Fünf Schiffe versenkt Mit den Magura-Seedrohnen hat die Ukraine noch einiges vor


Seit November hat die Ukraine mit ihren selbst entwickelten Magura-Seedrohnen fünf Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte versenkt, zuletzt am Dienstag die "Sergej Kotow". Auch in Moskau hat man offenbar bemerkt, wie effektiv die Maguras sind.
Erst seit 2021 war das Patrouillenboot "Sergej Kotow", eins der modernsten Schiffe der russischen Marine, bei der russischen Schwarzmeerflotte im Einsatz. Am Dienstag kam die Zeit der Nutzung des noch vergleichsweise neuen Schiffs zu ihrem vorzeitigen Ende. Das Patrouillenboot, das schon vorher von der ukrainischen Armee angegriffen worden war, wurde in der Nähe der Straße von Kertsch von einer Seedrohne des Typs Magura V5 getroffen und versenkt.
Es war bei Weitem nicht der erste Treffer mit der vom ukrainischen Militärgeheimdienst HUR mitentwickelten Überwasserdrohne in diesem Winter. Dabei lassen erlauben die Wetterverhältnisse im Schwarzen Meer eigentlich erst ab Ende März eine halbwegs normale Navigation.
Bereits am 14. Februar war ein russisches Landungsschiff namens "Caesar Kunikow" von einer Magura V5 versenkt worden. In der Nacht zum 1. Februar wurde die Geschichte des russischen Raketenschiffs "Iwanowez" beendet. Und noch im November, bevor das Wetter im Schwarzen Meer stürmisch und schlecht wurde, gelang es den Ukrainern, mit Magura-V5-Seedrohnen zwei Landungsboote zu zerstören. Einschließlich der "Sergej Kotow" wurden damit bislang fünf Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte in Folge versenkt.
"Natürlich braucht man einen bequemen Sessel"
Vor dem November 2023 waren die Magura V5 nicht so erfolgreich: Gelegentlich konnten mit ihr zwar russische Schiffe beschädigt, jedoch nicht komplett zerstört werden. Wenn bis dahin Schiffe versenkt oder kaum reparierbar beschädigt wurden, dann entweder mit dem ukrainischen Seezielflugkörper Neptun (der Berühmtheit erlangte, nachdem mit ihm im April 2022 der russische Kreuzer "Moskwa" versenkt wurde) oder mit einer britischen Storm Shadow, einem Marschflugkörper, der erstmals im Mai 2023 an die Ukraine geliefert wurde. Bekannt ist neben Magura V5 auch die andere Seedrohne Sea Baby, die vom Inlandsgeheimdienst SBU mitentwickelt wurde und die beim zweiten erfolgreichen Schlag gegen die Krim-Brücke im Einsatz war. Doch wie gelang es dem Militärgeheimdienst HUR, der oft in einer Art internen Konkurrenz zum SBU steht, die Magura V5 derart zu verbessern? Wie kam es überhaupt zur Idee einer solchen Drohne und von wo aus wird diese gesteuert?
Zumindest einige Antworten auf diese Fragen lieferte der ukrainische Investigativjournalist Roman Romanjuk in seiner jüngsten Recherche für das Online-Magazin "Ukrajinska Prawda". Wenn Magura V5 im Einsatz sind, werden sie nicht von der Küste aus gesteuert, etwa aus der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer. Die Drohnenpiloten sitzen in Kiew, rund eintausend Kilometer von den meisten versenkten Schiffen entfernt - und ganz wichtig ist dabei offenbar, einen bequemen Sessel zu haben. "Der Arbeitsplatz an sich sieht sehr gewöhnlich aus. Die Konsole ist relativ klein, wie zwei Computer mit einem zusätzlichen Bedienfeld", zitiert Romanjuk den Chef der Drohnenabteilung von HUR, der im Artikel nur unter seinem Rufzeichen "Kämpfer" auftaucht. "Und natürlich braucht man noch einen Tisch und einen bequemen Sessel, auf dem der Bediener dann ein bis zwei Tage verbringen muss." Daher sei ein ergonomischer und bequemer Sessel tatsächlich dringend nötig.
Einige Informationen unterliegen der Geheimhaltung und durften von der "Ukrajinska Prawda" nicht veröffentlicht werden - so etwa der Name der ursprünglichen Entwicklerfirma, die zunächst mit dem Inlandsgeheimdienst SBU zusammengearbeitet hatte. Auf einem Übungsplatz hatte ein SBU-General eine übliche, mit einem Starlink-Terminal ausgestattete Luftdrohne gesehen und war so auf die Idee gekommen, dass so etwas in ein Boot integriert werden könnte. Die ersten Exemplare waren sehr einfach - im Vergleich zu den aktuellen Modellen "sogar primitiv", wie die "Ukrajinska Prawda" betont. Es gab lediglich einen Kommunikationskanal über Starlink, einen einfachen Motor und ein ebenfalls einfaches Steuerungssystem. Bereits im Juni 2022 begann man mit Tests auf dem Wasser.

Auf den ersten Blick unscheinbar: eine Magura auf einem Bild, das im September 2023 vom ukrainischen Ministerium für digitale Transformation zur Verfügung gestellt wurde.
(Foto: AP)
Die Göttin der Kriegskunst
In der Nacht vom 16. auf den 17. September 2022 versuchte die Ukraine erstmals, diese Drohnen in Richtung Sewastopol einzusetzen, dem Hauptstützpunkts der russischen Schwarzmeerflotte. Die Aktion scheiterte, weil Starlink auf der Krim abgeschaltet war. Ende Oktober 2022 gelangten Vorläufer der Magura V5 nach Sewastopol und beschädigten das neue Flaggschiff der Schwarzmeerflotte, die Fregatte "Admiral Makarow", gewissermaßen Nachfolger der versenkten "Moskwa".
Zwischen der Entwicklerfirma und dem SBU kam es allerdings immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten. Am Ende entschied sich der Inlandsgeheimdienst, die Seedrohnen alleine zu entwickeln - was letztlich auch gelungen ist. Die Zusammenarbeit mit der Firma führte stattdessen der militärische Geheimdienst HUR fort. "Wir waren nicht die Ersten, an die sie herantraten, aber wir sahen das Potenzial in ihrer Entwicklung", sagte HUR-Chef Kyrylo Budanow der "Ukrajinska Prawda". "Also begannen wir zusammenzuarbeiten und arbeiten immer noch recht erfolgreich zusammen."
"Magura" ist in der slawischen Mythologie die Göttin der Kriegskunst und des Sieges. Bei der Wahl des Namens dürfte das nicht das einzige Kriterium gewesen sein, sondern auch die kleine Anspielung auf den militärischen Geheimdienst mittendrin - dessen Name kann auch mit den Buchstaben GUR abgekürzt werden. Die größten und wichtigsten Veränderungen betrafen zunächst einmal die Kommunikationssysteme dieser Überwasserdrohnen. Es war dringend notwendig, vom Starlink-System unabhängig zu sein. Dies ist gelungen. Die modernen Modelle sehen vor, dass so gut wie alle Funktionen rund um die Steuerung verdoppelt werden: Wenn ein Kanal ausfällt, kann über einen parallelen Kanal gearbeitet werden.
Auch die Anwender lernen dazu
Während sich der SBU vor allem auf statische Ziele wie die Krim-Brücke konzentriert, setzt der HUR darauf, Schiffe zu treffen. Deswegen ist die aktuelle Version von Magura V5 kleiner, schneller und wendiger als andere ähnliche Modelle. Bereits im Mai 2023 gelang es der erneuerten Drohne, das russische Aufklärungsschiff "Iwan Churs" auf eine Entfernung von mehr als 500 Kilometern vom Startort zu treffen und zu beschädigen. Im Juli und im September traf Magura gleich zweimal das Patrouillenboot "Sergej Kotow", das nun versenkt wurde.
Dass mithilfe von Magura V5 Schiffe versenkt werden, hat nicht alleine mit technischen Verbesserungen zu tun, sondern auch damit, dass die Drohneneinheit des HUR mit der Zeit lernte, die Drohnen in der Gruppe einzusetzen. "Früher hatten wir weniger solche Drohnen und das Ziel war halt, irgendwie ein Kriegsschiff zu treffen", erzählt ein anonymer Mitentwickler der "Ukrajinska Prawda". "Jetzt operieren wir mit Gruppen von mehr als fünf Drohnen. Der erste Schlag soll meist die Triebwerke treffen, um das Schiff zu immobilisieren. In der zweiten Phase wird der am stärksten gefährdete Teil getroffen. Wenn ein Loch da ist, werden nachfolgende Schläge an derselben Stelle ausgeführt." Wichtig sei zudem, schnelle Entscheidungen zu treffen. So sei die "Caesar Kunikow" ursprünglich nicht das Hauptziel gewesen. Der Konvoi habe sich jedoch bewegt, so dass das eigentliche Ziel nicht mehr erreichbar gewesen sei.
Auch in Moskau habe man bemerkt, wie effektiv die Arbeit mit den Maguras sei, schreibt Roman Romanjuk. Er verweist darauf, dass russische Iskander-Raketen erst kürzlich eine Produktionsstätte getroffen hätten. Danach sei die gesamte Produktion an unterirdische Standorte verlegt worden.
Die Quellen der "Ukrajinska Prawda" sagen einstimmig, dass die Drohne ihr volles Potenzial noch nicht erreicht habe. Demnächst sei geplant, Flugabwehrsysteme und möglicherweise noch andere Waffen auf den Drohnen zu montieren. Das sei eine schwierige, aber realisierbare Aufgabe, sagt Budanow. Der HUR-Chef warnt zugleich vor zu hohen Erwartungen. "Der Einsatz von Überwasserdrohnen wird nicht zur Rückeroberung der Krim führen", betont er. Aber der "Abzug der russischen Schwarzmeerflotte aus" von der besetzten Halbinsel könne so beschleunigt werden.
Quelle: ntv.de