Politik

Jahrestag Rostock-Lichtenhagen Scholz: Jeden Tag gegen Rassismus kämpfen

Brandsätze setzen nicht nur Wohnungen, sondern auch Autos vor dem Asylbewerberheim in Brand.

Brandsätze setzen nicht nur Wohnungen, sondern auch Autos vor dem Asylbewerberheim in Brand.

(Foto: picture alliance / Bernd Wüstnec)

Rechte Gewalttäter griffen vor 30 Jahren in Rostock Unterkünfte von Asylbewerbern und vietnamesischen Arbeitern an. Vier Tage lang wütete der Mob, die Polizei konnte ihn nicht stoppen. Zum Jahrestag mahnt Kanzler Scholz, sich täglich gegen rechte Hetze zu stellen.

Zum 30. Jahrestag der rassistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Bürger aufgefordert, jeden Tag gegen Hetze und Rassismus zu kämpfen. Die damaligen Angriffe nannte der SPD-Politiker eine "schreckliche Tat". Aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist Rechtsextremismus heute die größte Gefahr für die Demokratie. Auch Grüne und Linke mahnten, die Erinnerung wach zu halten.

Im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen hatten vom 22. bis 26. August 1992 rechte Gewalttäter das sogenannte Sonnenblumenhaus attackiert, in dem die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber sowie vietnamesische Vertragsarbeiter untergebracht waren. Steine und Brandsätze wurden geworfen, rassistische Parolen gebrüllt, die Feuerwehr behindert. Vor einem Brand konnten sich Bewohner nur mit Glück in Sicherheit bringen. Der Polizei gelang es nicht, die Ausschreitungen zu stoppen.

Innenministerin Faeser erklärte, dies gehöre zu den schlimmsten rassistischen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte. "Es ist bis heute erschütternd, dass kaum einer gegen den Mob einschritt." Viele Schaulustige hätten sogar applaudiert und die Angreifer angestachelt. "Der in Rostock-Lichtenhagen aufgeflammte rechtsextremistische Menschenhass wurde zum Fanal, ebenso wie das zögerliche und halbherzige Verhalten der Sicherheitskräfte und die zu geringe Empathie in Politik und Gesellschaft."

Kulturstaatsministerin Claudia Roth erinnerte daran, dass die damaligen rassistischen Ausschreitungen Auslöser einer ganzen Kette "ausländerfeindlicher Gewaltexzesse" gewesen seien. "Wir müssen und sollten die Erinnerung auch an dieses dunkle Kapitel deutscher Gegenwart wachhalten", sagte die Grünen-Politikerin. Dazu gehörten Orte des Gedenkens ebenso wie wissenschaftliche Einrichtungen zur Dokumentation und Aufarbeitung des Rechtsterrorismus.

Organisationen fordern Aufarbeitung

Der Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung, Timo Reinfrank, forderte eine gründliche Aufarbeitung der Ausschreitungen. Politik und Polizei hätten damals massiv versagt, erklärte er. Mit dem Pogrom verbunden sei eine jahrzehntelange Verharmlosung rechtsextremer Gewalt. Außerdem habe die rassistische Gewalt weit über Rostock hinaus gewirkt. "Das Pogrom ist kein lokales Ereignis gewesen", fügte der Chef der Demokratie-Initiative hinzu.

Der Polizei gelang es nicht, die Ausschreitungen zu stoppen.

Der Polizei gelang es nicht, die Ausschreitungen zu stoppen.

(Foto: picture alliance / ZB)

In einer gemeinsamen Erklärung mit der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl warnte die Stiftung zugleich davor, Rassismus als Problem der Vergangenheit anzusehen. Noch immer seien Geflüchtetenunterkünfte eine Zielscheibe für rassistische Gewalt, erklärten beide. Noch immer fehle auch der politische Wille, "konsequent gegen rassistische Gewalt vorzugehen".

Linken-Chefin Janine Wissler sagte, die Vorfälle stünden für ein dramatisches Versagen des Staates. Sie nannte den erfolglosen Polizeieinsatz, aber auch die vergleichsweise milden Strafen für die wenigen verurteilten Täter. Wissler erinnerte daran, dass es damals eine aufgeheizte Debatte über das Asylrecht gegeben habe. Dieses wurde wenige Monate später im sogenannten Asylkompromiss der Regierung Helmut Kohl mit der SPD verschärft.

Quelle: ntv.de, chf/dpa/AFP

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