Genehmigung für "Marder" fehlt Niebel wirft Kanzler Verschleppung von Waffenlieferung vor
15.05.2022, 02:40 Uhr
Ex-Entwicklungsminister und heutiger Rheinmetall-Berater, Dirk Niebel, wirft dem Kanzleramt eine Verschleppung bei der Lieferung von 100 Marder-Schützenpanzern an die Ukraine vor (Archivbild).
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
In zwei bis drei Wochen kann der Rüstungskonzern Rheinmetall die ersten Marder-Schützenpanzer an die Ukraine liefern - allein die Genehmigung aus dem Kanzleramt fehlt. Ex-Minister und Rheinmetall-Berater Niebel wittert Verschleppung und sagt, dass längeres Warten mehr Menschenleben in der Ukraine kostet.
Der frühere Bundesentwicklungsminister und heutige Berater des Rheinmetall-Konzerns, Dirk Niebel, wirft dem Bundeskanzleramt ein Verschleppen der Entscheidung über die Lieferung von bis zu 100 Marder-Schützenpanzern an die Ukraine vor. "Wir hoffen, dass das jetzt endlich entschieden wird", sagte Niebel in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" mit Blick auf den von Kanzler Olaf Scholz geführten Bundessicherheitsrat.
Der Rüstungskonzern Rheinmetall will die Panzer ertüchtigen und der Ukraine liefern. Niebel geht von einem rund 100 Millionen Euro schweren Paket aus. "Ohne eine Exportgenehmigung zu haben, hat Rheinmetall schon auf eigenes Risiko begonnen, die Fahrzeuge instand zu setzen, sodass sie in kürzester Zeit ausgeliefert werden könnten", sagte der frühere Entwicklungshilfeminister, der den deutschen Rüstungskonzern in allen Fragen der internationalen Strategieentwicklung und den globalen Regierungsbeziehungen berät.
"Was will man noch mehr Zeit verlieren? Das kostet noch mehr Menschenleben, man muss den Ukrainern in ihrem Existenzkampf die Unterstützung geben, die sie brauchen", sagte Niebel. "In spätestens drei Wochen, eher noch in zwei Wochen, könnten die ersten Fahrzeuge geliefert werden, mit ausreichend Munitionsvorräten dazu, sodass die Kampffähigkeit gegeben ist." Die Ausbildung des Personals könne jedoch erst beginnen, wenn es auch eine Exportgenehmigung gebe. "Deswegen ist das hier eine Frage des Zeitfaktors."
Ukraine zweifelt an "Gepard"-Panzern
Bisher hat die Bundesregierung nur dem Unternehmen Krauss-Wegmann-Maffei die Ausfuhr von bis zu 50 Gepard-Flugabwehrpanzern erlaubt, allerdings blockiert die Schweiz die Freigabe der dort produzierten Munition und das System ist technisch hochkomplex, weshalb selbst die Ukraine diese Lieferung skeptisch sieht. "Also ein Kampffahrzeug, das nicht kämpfen kann, ist in einem Krieg wenig hilfreich", meinte Niebel mit Blick auf die Gepard-Fragezeichen. "Der 'Marder' als taktisches System ist wesentlich weniger komplex als der Gepard", so Niebel. "Es ist ein Schützenpanzer, also ein gesichertes Fahrzeug, um Personal zu transportieren. Und jemand, der in der ukrainischen Armee schon mal einen Panzer gefahren hat, kann dieses Fahrzeug innerhalb von kürzester Zeit fahren."
Niebel verteidigte seinen Einsatz als Rüstungslobbyist für die Lieferung dieser schweren Waffen. "Wir haben erlebt, was in Srebrenica war. Wir haben erlebt, was in Ruanda passiert ist, und wir wollen nicht noch einen weiteren Völkermord in der Ukraine erleben. Deswegen ist es nur folgerichtig, dass man hier massiv einsteigt. In Srebrenica und in Ruanda ist die Völkergemeinschaft gescheitert. Das ist mindestens einmal zu viel. Ein drittes Mal darf uns das nicht passieren."
Niebel sieht Munitionsmangel bei Bundeswehr
Mit Blick auf die Bundeswehr hält Niebel es zudem für notwendig, dass von dem geplanten Bundeswehr-Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro mindestens 20 Milliarden Euro für Munition aufgewendet werden müssen. Das sei notwendig, "um die Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr auch in Kriegssituationen zu gewährleisten", sagte Niebel. Gerade die Beschaffungsprobleme bei der Munition für Gepard-Panzer, die der Ukraine überlassen werden sollen, zeige doch, "dass man immer Lager für die Munition mitdenken muss".
Der Bundestag will wahrscheinlich am kommenden Freitag über die Einrichtung des Sondervermögens und eine entsprechende Grundgesetzänderung entscheiden. Zudem warnte Niebel davor, das Sondervermögen mit den jährlichen Verteidigungsausgaben zu verrechnen. Bundeskanzler Olaf Scholz habe in seiner historischen Rede am 27. Februar im Bundestag zugesagt, mindestens zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens pro Jahr für die Verteidigung auszugeben, plus 100 Milliarden Euro Sondervermögen. "Wenn man beschließt, dass das 100 Milliarden Sonderprogramm für Ausstattung eingesetzt werden muss, dann hat man mehr Flugzeuge, Panzerfahrzeuge, Waffensysteme und Munition. Aber man braucht dann auch mehr Personal, Betriebsmittel und mehr Instandsetzung, sprich Ersatzteile", betonte der FDP-Politiker. "Das kostet Geld im normalen Haushalt, sonst bleibt es ein Strohfeuer."
Quelle: ntv.de, als