Flüchtlinge gehen "uns alle" an Merkel weist Orbán zurecht
03.09.2015, 16:49 Uhr
Der ungarische Premier Orbán sorgt mit einer Äußerung über die deutsche Flüchtlingspolitik für scharfe Kritik. Kanzlerin Merkel widerspricht vehement. Die SPD wirft Orban Zynismus vor.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Vorwürfe des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán wegen der deutschen Flüchtlingspolitik scharf zurückgewiesen. Bei einem Besuch in der Schweiz sagte sie: "Deutschland tut das, was moralisch und was rechtlich geboten ist. Und nicht mehr und nicht weniger." Die Genfer Flüchtlingskonvention gelte nicht nur in Deutschland, sondern in jedem EU-Mitgliedstaat.

Orban hielt sich heute in Brüssel auf, um über die europäische Flüchtlingspolitik zu sprechen.
(Foto: REUTERS)
Orbán hatte den Zustrom von Flüchtlingen als "deutsches Problem" bezeichnet. Die Migranten wollten nicht in Ländern wie Ungarn, Polen oder Estland bleiben. "Alle würden gerne nach Deutschland gehen." Merkel entgegnete nach einem Treffen mit der Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Bern, dies sei ein "Problem, was uns alle in Europa angeht". Darin sei sie sich auch mit Frankreichs Präsident François Hollande einig, mit dem sie am Vormittag telefoniert habe.
Unionsfraktionschef Volker Kauder nannte die Aussage aus Ungarn "falsch". Die Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge sei eine Herausforderung für die ganze Europäische Union und nicht nur für Deutschland. Zugleich ermahnte er Ungarn, sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen an europäische Vereinbarungen zu halten.
"Eine zynische Betrachtungsweise"
Auch die SPD zeigte sich entrüstet von Orbáns Aussage. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte zu Orbans Äußerung: "Das ist völliger Unsinn. Ich kann nur dazu raten, dass diese gegenseitigen Schuldzuweisungen in Europa ein Ende finden. Ich erwarte von uns in allen 28 europäischen Mitgliedsländern, dass wir zusammenarbeiten."
"Wenn Herr Orbán sagt, Flüchtlinge seien ein deutsches Problem, weil die Flüchtlinge in Deutschland anständig behandelt werden, dann ist das eine zynische Betrachtungsweise", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann vor einer Klausur der Bundestagsfraktion in Mainz. Europa falle Tag für Tag ein Stück mehr auseinander in der Flüchtlingsfrage. "Da brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung aller EU-Mitgliedsländer."
Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD forderte mehr Solidarität in der EU: "Es ist natürlich kein deutsches Problem, es ist ein europäisches Problem und es ist eigentlich ein weltweites Problem." Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, Christine Lambrecht, sagte: "Da irrt Herr Orbán ganz gewaltig."
Quelle: ntv.de, mli/dpa