Merz: "Kompromisse schwierig" Lindner ist offen für Änderungen beim Bürgergeld
12.11.2022, 08:17 Uhr
Christian Lindner startet Bemühungen, das Bürgergeld noch zu retten.
(Foto: dpa)
Die Union lehnt das Bürgergeld ab, es dürfte nach jetzigem Stand im Bundesrat vorerst also scheitern. Finanzminister Lindner beginnt nun schon, mögliche Kompromissformeln für den Vermittlungsausschuss auszuloten. Doch CDU-Chef Merz signalisiert zunächst wenig Beweglichkeit.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat sich offen gezeigt für mögliche Änderungen am Bürgergeld in einem Vermittlungsverfahren. Dies sagte der Bundesfinanzminister dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man könne über alles verhandeln. "Wenn wir beim Hinzuverdienst noch was verbessern können, dann wäre das sehr gut." Die Arbeitsaufnahme sei ein Schritt in die dauerhafte Unabhängigkeit von einer Sozialleistung. "Das muss belohnt und nicht bestraft werden."
Zur Frage des Schonvermögens sagte Lindner jedoch, es wäre "inhuman", wenn ein Mensch, der sein ganzes Leben gearbeitet habe und mit Ende 50 wegen eines Schicksalsschlags nicht mehr arbeitsfähig sei, sofort sein gesamtes Erspartes aufbrauchen müsste. "Wir geben ihm zwei Jahre Zeit, um die Lebenskrise zu überwinden und sich zu qualifizieren. Diese Großzügigkeit sollte die Gesellschaft haben", sagte der FDP-Chef. Lindner schränkte bei möglichen Änderungen außerdem ein: "Was jetzt noch bei der Frage der Mitwirkungspflichten an Veränderungen möglich ist, wird jedoch in der Praxis von Tausenden Einzelfällen pro Tag keine große Bedeutung haben."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr warnte im "Spiegel" die Union vor einem Blockadekurs beim Bürgergeld. Er erwarte von der Union, "dass sie nicht länger mit dem Feuer spielt" und die Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar nicht gefährde, so Dürr. Ausschließlich die Regelsätze zu erhöhen, ohne die Arbeitsanreize zu verbessern - wie es CDU-Chef Friedrich Merz wolle - sei das Gegenteil von Leistungsgerechtigkeit. Zugleich warf er der Union Falschmeldungen vor: "CDU und CSU sollten aufhören, mit wirren Äußerungen Fake News zum Bürgergeld zu verbreiten", so Dürr.
Die Debatte über die Nachfolge des Hartz-IV-Systems habe eine der größten Ungerechtigkeiten des Sozialstaats offenbart. "Wer etwas leisten will, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen, wird bisher vom Staat bestraft. An genau diesem Punkt setzen wir als FDP an: Uns interessiert nicht, wo jemand herkommt - uns interessiert, wo er hin will." Das sei "der große Unterschied" seiner Partei zu den Vorstellungen der Union, verteidigte Dürr das Vorhaben der Ampel.
Bundesrat entscheidet schon am Montag
CDU-Chef Merz sagte der "Welt am Sonntag": "Die Bundesregierung vollzieht mit diesem Gesetz einen vollständigen Systemwechsel in der Arbeitsmarktpolitik. Da sind Kompromisse schwierig." Dieses "sogenannte Bürgergeld" sei der Weg in ein bedingungsloses Grundeinkommen aus Steuermitteln. Darüber hinaus komme das Gesetz zur Unzeit. "Handwerker, Gastronomen, kleine und große Firmen - sie alle suchen händeringend nach Arbeitskräften. Und ausgerechnet jetzt, wo es mehr denn je darum gehen müsste, Menschen in Arbeit zu bringen, wird ein solches Gesetz verabschiedet."
Der Bundesrat soll am Montag über die Sozialreform abstimmen, die bereits zum 1. Januar umgesetzt werden soll. Die Union könnte das zentrale Vorhaben der Regierung dort blockieren. Sie lehnt das Vorhaben vehement ab, unter anderem weil es aus ihrer Sicht die Motivation senkt, eine Arbeit anzunehmen. Die Ampel-Parteien weisen dies zurück. Der Bundestag hatte das Bürgergeld am Donnerstag gebilligt.
Bei einer Ablehnung im Bundesrat müsste ein Kompromiss im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gefunden werden. Die Ampel-Pläne für das Bürgergeld sehen unter anderem eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro vor. Arbeitslose sollen zudem künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt und dafür bei Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützt werden. Zudem sollen Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern gelockert werden.
Quelle: ntv.de, jog/dpa