Politik

Pisa-Studie 2009 Lesekompetenz: Fabel

Goldklumpen.jpg

(Foto: picture-alliance/ dpa)

"Der Geizhals und sein Gold" - eine Fabel von Aesop:

Ein Geizhals verkaufte alles, was er hatte, und kaufte einen Klumpen Gold, den er in einem Loch in der Erde neben einer alten Mauer vergrub. Jeden Tag ging er, um danach zu sehen. Einer seiner Arbeiter bemerkte die regelmäßigen Besuche des Geizhalses an dem Ort und beschloss, dessen Kommen und Gehen zu beobachten. Der Arbeiter entdeckte bald das Geheimnis des versteckten Schatzes, grub im Boden, fand den Klumpen Gold und stahl ihn. Der Geizhals fand das Loch bei seinem nächsten Besuch leer vor und begann, sich die Haare zu raufen und laut zu klagen. Ein Nachbar, der ihn in seiner Verzweiflung sah und den Grund dafür erfuhr, sagte zu ihm: "Bitte grämt Euch nicht so; nehmt Euch einen Stein, legt ihn ins Loch und stellt Euch vor, das Gold läge noch dort. Er wird Euch den gleichen Dienst erweisen, denn auch, als das Gold noch da war, besaßt Ihr es nicht, da Ihr nicht den geringsten Gebrauch davon gemacht habt."

Lies die unten stehenden Sätze und nummeriere sie in der Reihenfolge der Ereignisse im Text.

  • Der Geizhals entschloss sich, all sein Geld gegen einen Klumpen Gold zu tauschen.
  • Ein Mann stahl das Gold des Geizhalses.
  • Der Geizhals grub ein Loch und versteckte seinen Schatz darin.
  • Der Nachbar des Geizhalses riet ihm, das Gold durch einen Stein zu ersetzen.

Bewertung

Volle Punktzahl: Alle vier richtig: 1,3,2,4 in dieser Reihenfolge.

Kommentar

Fabeln und Parabeln sind in zahlreichen Kulturen ein beliebter Texttyp, der erhebliches Ansehen genießt und wird aus ähnlichen Gründen auch im Rahmen von Prüfungen im Bereich Lesekompetenz gern verwendet: Sie sind kurz, in sich abgeschlossen, haben eine lehrreiche Moral und sind zeitlos. Sie sind zwar nicht unbedingt der am weitesten verbreitete Lesestoff junger Erwachsener in OECD-Ländern, dürften jedoch aus der Kindheit bekannt sein, und die prägnanten, oftmals bissigen Beobachtungen von Fabeln können selbst gelangweilte 15-Jährige positiv überraschen.

"Der Geizhals und sein Gold" ist ein typisches Beispiel seiner Gattung: In einem einzigen Absatz wird in einer prägnanten, knapp gehaltenen Geschichte eine menschliche Schwäche auf satirische Art und Weise dargestellt. Da Erzählungen sich definitionsgemäß auf zeitliche Eigenschaften von Objekten beziehen und in der Regel "Wann"-Fragen beantworten, bietet es sich an, ausgehend von einer Erzählung eine Aufgabe zu stellen, bei der mehrere Aussagen über die Handlung einer Geschichte in die richtige zeitliche Reihenfolge gebracht werden müssen.

Da der Text kurz ist und sich die Begriffe aus den Aussagesätzen im Text der Geschichte wiederfinden, ist dies eine leichte Aufgabe, die in der Mitte von Stufe 1a angesiedelt ist. Andererseits ist die Sprache des Textes relativ förmlich und durch einige altmodische Wendungen gekennzeichnet. (Die Übersetzer wurden gebeten, den fabelartigen Stil des Ausgangstexts wiederzugeben.) Dieses Merkmal des Textes dürfte den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe angehoben haben.

Wie kam der Geizhals zu einem Klumpen Gold?

Bewertung

Volle Punktzahl: Sagt aus, dass er alles verkaufte, was er besaß. Kann den Text paraphrasieren oder zitieren.

  • Er verkaufte alles, was er besaß.
  • Er verkaufte sein ganzes Zeug.
  • Er kaufte ihn (impliziert, dass er alles verkaufte, was er besaß)

Kommentar

Dies ist eine der leichtesten Aufgaben im PISA-Lesekompetenztest, ihr Schwierigkeitsgrad liegt in der Mitte von Stufe 1b. Die Schüler müssen eine im Einleitungssatz eines sehr kurzen Textes explizit genannte Information suchen und extrahieren. Um die volle Punktzahl zu erhalten, kann die Antwort den Text entweder direkt zitieren – "[Er] verkaufte alles, was er hatte” – oder paraphrasieren, z.B. mit "Er verkaufte sein ganzes Zeug”.

Die förmliche Sprache des Textes, die den Schwierigkeitsgrad anderer Aufgaben in dieser Leseeinheit u.U. erhöht hat, dürfte hier keine großen Auswirkungen haben, da sich die benötigte Information ganz am Anfang des Textes befindet. Auch wenn es sich gemäß dem Pisa-Referenzrahmen um eine äußerst leichte Aufgabe handelt, muss doch über die strikt wörtliche Ebene hinaus ein geringes Maß an eigenständigen Schlüssen gezogen werden: Die Schülerinnen und Schüler müssen erkennen, dass es einen Kausalzusammenhang zwischen der ersten Proposition (dass der Geizhals alles verkaufte, was er hatte) und der zweiten (dass er einen Klumpen Gold kaufte) gibt.

Hier ist ein Ausschnitt eines Gespräches zwischen zwei Personen, die "Der Geizhals und sein Gold” gelesen haben. Was könnte Sprecher 2 sagen, um seinen Standpunkt zu belegen?

Sprecher 1: "Der Nachbar war gemein. Er hätte empfehlen können, das Gold durch etwas Besseres als einen Stein zu ersetzen."

Sprecher 2: "Nein, das konnte er nicht. Der Stein ist wichtig in der Geschichte."

Bewertung:

Volle Punktzahl: Erkennt, dass die Kernaussage der Geschichte davon abhängt, dass das Gold durch etwas Unnützes oder Wertloses ersetzt wird.

  • Es musste durch etwas Wertloses ersetzt werden, damit es Sinn macht.
  • Der Stein ist wichtig in der Geschichte, denn der entscheidende Punkt ist, dass er genauso gut einen Stein hätte vergraben können für all das, was das Gold ihm gebracht hat.
  • Wenn man es mit etwas Besserem als einem Stein ersetzt, geht der Kern der Geschichte verloren, weil die vergrabene Sache etwas wirklich Nutzloses sein muss.
  • Ein Stein ist nutzlos, aber für den Geizhals war es das Gold auch!
  • Etwas Besseres wäre etwas, das er gebrauchen könnte – er hat vom Gold keinen Gebrauch gemacht und das wollte der Mann zeigen.
  • Weil Steine überall gefunden werden können. Das Gold und der Stein sind das Gleiche für den Geizhals. ("können überall gefunden werden” impliziert, dass der Stein keinen besonderen Wert hat)

Kommentar

Diese Aufgabe nimmt die Form eines Dialogs zwischen zwei fiktiven Sprechern an, um zwei gegensätzliche Interpretationen der Geschichte darzustellen. Tatsächlich steht nur der Standpunkt des zweiten Sprechers mit der Gesamtaussage des Textes im Einklang, so dass die Schülerinnen und Schüler, indem sie eine Begründung für ihn liefern, zeigen, dass sie die Pointe – bzw. die Moral – der Geschichte verstanden haben.

Der relativ hohe Schwierigkeitsgrad dieser Aufgabe, die im obersten Bereich von Stufe 3 liegt, dürfte sich u.a. daraus erklären, dass die Schüler erhebliche Mühe auf die Ausarbeitung einer Antwort verwenden müssen, für die sie die volle Punktzahl erhalten.

Erstens müssen sie den Sinn des Ausspruchs des Nachbarn in der Geschichte erkennen, der in einem förmlichen Ton gehalten ist. (Wie bereits angemerkt, wurden die Übersetzer aufgefordert, den fabelartigen Stil wiederzugeben.)

Zweitens ist der Zusammenhang zwischen dem Aufgabenstimulus und der benötigten Information nicht klar ersichtlich: Im Aufgabenstimulus ("Was könnte Sprecher 2 sagen, um seinen Standpunkt zu belegen?”) steht wenig bzw. gar nichts, das dem Leser bei der Interpretation der Aufgabenstellung die Richtung weisen könnte, auch wenn ihn die Bezugnahme auf den Stein und den Nachbarn durch die Sprecher zum Ende der Geschichte führen dürfte.

Wie anhand der Beispielantworten gezeigt, konnten die Schülerinnen und Schüler zur Erlangung der vollen Punktzahl auf verschiedene Weise die Hauptaussage des Textes zum Ausdruck bringen, nämlich dass Wohlstand keinen Wert hat, wenn man davon keinen Gebrauch macht. Für vage Andeutungen wie z.B. "Der Stein hatte einen symbolischen Wert” wurden keine Punkte vergeben.

Mathematik: Wechselkurs

Lesekompetenz: Telearbeit

Lesekompetenz: Blutspende

Lesekompetenz: Handysicherheit

Lesekompetenz: Zähneputzen

Naturwissenschaft: Kleidung

Naturwissenschaft: Mary Montagu

Naturwissenschaft: Gentechnik

Quelle: ntv.de, OECD

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