Solidarität keine Einbahnstraße Öffnung im Saarland erregt Schwesigs Neid
25.03.2021, 16:31 Uhr
"Dafür habe ich kein Verständnis": Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig am Mittwoch in Laage im Landkreis Rostock.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Das Saarland erklärt sich als ganzes Bundesland zur Modellregion und beginnt nach Ostern mit Lockerungen. Während die Idee in Saarbrücken sogar bei der Opposition für Euphorie sorgt, kommt Kritik aus dem Norden: Mecklenburg-Vorpommerns Landeschefin wirft Ministerpräsident Hans Egoismus vor.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sieht die angekündigten Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Saarland sehr kritisch. "Dafür habe ich kein Verständnis", erklärte die SPD-Politikerin in Schwerin. "Solidarität ist keine Einbahnstraße." Das Saarland erhalte 80.000 zusätzliche Dosen Impfstoff, weil es dort die südafrikanische Mutation gebe. "Das ist auf die Einwohnerzahl gerechnet eine große Menge", so Schwesig. "Wie sollen andere Länder ihren Bürgern erklären, dass sie keinen zusätzlichen Impfstoff erhalten und diese Öffnungsschritte nicht gehen können?"
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte die Entscheidung des Saarlands als "fahrlässig". Die Modellregion sei ein Experiment, das zu einer schnellen Verbreitung gefährlicherer Mutationen in Deutschland führen könne, sagte Lauterbach der "Rheinischen Post". Das Bundesland habe von anderen Ländern mehr Impfstoff gegen Mutanten bekommen und gehe jetzt ein Risiko ein.
Niedrigste Inzidenz aller Bundesländer
Das Saarland will die Corona-Maßnahmen nach Ostern in einem Modellprojekt weitreichend lockern: Ab dem 6. April - dem Dienstag nach Ostern - sollen unter anderem Kinos, Theater, Fitnessstudios und die Außengastronomie wieder öffnen. Voraussetzung sei ein negativer Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden sein dürfe, sagte Ministerpräsident Tobias Hans. Bund und Länder hatten beim jüngsten Corona-Gipfel beschlossen, dass die Länder in einigen ausgewählten Regionen zeitlich befristete Modellprojekte starten könnten - "mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept", um einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens zu öffnen - und um dies zu untersuchen.
Die Zeitspanne des Projekts war zunächst noch unklar, aber das Saarland hatte zuletzt die niedrigste Sieben-Tage-Inzidenz aller Bundesländer. Auch beim Impfen liegt das kleine Bundesland an der Grenze zu Frankreich vorn. An mehr als 350 Orten werden kostenfreie Schnelltests angeboten. In Mecklenburg-Vorpommern sind es nach Angaben der Landesregierung aktuell rund 135.
Lafontaine sieht "Weg aus dem ewigen Lockdown"
Im Saarland selbst kamen die Öffnungspläne der Landesregierung überwiegend gut an. "Das ist genau der Plan B, den wir vor einigen Wochen vorgestellt haben", sagte Oppositionsführer Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Linksfraktion im Landesparlament. "Das ist der einzige Weg, um von diesem ewigen Lockdown abzukommen", sagte Lafontaine. Die Regierung habe zumindest einigen Forderungen der Opposition "jetzt in vollem Umfang entsprochen". Er kritisierte jedoch, nach wie vor werde "grundgesetzwidrig" gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Vor allem auf die Gastronomie, das Hotelgewerbe und den Kulturbereich werde "die ganze Last der Pandemie, was die wirtschaftlichen Verbote angeht", abgeladen.
Auch sei das Saarland beim Impfen und Testen keineswegs so vorbildlich wie Ministerpräsident Hans behauptet habe. Zwar stehe das Saarland bei den Erstimpfungen gut da, bei den Zweitimpfungen rangiere es jedoch nur im unteren Drittel der Tabelle. Bei den Impfungen müsse auch gewährleistet werden, dass tatsächlich die ältesten und am meisten gefährdeten Menschen zuerst geimpft würden. Zudem seien andere, beispielsweise die französische Region Moselle und Luxemburg, auch bei Tests besser: "Wir sind im Vergleich zu den Nachbarregionen deutlich hinterher."
Hans: "Nach Ostern beginnt keine Sause"
Lob kam auch von der Regierungskoalition. "Das ist noch nicht die Normalität, aber das ist ein wichtiger und richtiger Schritt in diese Richtung", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Commerçon. "Es ist Zeit für einen Strategiewechsel. Commerçon betonte, es müsse vor allem dafür gesorgt werden, dass Kinder und Jugendliche sobald wie möglich in die Normalität zurückkehren könnten. "Ohne massive Investitionen wird das nicht gehen", sagte er. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) formulierte: "Die flache Lernkurve, die immer nur im Lockdown endet, kann kein Zukunftskonzept für dieses Land werden." Sie bedauerte, dass ein Teil der Wirtschaft "nahezu 100 Prozent der Last zu tragen hat", während der andere Teil der Wirtschaft ganz gut über die Runden kommen könne. Es brauche "zusätzliche Ausgleiche für jene, die dauerhafte Lasten zu tragen haben." Sie fügte hinzu: "Wir können nicht immer die Gleichen bluten lassen."
Ministerpräsident Hans erläuterte: "Es geht nicht darum, dass nach Ostern irgendeine Sause beginnt. Wir haben weiterhin strikte Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln. Und alles ist an den negativen Schnelltest geknüpft." Er verteidigte die Entscheidung der Regierung: "Wenn man nicht wagt, wenn man sich nicht traut, wird man auch keinen neuen Weg ergründen. Was wir machen, ist auch ein Stück weit eine Wette, dass es funktioniert."
Quelle: ntv.de, mau/dpa