Heiler, Mörder, Extremist Scheich Haron - der Kidnapper von Sydney
16.12.2014, 17:30 Uhr
Man Haron Monis alias Mohammed Hassan Manteghi alias Scheich Haron.
(Foto: dpa)
Wer ist der Mann, der der Nation einen solchen Schock versetzte? Die Suche nach Antworten dauert nicht lange: Man Haron Monis hatte bereits eine dicke Gerichtsakte.
Australien trauert um die Opfer der Geiselnahme von Sydney und Premierminister Tony Abbott fragt stellvertretend für viele Menschen im Land: "Hätte dies verhindert werden können?" Abbot meint dies wohl als Ouvertüre, um die Anti-Terror-Gesetzgebung zu verschärfen. Doch auch unabhängig von einer möglichen Ausweitung der Überwachungskompetenzen der Behörden muss sich Australien diese Frage gefallen lassen. Denn der Täter ist den Behörden seit Jahren bekannt. Doch wer genau war der Mann, der 17 Geiseln in einem Café gefangen hielt und nach 16 Stunden bei der Erstürmung durch die Polizei erschossen wurde?
Der Täter war, nach allem, was man weiß, der Iraner Man Haron Monis, hieß früher Mohammed Hassan Manteghi und nannte sich selbst Scheich Haron. Der 50-Jährige kam 1996 nach Australien und genoss seither Asyl. Hinter seiner Emigration stecken vermutlich kriminelle Aktivitäten. Der britische TV-Sender Manoto1 berichtete, Monis habe im Iran ein Reisebüro geleitet - und sich schließlich mit rund 200.000 Dollar veruntreuter Kundengelder abgesetzt. Er soll demnach im Iran auch schon verheiratet gewesen sein. Seinen eigenen Angaben zufolge wurde er in seiner Heimat verfolgt, weil er den Islam zu liberal auslegte - eine seltsame Begründung angesichts der scheinbar radikal-islamistisch motivierten Geiselnahme.
Die Polizei hatte immer wieder wegen verschiedener Delikte mit ihm zu tun. Es ist denkbar, dass seine juristische Situation seine Tat mit auslöste. Bereits 2002 wurde er wegen sexueller Übergriffe in mehr als 40 Fällen angeklagt. Er betätigte sich damals als selbst ernannter Kleriker und Heiler in einem Vorort von Sydney. In seiner Praxis soll er seinen mutmaßlichen Opfern nahe gekommen sein. Im März 2014 erst mündeten die Vorwürfe in Monis' Verhaftung. Doch Monis wurde gegen Kaution freigelassen.
Aggressive Briefe an Militärangehörige
Eine Entscheidung, die zwei Menschen nun mit dem Leben, Dutzende weitere mit traumatischen Erfahrungen bezahlen mussten. Und sie ist schwer nachzuvollziehen angesichts der Justiz-Akte, die Monis bereits zuvor hatte. Im Jahr 2013 wurde Monis im Zusammenhang mit dem Mord an seiner Ex-Frau Noleen Hayson Pal angeklagt. Es ist ein brutaler Fall: Die Frau wird in einer Wohnung in einem Vorort von Sydney erstochen, ihre Leiche anschließend verbrannt. Die Anklage bezichtigte die neue Lebensgefährtin Monis', Amirah Droudis, der Tat. Monis selbst wurde wegen Beihilfe angeklagt. Er gab an, er werde aus politischen Gründen beschuldigt und bestritt die Tat. Der Richter befand im Dezember 2013, dass die Ermittler bisher zu wenige Beweise präsentiert hatten - er ließ das Paar gegen Kaution frei.
Alarmierend waren die Briefe, die Monis an Angehörige von in Afghanistan gefallenen Soldaten schickte. Darin bezeichnete er diese als Mörder, als "Schweine", die moralisch Adolf Hitler in nichts nachstünden. Er forderte die Familien auf, sich bei der Regierung für einen Rückzug der Truppen stark zu machen. Im November 2009 wurde er deswegen verhaftet. Später versuchte er, sich als Friedensaktivist darzustellen. In dem folgenden Gerichtsverfahren half ihm das nicht, er ist seither vorbestraft.
Schließlich radikalisierte sich der offensichtlich psychisch labile Iraner vollends. Kurz vor der Geiselnahme erklärte Monis schließlich auf seiner Webseite, die mittlerweile gesperrt wurde, IS-Führer Abu Bakr Al-Bagdadi seine Gefolgschaft. Ein IS-Kämpfer also? Immerhin wurden seine Geiseln mehrmals dazu gezwungen, das Erkennungszeichen der Terrorgruppe ins Fenster des Cafés zu hängen. Die Ermittler vermuten dennoch, dass er keinerlei Verbindungen zu bekannten Extremistengruppen hatte.
Auch Monis' Anwalt Manny Conditsis, der ihn bei früheren Gerichtsverfahren vertrat, nannte ihn einen Einzelgänger. Sein früherer Mandant sei ein "extremer Ideologe", die Geiselnahme sei aber kein "gemeinschaftlicher Terrorakt" gewesen. Damit ist Monis der Albtraum der Ermittlungsbehörden. Terroristen, die ihre Taten mit religiösen Führern oder Komplizen absprechen, können eventuell noch rechtzeitig gestoppt werden. "Einsame Wölfe", wie Terrorexperten Täter wie Monis nennen, sind dagegen schwer berechenbar. Keiner weiß, wann er wo zuschlägt - und wie er sich verhält, wenn er in Bedrängnis gerät.
Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa