen. "So entsteht kein Wachstumsimpuls - so steigen vor allem die Schulden und künftig die Zinslasten", warnte der Parlamentarier.

Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP

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