Politik

Drohungen gegen Abgeordnete Linke sagt Debatte zu Erdogan ab

Eigentlich wollten die Parlamentarier die Drohungen Erdogans besprechen. Nach Kritik Lammerts an dem türkischen Staatschef jedoch wurde die Aktuelle Stunde gestrichen.

Eigentlich wollten die Parlamentarier die Drohungen Erdogans besprechen. Nach Kritik Lammerts an dem türkischen Staatschef jedoch wurde die Aktuelle Stunde gestrichen.

(Foto: dpa)

Eigentlich sollen die Drohungen des türkischen Staatschefs Erdogan gegen deutsche Abgeordnete in einer Aktuellen Stunde im Bundestag thematisiert werden. Doch zu Beginn der Sitzung kritisiert Bundestagspräsident Lammert Erdogan scharf. Der legt derweil nach.

Die geplante Aktuelle Stunde zur Armenien-Resolution des Bundestages und der türkischen Reaktion darauf ist abgesagt. Die Fraktion der Linken verzichtete auf die beantragte Debatte, nachdem Parlamentspräsident Norbert Lammert die Drohungen gegen türkischstämmige Abgeordnete scharf verurteilt hatte. Das Büro der Linken-Geschäftsführung erklärte, mit Lammert sei im Vorfeld vereinbart worden, wenn er im Namen des Bundestags die Attacken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan klar verurteile, werde man auf die Aktuelle Stunde verzichten.

Offenbar wollte die Linke mit der Aktuellen Stunde ein deutliches Zeichen des Protests der Bundesregierung gegen die Drohungen Erdogans erzeugen. Die deutlichen Worte Lammerts jedoch waren möglicherweise Zeichen genug, die Aktuelle Stunde wurde überflüssig.

Lammert hatte zu Beginn der Sitzung gesagt: "Jeder, der durch Drohungen Druck auf einzelne Abgeordnete auszuüben versucht, muss wissen, er greift das ganze Parlament an." Die zum Teil hasserfüllten Drohungen und Schmähungen seien leider auch durch Äußerungen hochrangiger türkischer Politiker befördert worden. "Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet, ihr Blut als verdorben bezeichnet, hätte ich nicht für möglich gehalten."

Erdogan legt nach

Erdogan hat derweil bei einer Ansprache in Ankara nachgelegt. Er warf dem Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir vor, "charakterlos" zu sein, ohne den Grünen-Chef beim Namen zu nennen. Dabei umschrieb der Staatschef den türkischstämmigen Özdemir als "den Mann, der in Deutschland sein eigenes Land des Völkermordes beschuldigt und bei so einer Entscheidung die führende Rolle spielt". Erdogan fügte hinzu: "Ich frage, was ist er, wenn nicht charakterlos?" Özdemir gehörte zu den Initiatoren der Bundestagsresolution zu den Massakern an den Armeniern im Osmanischen Reich. Erdogan verwendete wie schon zuvor einen Begriff ("kani bozuk"), der sowohl als "charakterlos" als auch als "verdorbenes Blut" übersetzt werden kann.

Auch die Bundesregierung hatte die Angriffe und Drohungen gegen Abgeordnete kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die deutschen Parlamentarier seien frei gewählte Abgeordnete und die Vorwürfe von türkischer Seite für sie "nicht nachvollziehbar". Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der am Donnerstag zur Debatte des ersten Tagesordnungspunkts nach Lammert im Bundestag das Wort bekam, dankte dem Bundestagspräsidenten "ganz herzlich" für die "klaren Worte".

"Absoluter Tabubruch"

Mit einer ungewöhnlich scharfen Kritik hat sich auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz an den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan gewandt. Darin geht es um Erdogans Drohungen gegen Abgeordnete des Deutschen Bundestages. "Parlamentarier, die sich im Rahmen ihres Mandats positionieren, dürfen unbeschadet etwaiger Meinungsverschiedenheiten in einer politischen Frage keinesfalls in die Nähe von Terroristen gerückt werden", schrieb Schulz laut "Spiegel" in einem Brief an Erdogan. Ein solches Verhalten stelle einen absoluten Tabubruch dar, den Schulz aufs schärfste verurteile.

In dem Brief kritisiert Schulz die Verbalattacken gegen deutsche Abgeordnete. "Mit großer Sorge habe ich die Berichte zur Kenntnis genommen, dass Sie frei gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages für Ihr Abstimmungsverhalten verbal scharf angegriffen und mit Vorwürfen konfrontiert haben", so Schulz. "Als Präsident eines multinationalen, multiethnischen und multireligiösen Parlaments gestatten Sie mir folgenden Hinweis: Die freie Mandatsausübung von Abgeordneten ist ein entscheidender Grundpfeiler unserer europäischen Demokratien."

Erdogan hatte in den vergangenen Tagen immer wieder die Armenien-Resolution des Bundestages scharf verurteilt. Darin hatten die Parlamentarier die Gewalt an bis zu 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord eingestuft. Erdogan hatte die türkischstämmigen Abgeordnete im Bundestag als verlängerten Arm der PKK bezeichnet und ihre türkische Herkunft angezweifelt. Gegipfelt sind seine Anfeindungen in Forderungen nach einem Bluttest.

Quelle: ntv.de, bdk/rts/AFP

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