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"Gesünder aufwachsen" Özdemir plant Junkfood-Werbeverbot für Kinder

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Verbraucher- und Medizinverbände fordern seit Jahren eine Einschränkung der Junkfood-Werbung.

Verbraucher- und Medizinverbände fordern seit Jahren eine Einschränkung der Junkfood-Werbung.

(Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT)

Ungesunde Ernährung ist beliebt, fördert aber Übergewicht und Adipositas. An Kinder gerichtete Werbung soll nun stark beschränkt werden. Freiwillige Selbstregulierung habe bisher versagt, meint Ernährungsminister Özdemir. Ausnahmen soll es aber unter anderem für die Fußball-EM 2024 geben.

Bundesernährungsminister Cem Özdemir will an Kinder gerichtete Werbung für Produkte mit sehr hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt verbieten. 15 Prozent der Drei- bis Siebenjährigen in Deutschland seien übergewichtig, sechs Prozent adipös, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Werbung für Lebensmittel mit zu hohem Fett-, Zucker- und Salzgehalt habe nachweislich Einfluss auf das Essverhalten von Kindern: "Warum lassen wir es zu, dass Kinder im Schnitt täglich 15 Werbespots für Zuckerbomben, für salzige und fettige Snacks sehen?" Er werde die Pläne nun mit den Koalitionspartnern SPD und FDP abstimmen: "Mir ist völlig klar, dass ich da mit Gegenwind rechnen muss."

Entsprechende Werbung soll nicht mehr erlaubt sein, wenn sie sich gezielt an Kinder unter 14 Jahren wendet. "Wir machen kein allgemeines Werbeverbot", unterstrich Özdemir. "Auch für Chips und Schokolade darf weiter geworben werden." Die Werbung dafür bleibe möglich, wenn sich diese nicht an Kinder richte. Özdemir setzt damit aus seiner Sicht eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um. "An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben", hatte die Ampel-Koalition Ende 2021 vereinbart.

Der Minister unterstrich, dass keine Lebensmittel verboten würden: "Jeder und jede darf essen, was er oder sie möchte." Messlatte dafür, für welche Produkte das Werbeverbot gilt, sollen Ernährungsprofile der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sein. Als ein Beispiel nannte sein Ministerium Frühstücks-Cerealien. Diese sollten laut WHO nicht mehr als 10 Gramm Fett, nicht mehr als 15 Gramm Zucker und nicht mehr als 1,6 Gramm Salz enthalten. Es gebe Produkte, die dieses Profil einhielten, aber auch sehr viele, die dies nicht erreichten.

"Bin kein Verbots-Fanatiker, aber ..."

"Die Regelung umfasst alle für Kinder relevanten Medien, darunter auch das Netz, zum Beispiel Influencer-Marketing", sagte Özdemir. Verboten werden soll aber nicht nur entsprechende direkt an Kinder adressierte Werbung, sondern auch Werbung im Umfeld etwa von Sport- und Familiensendungen zwischen 06.00 und 23.00 Uhr, wenn damit bewusst in Kauf genommen werde, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen werde.

Werbung im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft 2024 soll davon nicht betroffen sein. Es werde sicherlich "hier und da gesagt, der Özdemir ist irre, die Verträge sind doch schon längst geschlossen worden für die Euro24", sagte der Minister. Es werde aber eine Übergangsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes geben. Wann die Gesetzesregelung in Kraft treten soll, blieb noch offen. "Ich bin jetzt alles andere als ein Verbots-Fanatiker", sagte Özdemir. "Aber wir reden hier über ein Thema, in dem klare Regeln unumgänglich sind." Freiwillige Selbstverpflichtungen hätten beim Schutz der Kinder nachweislich versagt. Er setze auf die Bereitschaft der Lebensmittelwirtschaft, ihre Rezepturen zu verbessern mit geringeren Zucker-, Salz- und Fettwerten.

Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßte das Vorhaben, die Organisation Foodwatch sprach von einem "Meilenstein im Kampf gegen Fehlernährung und Übergewicht". Lob kommt auch von der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft erklärte, Özdemir sei "ein großer Wurf gelungen". Adipositas bei Kindern stelle ein zentrales Gesundheitsproblem dar und die Werbung für Ungesundes sei dafür ein wichtiger Faktor. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), Foodwatch, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der WWF sprachen allesamt von einem "Meilenstein" im Kampf gegen Übergewicht und für die Kindergesundheit.

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FDP-Agrarexperte Gero Hocker kündigte Widerstand an. Innerhalb der Ampel werde der Özdemir "keine Mehrheit finden". Özdemir verfolge scheinbar das Ziel, "aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen". SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich zunächst zurückhaltend. Werbung dürfe, was die gesundheitlichen Auswirkungen beworbener Produkte angeht, nicht "irreführend" sein, sagte sie. Aber "Kinder vor ungesunden Lebensmitteln schützen, das müssen, glaube ich, immer noch die Eltern tun."

Kritik kam aus der Opposition im Bundestag. Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger sagte der "Rheinischen Post": "Özdemir ebnet den Weg für Dirigismus, Bürokratie und staatliche Bevormundung."

Quelle: ntv.de, lar/rts/AFP

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