Die Islamisten und der Terror Paris geht gegen Hassprediger vor
23.03.2012, 10:00 Uhr
Sarkozy präsentiert sich als starker Mann.
(Foto: dpa)
Der islamistische Serienmörder Mohammed Merah ist noch keine 24 Stunden tot, da reagiert Paris. Im Eilverfahren sollen Gesetze gegen Hassprediger auf den Weg gebracht werden. Premierminister Fillon verteidigt zugleich das Vorgehen der Geheimdienste. Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Wargel sieht auch Deutschland nicht vor Terror gefeit.
Frankreich will nach der im Eilverfahren neue Gesetze gegen Hassprediger verabschieden. Premierminister François Fillon sagte im Fernsehsender RTL, im Falle einer Zustimmung aller Parteien sei die Billigung durch das Parlament noch vor der Präsidentenwahl am 22. April möglich. Ein Gesetzesentwurf werde in den kommenden zwei Wochen dem Kabinett präsentiert werden.
hatte als Konsequenz aus den Serienmorden von Toulouse die Bestrafung von Hasspredigern im Internet und von deren Anhängern angekündigt. Zudem soll jede Person bestraft werden, die sich im Ausland indoktrinieren lässt.
Merah von Geheimdiensten beobachtet
Der 23-jährige Islamist bezeichnete sich selbst als Mudschahedin. Der Polizei hatte er erklärt, dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahezustehen. Nach Behördenangaben gab es zunächst aber keine Hinweise dafür. Merah stand allerdings unter Beobachtung der , weil er in Afghanistan und Pakistan gewesen war. Auch der hatte Merah zumindest zwischenzeitlich im Visier. Merah habe für einige Zeit auf der sogenannten No-fly-Liste mit Terrorverdächtigen gestanden, die in den USA kein Flugzeug besteigen dürfen, sagte ein Geheimdienstvertreter dem Sender CNN.
Fillon verteidigte das Vorgehen der Behörden gegen den Serienmörder. Es sei für die Geheimdienste trotz der Überwachung des Mannes unmöglich gewesen, sein brutales Verhalten vorherzusehen. "Er wurde befragt, überwacht, abgehört. Das ist ein Mann, der ein normales Leben führte", sagte Fillon. Zudem sei in einem Rechtsstaat eine lückenlose 24stündige Überwachung nicht problemlos möglich. "Die Tatsache, einer Organisation anzugehören, ist nicht an sich ein Delikt. Wir dürfen nicht religiösen Fundamentalismus und Terrorismus vermengen."
Auch Merahs Reisen seien überwacht worden: "Mit Blick auf seine Reisen war er auch in Frankreich auf einer Liste. Wenn er an einem Airline-Schalter aufgetaucht wäre, wäre sofort der Inlandsgeheimdienst alarmiert worden. "Er hat es aber nicht gemacht, er ist nicht gereist".
Außenminister Alain Juppé hatte sich zuvor ebenfalls zu der Kritik am Vorgehen der Behörden geäußert. "Ich verstehe, dass man sich die Frage nach einem Versagen stellen kann", sagte Außenminister Alain Juppé im Rundfunksender Europe 1. Da müsse es in der Tat Klarheit geben.
Hat die Elitepolizei versagt?
Die Spezialeinheit Raid (Recherche Assistance Intervention Dissuasion) ist eine Einheit der französischen Polizei. Ihre Aufgabe ist die Bekämpfung des Terrorismus. Sie kümmert sich um die Sicherheit von Kernkraftwerken und anderen wichtigen öffentlichen Einrichtungen. Auch ist sie zuständig für den Schutz offizieller ausländischer Besucher und kommt bei Flugzeugentführungen zum Einsatz.
Kritik gibt es mittlerweile auch an den Spezialkräften. Es müsse gefragt werden, warum es der Polizei-Eliteeinheit Raid als "bester Einheit" der französischen Polizei nicht gelungen sei, einen einzelnen Mann lebend zu fassen, sagte der Gründer einer anderen französischen Spezialeinheit, Christian Prouteau, der Zeitung "Ouest France". Die Operation sei "ohne klares taktisches Schema" ausgeführt worden.
Prouteau sagte, gegen den in einer Wohnung verbarrikadierten Mohammed Merah hätte Tränengas eingesetzt werden müssen. "Das hätte er keine fünf Minuten ausgehalten." Die Spezialkräfte hätten ihn mit ihrem Vorgehen während der mehr als 30-stündigen Belagerung dagegen dazu "bewegt, seinen 'Krieg' fortzuführen". Die von Prouteau gegründete Gendarmerie-Spezialeinheit GIGN gilt als so etwas wie die Konkurrenz der Raid.
Elitepolizisten waren am Donnerstagvormittag nach einem zermürbenden Nervenkrieg in die Wohnung Merahs im südfranzösischen Toulouse eingedrungen. Der algerischstämmige Franzose hatte sich im Bad versteckt und kam um sich schießend heraus. Dann sprang er mit der Waffe in der Hand aus dem Fenster, wobei ihn Scharfschützen erschossen.
Waffen und Filme gefunden
In einem Wagen wurden inzwischen Maschinenpistolen und Revolver des 23-Jährigen gefunden. Seine Taten hatte Merah gefilmt und beim tödlichen Kopfschuss auf sein erstes Opfer, einem Soldaten, erklärt: "Du tötest meine Brüder, und ich töte dich." Einige der Filme sind bereits im Internet aufgetaucht, die Taten darauf seien erschreckend deutlich zu erkennen, so die Staatsanwaltschaft.
Im Internet bekannte sich auch eine Gruppe mit dem Namen "Soldaten des Kalifats" dazu, für die tödlichen Angriffe Merahs verantwortlich zu sein. Mit den "Taten des Gesegneten" seien unter anderem die "Verbrechen Israels" im Gazastreifen gerächt worden, hieß es. Der Wahrheitsgehalt ließ sich noch nicht überprüfen.
Merah hatte am Montag vor einer jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder und einen Religionslehrer erschossen. Zuvor hatte er am 11. und 15. März mit derselben in Toulouse und Montauban drei Soldaten umgebracht. Nach den tödlichen Schüssen entkam er jeweils mit einem Motorroller. Seit dem frühen Mittwoch hielt er sich in einem Haus in Toulouse verschanzt, nachdem die Polizei es umstellt hatte.
"Die Gefahr, vor der wir warnen"
Nach Einschätzung von Niedersachsens Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Werner Wargel handelt es sich bei Merah um einen radikalisierten Einzeltäter, wie er auch in hätte zuschlagen können. "Das ist die Gefahr, vor der wir seit Jahren warnen", sagte Wargel.
Nach den bisherigen Informationen sei der arabischstämmige Täter in Frankreich aufgewachsen, scheinbar integriert und habe sich radikalisiert, ohne einem Netzwerk anzugehören. Zudem habe er Terrorcamps besucht und Kontakte zum Salafismus aufgenommen, einem Sammelbecken für gewaltbereite Islamisten. "Dieser Täter scheint in das Profil eines radikalisierten Einzeltäters zu passen", sagte Wargel.
"Wir sprechen seit 2009 von einer intensivierten Gefährdungssituation", sagte er zur Lage in Deutschland. Gerade aus Afghanistan und Pakistan würden junge Muslime in Europa aufgerufen, in ihrer Heimat Anschläge zu begehen. Anleitungen dazu fänden sie im Internet. "Einzeltäter, die sich über das Internet radikalisieren, sind in ihrer Gefährlichkeit schwer zu erkennen", betonte Wargel.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/rts/dpa