Politik

"Where is Wolfgang?" Schäuble macht sich selbst zum Vorbild

Wolfgang Schäuble sprach vor allem zu seinen Fraktionskollegen.

Wolfgang Schäuble sprach vor allem zu seinen Fraktionskollegen.

(Foto: dpa)

"Ich glaube, dass ich sagen kann, dass ich nicht weniger als irgendjemand sonst um diese Entscheidung gerungen habe", sagt Finanzminister Schäuble vor der Abstimmung über das dritte Griechenland-Programm im Bundestag.

Die Aufregung ist raus aus der Griechenland-Debatte. Den Eindruck vermittelte jedenfalls die Regierungserklärung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Bundestag.

Schäuble war der erste Redner in der Sitzung des Parlaments, Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihrem wichtigsten Minister das Wort überlassen. Sein erster Satz: "Die Entscheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Griechenland fällt nicht leicht." Es gebe beachtliche Gründe für und gegen ein solches Programm.

Danach referierte Schäuble mit größtmöglicher Nüchternheit die Vorgeschichte des dritten Kreditprogramms, über das der Bundestag heute abstimmen wird, sowie die Bedingungen und Überprüfungsmechanismen dieses Programms.

Schäuble wiederholte sein Argument, in Irland, Portugal, Spanien und Zypern seien die Programme erfolgreich gewesen, und auch Griechenland sei bis Ende des vergangenen Jahres "auf einem guten Weg" gewesen. Er räumte ein, dass dies für die Bevölkerung schwierig sei. Allerdings seien "erhebliche Anpassungsleistungen" unverzichtbar, "insbesondere, wenn man Mitglied einer Währungsunion ist".

Das Problem des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras sei gewesen, im Wahlkampf versprochen zu haben, dass Griechenland im Euro bleiben könne und auf diese Anpassungsleistungen verzichten könne. "Und jetzt muss er das Gegenteil von dem machen, was er versprochen hatte."

"Habe nicht weniger gerungen als andere"

Schäuble trug sein Referat so ruhig vor, dass die Abgeordneten seiner Fraktion nur zwei Mal Gelegenheit fanden, ihm zu applaudieren. Eine britische Analystin twitterte als Reaktion auf Schäubles Forderung, Griechenland habe eine Chance verdient: "Wo ist Wolfgang und was habt ihr mit ihm gemacht?"

Ausführlich sprach der Minister über die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds, die von CDU und CSU als zentrale Voraussetzung für weitere Griechenlandhilfen gesehen wird. Für die Bundesregierung sei "unabdingbar", dass der IWF "weiter an Bord" bleibe, sagte Schäuble, nicht nur mit seiner Expertise, sondern auch finanziell, mit einem eigenen Kreditprogramm, das von seinen Bedingungen her identisch mit dem Programm des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM sein solle. Der IWF habe "seine grundsätzliche Bereitschaft zu einer weiteren Beteiligung" auch erklärt, so der Finanzminister, und es bestehe "nicht der geringste Zweifel" daran, dass es dazu kommen werde.

Die Tatsache, dass der IWF die Tragfähigkeit der griechischen Schulden anders bewertet als die europäischen Institutionen, spielte Schäuble herunter. EU-Kommission und Europäische Zentralbank seien zu der Einschätzung gekommen, dass die Schuldentragfähigkeit bei konsequenter Umsetzung des Programms erreicht werden könne. Er sei "ganz zuversichtlich, dass wir im Oktober zu einer gemeinsamen Beurteilung der Schuldentragfähigkeit kommen werden". In diesem Zusammenhang stellte Schäuble auch weitere Schuldenerleichterungen für Griechenland in Aussicht, auch wenn der Spielraum dafür begrenzt sei. Einen Schuldenschnitt schloss er als nicht zulässig aus.

Am Ende von Schäubles Rede wurde noch einmal deutlich, dass er vor allem zu seiner eigenen Fraktion sprach. Natürlich gebe es keine Garantie, "dass das alles funktionieren wird, und Zweifel sind immer erlaubt". Aber angesichts der Tatsache, dass das griechische Parlament einen Großteil der Maßnahmen bereits beschlossen habe, wäre es "unverantwortlich", diese Chance nicht zu nutzen. "Unverzichtbar", "unabdingbar", "unverantwortlich" - so umschrieb Schäuble die Wahl, die die Abgeordneten haben. Das Wort "alternativlos", das die Kanzlerin früher bei ähnlichen Gelegenheiten verwendet hatte, benutzte Schäuble nicht.

"Ich glaube, dass ich sagen kann, dass ich nicht weniger als irgendjemand sonst um diese Entscheidung gerungen habe", schloss Schäuble und machte sich so zum Vorbild für seine Fraktionskollegen, bei denen er bekanntlich höchsten Respekt genießt. Weil er so gerungen habe, könne er mit voller Überzeugung sagen: "Stimmen Sie dem Antrag des Bundesfinanzministers zu."

Wie viele Abweichler?

Wegen der breiten Mehrheit der Großen Koalition ist eine Zustimmung des Bundestags praktisch garantiert. Mit Spannung wird nur erwartet, wie viele Unionsabgeordnete mit Nein stimmen werden. Bei der Entscheidung im Juli, ob überhaupt über ein drittes Kreditprogramm verhandelt wird, gab es 60 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen aus den Reihen der CDU/CSU.

Im Vorfeld der heutigen Bundestagssitzung hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder den Abweichlern gedroht, sie könnten ihre Posten in Bundestagsausschüssen verlieren. Trotzdem gab es bei einer Probeabstimmung in der Unionsfraktion am Dienstagabend 56 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Rund 20 Abgeordnete fehlten bei der Sitzung. Auch heute gab es einige leere Plätze im Plenum.

Von der SPD werden nur wenige Nein-Stimmen kommen, auch die Grünen wollen trotz ihrer Kritik an der Griechenland-Politik der Bundesregierung mit wenigen Ausnahmen zustimmen. Die Linksfraktion will das Kreditprogramm ablehnen. Einige Linke wollen sich enthalten.

Quelle: ntv.de

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