Abschalten allein reicht nicht Ohne CO2-Preis ist Kohleausstieg sinnlos
04.06.2019, 11:28 Uhr
(Foto: imago images / Future Image)
Der Kohlekompromiss gilt als wichtiger Schritt, um den Ausstoß von CO2 zu senken. Aber das Abschalten der Kohlemeiler allein könnte das Gegenteil von dem bewirken, was erreicht werden soll, sagen Forscher.
Ohne einen angemessenen CO2-Preis könnte der deutsche Kohleausstieg den Ausstoß von Treibhausgasen in Europa sogar noch erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) für das Bundesforschungsministerium.
"Dass ein Industrieland mit hohem Kohleverbrauch wie Deutschland den Ausstieg aus der Kohle beschließt, ist ein starkes Signal", sagt einer der Autoren der Studie, Michael Pahle vom PIK. "Jetzt aber brauchen wir wirksame politische Werkzeuge, damit die nun anstehende Umsetzung des Beschlusses der Kohlekommission auch tatsächlich die klimaschädlichen CO2-Emissionen senkt." Sonst bestehe "ernsthaft das Risiko, dass ein Kohleausstieg allein durch Abschaltungen von Kraftwerken das Gegenteil von dem bewirkt, was er bewirken soll".
Hinter dem befürchteten Effekt stehen der Strompreis und der europäische Emissionshandel. Durch das Abschalten der Kohlekraftwerke sinkt laut der Studie erstens das Stromangebot im Markt, wodurch der Strompreis steigt. Dadurch können die im Markt verbleibenden Kohlekraftwerke kostendeckender wirtschaften. Sie erhöhen ihre Produktion und damit ihren CO2-Ausstoß.
Mindestpreis wie bei Ebay
Zugleich senkt der deutsche Kohleausstieg die Nachfrage nach europäischen Emissionszertifikaten. Diese werden dadurch billiger und in der Folge häufiger von ausländischen Kohlekraftwerken aufgekauft. Das wiederum führt dazu, dass auch diese ihre Produktion steigern. "Unter dem Strich kann der Emissionshandel, so wie er heute ist, nicht garantieren, dass der Kohleausstieg wirklich zusätzliche Emissionsreduktionen bringt", sagt Christian Flachsland vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), der zu den Autoren der Analyse gehört.
Die unerwünschten Effekte können der Studie zufolge allein durch eine Verteuerung des Kohlendioxid-Ausstoßes verhindert werden. Zugleich müssten allerdings Emissionszertifikate vom Markt genommen werden. Ein solcher Schritt könnte Deutschland bis zum Jahr 2050 rund 19 Milliarden Euro kosten, so die Studie. Um das zu verhindern, schlagen die Forscher einen Mindestpreis für versteigerte CO2-Zertifikate im gesamten Emissionshandel der EU vor, analog zu einem Mindestpreisgebot auf Ebay. Liegt der Marktpreis unter dem Mindestpreis der Zertifikate, würden automatisch Zertifikate zurückgehalten und könnten gelöscht werden, so die Forscher. Mit einem solchen Mindestpreis könne Deutschland möglicherweise sogar Einnahmen erwarten.
"Bereits wenn eine Pioniergruppe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und wenigen anderen einen solchen Mindestpreis einführen würde, könnte das ein wichtiger Schritt zu einem EU-weiten Mindestpreis sein", sagt Ottmar Edenhofer, Direktor von PIK und MCC sowie Ko-Autor der Analyse. "Der Mindestpreis ist eine Versicherung gegen die Unsicherheiten auf den Märkten - und damit letztlich auch gegen die realen Risiken des Klimawandels wie etwa immer mehr Extremwetter." Die Analyse ist unter dem Titel "Die unterschätzten Risiken des Kohleausstiegs" im Journal "Energiewirtschaftliche Tagesfragen" erschienen.
Die CDU-Vorsitzende Annette Kramp-Karrenbauer hatte am Montag angekündigt, dass ihre Partei bis Herbst ein Konzept für ein Steuer- und Abgabensystem beim Klimaschutz vorlegen wolle. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag festgelegt, noch in diesem Jahr eine "rechtlich verbindliche Umsetzung" zu schaffen, um die Klimaziele bis 2030 einzuhalten. Dass CO2 einen Preis bekommen muss, ist mittlerweile weitgehend Konsens. Umstritten ist, welche Rolle dabei die Ausweitung des Emissionshandels und die Einführung einer CO2-Steuer spielen.
Quelle: ntv.de, hvo/DJ