Gegner stören CSU-Kundgebung Parteien bestreiten Endspurt um Wählergunst
22.09.2017, 21:50 Uhr
		                      Nicht alle Anwesenden in München waren Anhänger von Bundeskanzlerin Merkel.
(Foto: REUTERS)
Noch einmal werben Parteien öffentlich um Stimmen. In München werden Bundeskanzlerin Merkel und der CSU-Spitzenkandidat auch von Störern empfangen. In Berlin moniert SPD-Kanzlerkandidat Schulz explodierende Mieten und die Zustände in der Pflege.
Zwei Tage vor der Bundestagswahl haben SPD, Grüne und Linkspartei noch einmal mit Kundgebungen in Berlin um Wählerstimmen geworben. Die Union hatte ihre Abschlussveranstaltung in München. Spannend bleibt das Ringen um den dritten Platz. Letzte Umfragen sehen dabei die AfD vorn.
CDU-Chefin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer demonstrierten in der bayerischen Landeshauptstadt Einigkeit. Beim CSU-Wahlkampfabschluss lobte die Kanzlerin mehrfach die Politik der CSU in Bayern - und Seehofer Merkels Regierungszeit als "gute Jahre". Den Konflikt um eine feste Obergrenze für Flüchtlinge von 200.000 pro Jahr, die die CSU massiv fordert und Merkel klar ablehnt, blendeten die beiden Parteivorsitzenden in ihren Reden weitgehend aus. Mit Blick auf den Streit mit der Schwesterpartei in der Flüchtlingspolitik bekräftigte Merkel: "Was 2015 war, das darf, das soll, das wird sich nicht wiederholen."
Gestört wurde die Kundgebung auf dem Marienplatz von einem massiven Pfeifkonzert und Sprechchören von Unions-Kritikern von links und rechts. Merkel rief diesen zu: "Mit Pfeifen und mit Brüllen wird man die Zukunft Deutschlands mit Sicherheit nicht gestalten." Seehofer sagte über die CSU-Abschlusskundgebung: "Das ist eine Veranstaltung der aufrechten Demokraten und nicht der linken und rechten Schreihälse." Der CSU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, rief den Protestierenden zu: "Die Mehrheit zählt in einer Demokratie - und nicht die Lautstärke."
Schulz kritisiert "Schlaftablettenpolitik"
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warb bei einer Großkundgebung mit einer kämpferischen Rede um Stimmen. Er hob dabei angesichts der niedrigen Umfragewerte für die Sozialdemokraten erneut hervor, dass viele Wähler ihre Entscheidung noch nicht getroffen hätten. "Die nächsten vier Jahre dürfen keine vier Jahre des Stillstands und der Lethargie werden", sagte der SPD-Chef. Merkel habe zuletzt "nur noch müde die Vergangenheit verwaltet" und betreibe eine "Schlaftablettenpolitik". Deutschland brauche aber einen Bundeskanzler, der den Mut habe, die Zukunft des Landes zu gestalten.
Schulz erinnerte daran, dass die SPD in der großen Koalition eine Reihe sozialpolitischer Projekte wie den Mindestlohn oder die abschlagsfreie Rente ab 63 bei 45 Jahren Beitragszahlung durchgesetzt habe. Außerdem sei es den Sozialdemokraten zu verdanken, dass homosexuelle Paare hierzulande bald heiraten dürfen. Allerdings herrsche in Deutschland trotz der guten Wirtschaftslage "nicht in allen Bereichen" Gerechtigkeit, fügte er hinzu. Handlungsbedarf gebe es etwa bei der Chancengleichheit in der Bildung, der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, bei den "katastrophalen Zuständen" in der Pflege und den explodierenden Mieten. Wer außerdem sicher sein wolle, dass das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren bleibe, "der muss Martin Schulz zum Bundeskanzler wählen".
Grüne betonen Ökologie-Themen
Bei einer Pasta-Party in einem früheren E-Werk in Berlin-Mitte versuchten die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir ihre Anhänger für den Wahlkampf-Endspurt zu motivieren. "Wer will, dass dieses Land gerecht und ökologisch wird, dass dieses Land zusammenhält, der wählt Grün", hob Göring-Eckardt hervor. Sie betonte neben der Umweltpolitik besonders das Thema soziale Gerechtigkeit und rief zum Kampf gegen Kinderarmut auf sowie dafür, "dass man nicht mehr arm ist trotz Arbeit".
Auch Özdemir stellte die grünen Kernthemen Ökologie und Umweltschutz in den Vordergrund: "Nur mit uns gibt es den Ausstieg aus den 20 schmutzigsten Kohlekraftwerken und Vorfahrt für erneuerbare Energien." Weiter rief er dazu auf, die Demokratie in Europa zu verteidigen und dabei "die ausgestreckte Hand" des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu ergreifen. Göring-Eckardt und Özdemir wollten in einem abschließenden "Wahl-Marathon" noch einmal in allen 16 Bundesländern auftreten.
Linke warnt vor späterer Rente
Für eine sozialere Politik in Deutschland warb Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht auf dem zentralen Wahlkampfabschluss ihrer Partei am Berliner Alexanderplatz. Nur wenn die Linke stärkste Oppositionskraft bleibe, "werden sie sich diese ganzen sozialen Sauereien wie die Rente mit 70 nicht trauen", sagte die Fraktionschefin. Mit Blick auf Regierungschefin Angela Merkel (CDU) sagte sie: "Diese Bundeskanzlerin hat keine Verlängerung verdient."
In den vier Jahren große Koalition sei das Land nur "verwaltet, aber nicht gestaltet" worden, kritisierte Ko-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch. Auch er setzte in erster Linie auf soziale Themen: "Am Sonntag geht es auch darum, ob wir die Chance kriegen, den Sozialstaat wieder herzustellen."
AfD womöglich drittstärkste Kraft
Im letzten Stern-RTL-Wahltrend vor der Bundestagswahl an diesem Sonntag sackten die Sozialdemokraten ab. Der Erhebung zufolge liegt die SPD nun bei 22 Prozent. Zuletzt war es ein Punkt mehr gewesen. Die Grünen kommen auf 7 Prozent, die Linken erreichen 9,5 Prozent. Rot-Rot-Grün, schon politisch stets ein höchst ungewisses Vorhaben, käme damit lediglich auf 38,5 Prozent. Das ist weit von der absoluten Mehrheit entfernt. Die Union bleibt bei 36 Prozent. Die FDP kommt auf 9,5 Prozent. Das Rennen um den dritten Platz hinter Union und SPD könnte die AfD für sich entscheiden, sie kommt auf 11 Prozent.
Über eine parlamentarische Mehrheit würde allen diesen Umfragen zufolge neben einer großen Koalition nur ein Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, Grünen und FDP verfügen. Alle im Bundestag vertretenen Parteien sowie die FDP haben eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen, die Union auch mit der Linkspartei.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP