Politik

Pendler und Gastro profitieren Ökonomen und Verbände zerreißen Steuergeschenke der Regierung

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Die Deutschen lieben ihre Biergärten. Entlastet werden sollten diese dennoch nicht, finden zahlreiche Ökonomen und Verbände.

Die Deutschen lieben ihre Biergärten. Entlastet werden sollten diese dennoch nicht, finden zahlreiche Ökonomen und Verbände.

(Foto: picture alliance / Wolfgang Maria Weber)

Die Bundesregierung versucht viel, um die Wirtschaft in Gang zu bekommen und Bürger zu entlasten. Zwei aktuelle Kabinettsbeschlüsse stoßen bei Experten aber auf massives Kopfschütteln. ZEW-Experte Heinemann wird deutlich: "Im Grunde ist das alles Finanz-Populismus".

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat die von der Regierung beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie und die Erhöhung der Pendlerpauschale scharf kritisiert. "Die Steuersenkungen für einzelne Interessengruppen und pendelnde Bürger laufen in die völlig falsche Richtung", sagte Grimm der "Rheinischen Post". Die Regierung müsste stattdessen "konsolidieren und ihre finanziellen Spielräume für zukunftsorientierte Ausgaben und Reformen nutzen".

Grimm kritisierte, Deutschland bewege sich "auf dem gleichen Pfad, den auch Frankreich gegangen ist. Die neuen Verschuldungsspielräume werden aufgebraucht, um den Bürgern und Interessengruppen Vergünstigungen zu gewähren, die eigentlich nicht finanzierbar sind." Die strukturellen Herausforderungen Deutschlands löse die Regierung so nicht, im Gegenteil.

Das werde sich auch in den Zustimmungswerten widerspiegeln, sagte Grimm der Zeitung weiter. "Mit dieser Politik laufen wir Gefahr, in der gleichen Blockade der Situation zu landen, in der die Franzosen schon heute sind. Die Ränder werden erstarken, was Reformen dann unmöglich machen dürfte." Die Regierung verspiele gerade ihre letzte Chance.

Holznagel: Handwerk steckt auch in Nöten

Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, bemängelte in der "Rheinischen Post", mit der Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie werde nur eine Branche berücksichtigt - "dabei haben auch andere Fachbereiche wie das Handwerk große Probleme".

Holznagel forderte eine umfassende Reform der Umsatzsteuer. Es müsse "klar und zeitgemäß definiert" werden, was lebensnotwendig sei. Hier solle dann einheitlich der reduzierte Steuersatz gelten. "Energie und medizinische Produkte gehören beispielsweise dazu."

Finanzwissenschaftler Friedrich Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) äußerte sich ganz ähnlich. "Die dauerhafte Senkung der Gastro-Mehrwertsteuer ist eine Niederlage der steuerpolitischen Vernunft", sagte er Reuters. Alle Argumente für diese Steuersubvention seien seit Langem entkräftet. Sie begünstige eher reiche Haushalte, privilegiere eine Branche ungerechtfertigt und trage zur weiteren Zersplitterung der Mehrwertsteuer bei.

Dass die Regierung dieses Branchenprivileg nun zulasse, sei Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Sondervermögens. Der Spielraum der neuen Schulden werde an allen Ecken und Enden zweckentfremdet. "Die Gastro-Mehrwertsteuer gehört zu den schlimmsten Fehlverwendungen", sagte Heinemann. "Im Grunde ist das alles Finanz-Populismus."

Foodwatch: McDonald's spart 140 Millionen pro Jahr

Kritik kommt auch von der Verbraucherorganisation Foodwatch. "Während Kitas, Schulen und Krankenhäuser sparen müssen und Verbraucher:innen unter hohen Lebensmittelpreisen ächzen, bekommen Fast-Food-Konzerne ein Steuergeschenk", sagte Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann. "Allein McDonald's spart jährlich 140 Millionen Euro." Die Union revanchiere sich bei der Gastro-Lobby für Wahlkampfunterstützung und Parteispenden. Statt Pommes und Burger zu fördern, brauche es endlich eine Steuerpolitik, die gesundes Essen bezahlbar mache, etwa durch eine Steuerbefreiung für Obst und Gemüse.

Das Kabinett hatte am Vormittag die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ab 2026 beschlossen. Den Staat kostet das laut Finanzministerium 3,6 Milliarden Euro jährlich. Die Pendlerpauschale soll steigen, das kostet im kommenden Jahr 1,1 Milliarden Euro, ab 2027 dann jährlich 1,9 Milliarden Euro.

Quelle: ntv.de, als/AFP/rts

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