Politik

Wenig Hoffnung auf eine Lösung Schlechte Stimmung vor Griechenland-Gipfel

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erhofft sich keine Wunder vom EU-Sondergipfel.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erhofft sich keine Wunder vom EU-Sondergipfel.

(Foto: dpa)

"Unerfreuliche Situationen werden durch Wiederholung nicht erfreulicher." Ein abgekämpfter Finanzminister Schäuble spricht aus, was viele Politiker angesichts des eilig einberufenen Sondergipfels denken. Sie haben genug von der Griechenlandkrise.

Drohende Pleite hin oder her - Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras ist zufrieden. Die Einladung von EU-Ratspräsident Donald Tusk zu einem Sondergipfel am Montag hält er nach eigener Aussage für eine positive Entwicklung. Aber die Freude der 18 anderen Staats- und Regierungschefs der Eurozone, zusätzlich zu dem regulären EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag auch zu Wochenbeginn nach Brüssel reisen zu müssen, scheint eher begrenzt zu sein. Und das hat nicht nur organisatorische Gründe.

Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling etwa kritisierte die Entscheidung für den Euro-Sondergipfel ganz offen. "Einen Gipfel einzuberufen, der möglicherweise nicht vorbereitbar ist, weil es am Wochenende zu keinen Entscheidungen kommt, halte ich nicht für sehr zielführend", sagte er beim EU-Finanzministertreffen in Luxemburg. Schelling hatte da gerade ein erfolgloses Gespräch der Finanzminister mit den Griechen hinter sich. Und die Österreicher dürften mit ihrer Skepsis nicht alleine stehen - auch wenn die 19 Euro-Staats- und Regierungschefs der Einladung Tusks folgen werden.

Umkehr des Verfahrens?

Tatsächlich wirkt der Sondergipfel erst einmal wie ein Einlenken auf den seit langem geforderten griechischen Weg der Verhandlungen: Denn Links-Politiker Tsipras pocht seit langem auf eine "politische Lösung" von ganz oben. Sein Hintergedanke sei, dass der Deal für Griechenland weicher ausfallen werde, wenn die Chefs zusammensitzen, argwöhnt man in Berlin und anderen Euro-Hauptstädten. Zum einen seien weniger Detailkenntnisse als bei den Finanzministern vorhanden und zum anderen würden Regierungschefs das "große Ganze" sehen, also etwa auch die politische Bedeutung eines Zusammenhalts in der Euro-Zone.

Bundeskanzlerin Angela Merkel besteht bislang allerdings auf der Fortsetzung des bisherigen Wegs: Danach muss sich die griechische Regierung zunächst mit den drei Institutionen Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und EU-Kommission auf ein konkretes Reformpaket einigen.

Erst wenn die Institutionen mit den Selbstverpflichtungen Athens zufrieden sind, können die Euro-Finanzminister ihren vorläufigen Segen geben – und dann wären die Chefs dran. Detail-Verhandlungen über einzelne Reformen oder gar den von Athen geforderten Schuldenschnitt haben Merkel, aber auch Frankreichs Präsident Francois Hollande in ihren Gesprächen mit Tsipras stets entschieden abgelehnt.

Merkels Sprecher Steffen Seibert machte deutlich, dass dies auch am Montag der Fall sein werde: Ohne eine Einigung mit den Institutionen werde der Sondergipfel nur ein "Beratungsgipfel" sein können. "Eigentlich kann es nach dieser Logik ohne ein griechisches Einlenken am Wochenende nur eine Mahnung der 18 anderen Euro-Chefs an Tsipras geben", sagt ein EU-Diplomat.

Zeitdruck nimmt zu

Fragt sich, warum Tusk den Sondergipfel trotzdem einberuft. Denn mit der Einladung wächst die Erwartungshaltung auf eine Einigung am Montagabend enorm - umso größer wäre aber auch die Enttäuschung, wenn sie nicht käme.

Dass Tusk den Sondergipfel am Donnerstagabend wenige Minuten nach dem Ende der Eurogruppe bekannt gab, ist dabei sicher kein Zufall. In Luxemburg wurde mehr denn je offensichtlich, dass der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis mit seinen 18 Kollegen, IWF-Chefin Christine Lagarde und EZB-Vertretern auf keinen gemeinsamen Nenner kommt. Lagardes Aussage, dass ein Dialog mit "Erwachsenen" wiederhergestellt werden müsse, war deutlich. Deshalb stellt sich die Frage, wie Entscheidungen zu Griechenland in der Eurogruppe überhaupt noch möglich sein sollen.

Auch für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist die Ungeduld der sonst so diplomatischen Lagarde ein klarer Indikator dafür, wie die Stimmung ist. "Vielleicht sind wir nicht in der Lage, den Überlegungen von Yanis Varoufakis zu folgen", sagte Schäuble auf einer Pressekonferenz - nach seiner Sichtweise habe der griechische Finanzminister gestern einen umfassenden Lösungsvorschlag vorgelegt. "Aber wir sehen das anders. Wir warten weiter auf glaubwürdige Vorschläge aus Athen. Vielleicht bewegt sich über das Wochenende etwas in Griechenland." Er sei ein bisschen skeptisch, was den Erfolg des Euro-Sondergipfels am Montag angeht.

Tusk hatte bereits beim EU-Lateinamerika-Gipfel überraschend deutliche Worte zum Thema Griechenland gefunden und die Regierung in Athen aufgefordert, ihre "Spielchen" zu beenden. Der EU-Ratspräsident - der formal auch Euro-Zonen-Chef ist - wolle bei diesem so entscheidenden Thema nicht an der Seitenlinie stehen, hieß es dazu in Brüssel.

Am Freitag richtete Tusk erneut eine klare Warnung in Richtung Athen: "Wir nähern uns dem Punkt, an dem sich die griechische Regierung entscheiden muss, das anzunehmen, was meiner Meinung nach ein gutes Angebot zu weiterführenden Unterstützung ist, oder weiter in Richtung Zahlungsausfall zu gehen", sagte er in einer Videobotschaft. Am Ende könne dies aber nur eine griechische Entscheidung sei, die in der griechischen Verantwortung stehe.

Flankiert wurden Tusks Ermahnungen durch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der sich nach monatelangen, ergebnislosen Verhandlungen mit Athen zuletzt immer frustrierter gezeigt hatte.

Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz riss kürzlich der Geduldsfaden mit der Verhandlungstaktik der Griechen. Die Aussagen von den Chefs der drei EU-Institutionen zielen in die gleiche Richtung: Griechenland ist am Zug - und die EU hat ihr Möglichstes getan, mit Gipfeln, Kompromissangeboten, Verhandlungsrunden. Das ist auch ein Zeichen an die EU-Skeptiker, die versuchen dürften, einen "Grexit" als Beweis für die Unfähigkeit Brüssels auszuschlachten.

Nun ist möglicherweise die Hoffnung, dass die Lage in Griechenland sich so zuspitzt, dass Tsipras keine Wahl bleibt, als einzulenken: Denn die Angst vor einem drohenden Bankenansturm in Griechenland am Montag wächst weiter.

Quelle: ntv.de, sla/DJ

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