EU, Eurozone und Griechenland Merkel und Hollande suchen Nähe
31.05.2015, 19:42 Uhr
Vertrauensvolle Zusammenarbeit: Angela Merkel und Francois Hollande.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Frankreich regiert der Sozialist Hollande, in Deutschland Bundeskanzlerin Merkel - vielleicht so eng wie nie arbeiten die beiden derzeit zusammen und stimmen ihre Positionen ab. Dazu gehören auch Zukunftspläne für die EU. Grenzen zieht Merkel gegenüber Paris in Sachen Eurozone.
Am Montagabend kommt Frankreichs Präsident Francois Hollande nach Berlin. Dabei hat er Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade erst in Riga gesehen und wird am Sonntag zum G7-Gipfel ins bayerische Elmau kommen. Die Zahl der Kontakte ist symptomatisch: Selten haben Merkel und Hollande so eng zusammengearbeitet wie jetzt. Der deutsch-französische Motor stottert nicht, er läuft derzeit zuverlässig auf Hochtouren.
Tatsächlich haben Merkel und Hollande bei der Abstimmung ihrer Aktionen seit Februar einen Gang hochgeschaltet. Seither gibt es kaum ein wichtiges Thema, das die Konservative und der Sozialist nicht gemeinsam anzupacken versuchen. "Es gibt einfach die Einsicht in die Notwendigkeit einer engen Abstimmung", begründet dies Daniela Schwarzer, Chefin des Europaprogramms des German Marshall Funds (GMF) in Berlin.
Ukraine und Griechenland
Erst kümmerte sich das Duo um die Eindämmung der Kämpfe in der Ostukraine. Gemeinsame Flüge nach Moskau und Kiew und dann mehr als 17-stündige Verhandlungen zum Minsker Friedensabkommen Mitte Februar waren die Folge.
Hollande hatte diese Entwicklung schon im Sommer 2014 eingeleitet, als er bei den Feierlichkeiten zum Gedenken an die Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg das "Normandie-Format" erfand - also Treffen der Vertreter Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs. Für den innenpolitisch angeschlagenen Präsidenten war dies eine Möglichkeit, gegenüber der übermächtig wirkenden Merkel ins Spiel zu kommen. Die Kanzlerin wiederum konnte damit Misstrauen gegen eine deutsche Sonderrolle in den Gesprächen mit Moskau abbauen.
Immer enger ist aber auch die Abstimmung zu Griechenland geworden. In Riga trafen sich Merkel und Hollande deshalb zuletzt gemeinsam zu einem nächtlichen Gespräch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Denn der Linkspolitiker sollte verstehen, dass europäische Sozialisten und Konservative gegenüber Athen mit einer Stimme sprechen.
Positiver Nebeneffekt für Merkel ist, dass sie damit auch griechischen Versuche unterlaufen kann, die Debatte über die Rettung des Euro-Landes als einen deutsch-griechischen Schlagabtausch zu skizzieren.
Gemeinsame Gipfelaufgaben
Zweiter und entscheidender Grund für die neue Nähe des Duos ist aber, dass beide Politiker vor zwei wichtigen Gipfeln stehen. Merkel organisiert am kommenden Sonntag das G7-Treffen. Hollande ist dann Ende des Jahres Gastgeber der internationalen Klimaschutzkonferenz. Beide wissen nach Angaben von Mitarbeitern, dass sie nur gemeinsam eine Chance auf Erfolg haben.
Beide haben nach Angaben von EU-Diplomaten zudem den Wunsch, die EU in einer weltweiten Schlüsselrolle zu halten - was schon angesichts der demografischen Verschiebungen in der Welt sehr schwierig ist. Deshalb werden sie im Kanzleramt auch mit Unternehmenschefs darüber sprechen, wie sich Europa angesichts der Übermacht amerikanischer und chinesischer IT-Firmen behaupten kann. Also sorgt Hollande mit dafür, dass Merkel in Elmau glänzen kann. Und die Kanzlerin stellt sich entschieden hinter den Wunsch des Franzosen, dass die Klimakonferenz in Paris den Durchbruch mit bindenden Selbstverpflichtungen aller großen Staaten bringen soll. Vor allem gibt es da Widerstände von China, Indien und den USA.
Arbeit gegen Egoismen
Gemeinsame Linien gibt es auch bei den Zukunftsplänen für die EU. Merkel und Hollande teilen die Einschätzung, dass die Union wegen des britischen EU-Referendums und des Auftriebs für antieuropäische Links- und Rechtspopulisten vor entscheidenden Jahren steht. Berlin und Paris sehen es angesichts wachsender Fliehkräfte als ihre Aufgabe an, den Laden zusammenzuhalten. "Wenn Deutsche und Franzosen nicht gemeinsam integrieren, zerfällt Europa in nationale Egoismen", meint Andreas Jung, Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe im Bundestag.
Kanzleramt und Elysée-Palast haben deshalb für den EU-Gipfel im Juni einen gemeinsamen Vorschlag für eine vertiefte Zusammenarbeit in der Eurozone vorgelegt. Beide beschränken sich bewusst auf Vorschläge unterhalb von EU-Vertragsänderungen, weil diese von fast allen anderen Partnern abgelehnt werden.
Allerdings ändere der Abstimmungs- und Kompromissmarathon nichts daran, dass fundamentale Unterschiede zwischen beiden Ländern blieben, warnt GMF-Expertin Schwarzer. Nicht nur, dass deutsche Politiker schäumen, weil sie eine drohende Einschränkung des Deutschunterrichts durch die sozialistische Regierung fürchten. Merkel muss auch ein Auge zudrücken, wenn Frankreich wieder einmal gegen die EU-Defizitvorgaben verstößt. Und Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron machte in einer französischen Zeitung deutlich, dass er einen gemeinsamen Haushalt der Eurozone und gemeinsame Kreditmöglichkeiten will - was Berlin ablehnt.
Quelle: ntv.de, rpe/rts