Politik

Fragwürdige Informationspolitik Nato macht sich der Propaganda verdächtig

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Als Nato-Generalsekretär ist Jens Stoltenberg auch für die zweifelhaften Lageeinschätzungen seines Oberbefehlshabers Philip Breedlove verantwortlich.

(Foto: REUTERS)

Zugespitzte Informationen, wenig Transparenz: Wer soll der Nato noch glauben? Nur wenn sie im Internetzeitalter ankommt, kann sie neues Vertrauen gewinnen.

Im Jahr 2015 ist der Zeitpunkt gekommen, an dem das mächtigste Verteidigungsbündnis der Welt etwas von der Internetgeneration lernen muss. Wer mit dem Netz aufwächst, der ist es gewohnt, selbst zu recherchieren. Wer eine Meldung liest, kann sie nachprüfen. Viele der Quellen, die Journalisten nutzen, sind auch für Leser frei verfügbar. Geschäftsberichte stehen online, immer mehr Behörden stellen Rohdaten ins Internet, Millionen Menschen liefern auf sozialen Netzwerken Informationen, Wikipedia sammelt das Wissen der Welt.

Es gibt im Internetzeitalter niemanden mehr, dessen Aussagen nicht hinterfragt würden. Dass der Nato-Oberbefehlshaber offenbar hart zugespitzte Lageberichte aus der Ostukraine verbreitete, zeigt, dass er das nicht verstanden hat. Laut "Spiegel" gibt es Anhaltspunkte dafür, dass er den Einfluss Russlands auf den Ukrainekonflikt übertreibt, um seine eigene politische Agenda zu verfolgen.

Keine besonders gute Quelle

Gleichzeitig gründet der Kreml fremdsprachige Onlinemedien im Ausland und mischt seine Propaganda so in die Informationsblasen, die sich viele Menschen im Westen eingerichtet haben. Für jede noch so absurde Sicht auf den Ukraine-Konflikt gibt es mittlerweile ein Medium, das sie verbreitet. Welchen dieser Informationen die Menschen glauben, darauf haben die westlichen Regierungen und die Nato kaum Einfluss. Unter den vielen öffentlich zugänglichen Quellen ist die Verlautbarung der Nato nur eine – und zwar keine besonders gute.

Die Nato hat die Chance, wieder zu einer respektierten Quelle zu werden. Aber dazu muss sie ihre Informationspolitik ändern. Wenn sie Truppenbewegungen meldet, muss sie auch sagen: Woher kommen die Truppen, welche Route nahmen sie, wo befinden sie sich jetzt? Um wie viele Fahrzeuge geht es, was sind es für Fahrzeuge? Stammt die Information aus der Auswertung von Satelliten- und Drohnenbildern oder von Quellen vor Ort oder aus einer Kombination von beidem? Wie genau sind die Informationen? Beruht ein Teil der Informationen auf Schätzungen? Gibt es Unsicherheiten bei den Angaben oder gar sich widersprechende Geheimdiensterkenntnisse? Und die Nato muss Satellitenbilder vorlegen.

Umstellung ist möglich

Journalisten, Nichtregierungsorganisationen und Anwohnern wäre es dann möglich, Bilder selbst auszuwerten, ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen und Informationen stichprobenartig vor Ort nachzuprüfen. So würden die Nato-Informationen von einer Stimme unter vielen zu einer verlässlichen Quelle. Lageeinschätzungen willkürlich zuzuspitzen, um ein politisches Ziel zu erreichen, wäre nicht mehr möglich. Und genau darauf kommt es an. Nur so entsteht Glaubwürdigkeit.

Natürlich müssen Geheimdienste ihre Quellen schützen. Die Nato kann nicht alles offenlegen, was sie weiß. Aber sie muss mehr offenlegen - so wie es viele Unternehmen und Behörden mittlerweile tun. Wenn es möglich ist, die strategische Ausrichtung der Nato innerhalb von wenigen Monaten von Krisenmanagement auf Landesverteidigung umzustellen, dann muss es auch möglich sein, ihre Informationspolitik von Gegenpropaganda auf Transparenz umzustellen.

Quelle: ntv.de

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