"Kraftpaket" für Partnerschaft Schweiz und EU beschließen Deal nach zähem Ringen
20.12.2024, 15:56 Uhr Artikel anhören
"Heute ist ein Tag großer Freude", sagte von der Leyen bei dem Trefffen mit der Schweizer Präsidentin Viola Amherd in Bern.
(Foto: picture alliance/dpa/KEYSTONE)
Die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz sind in zahlreichen Einzelvereinbarungen geregelt. Nach jahrelangem Tauziehen einigen sich beide Seiten nun auf ein umfassendes Abkommen, das die Partnerschaft vertiefen soll. Auch die Reisefreiheit wird darin geregelt.
Die Europäische Union und die Schweiz wollen ihre Partnerschaft dauerhaft festigen. Jahrelange Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel über eine Aktualisierung bestehender Kooperationsabkommen und mögliche neue Abkommen wurden zur Zufriedenheit beider Seiten abgeschlossen, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Schweizer Präsidentin Viola Amherd in Bern sagten.
"Heute ist ein Tag großer Freude", sagte von der Leyen. Die Vereinbarung nannte sie "historisch". "Das Abkommen macht unsere Partnerschaft zukunftsfest." Beide Seiten hätten ein "Kraftpaket" geschnürt, sagte von der Leyen weiter. Bislang sind die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz in mehr als 120 Einzelvereinbarungen geregelt, die nun durch einen umfassenden Text ersetzt werden sollen. Dazu gehören unter anderem Regeln für das freie Reisen, die Lebensmittelsicherheit und die Gesundheit.
Von der Leyen betonte, das Abkommen stelle "gleiche Wettbewerbsbedingungen her, unabhängig davon, ob Marktteilnehmer aus der Europäischen Union oder in der Schweiz ansässig sind". Zudem garantiere es "Personen- und Arbeitnehmerfreizügigkeit für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger in der Schweiz und auch umgekehrt für die Schweizer in der Europäischen Union".
Schweizer lehnten EU-Beitritt ab
Es sei gelungen, "ausgewogene" Lösungen zu erarbeiten, erklärte Amherd. Die Schweizer Regierung hatte sich vor mehr als 30 Jahren für einen EU-Beitritt ausgesprochen, doch lehnte das Volk 1992 allein schon den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit 50,3 Prozent ab. Seitdem sind rund 25 bilaterale Abkommen geschlossen worden.
Viele Abkommen sind wegen Gesetzesänderungen in der EU aber nicht mehr zeitgemäß und sollen nun modernisiert werden. Dazu gehört eine dynamische Rechtsübernahme, wobei die Schweiz ihre Bestimmungen jeweils aktualisiert, um die Harmonie mit EU-Regeln zu wahren. Der Schweiz ging es zudem um einen besseren Zugang zum Binnenmarkt der EU und um Fördergelder etwa aus dem europäischen Forschungsprogramm Horizon. Im Gegenzug soll Bern verbindlich einen Beitrag zur Förderung strukturschwacher Regionen in der EU über 375 Millionen Euro pro Jahr zahlen. Zusätzliche Zusammenarbeit wurde unter anderem beim Gesundheitsschutz und der Weltraumforschung beschlossen.
Zugang zum EU-Binnenmarkt
Die Schweiz gehört unter anderem zum Schengenraum der europäischen Länder, die auf systematische Personenkontrollen an den Grenzen verzichten. Sie hat weitgehend Zugang zum EU-Binnenmarkt und es gilt mit gewissen Auflagen die Personenfreizügigkeit. Zudem arbeiten beide Seiten unter anderem in den Bereichen Asyl, Landwirtschaft, Forschung, Staatsbeihilfen, Informationsaustausch, Banken, Emissionshandel und Polizei zusammen.
Die Schweiz muss nun innenpolitisch die nötigen Anpassungen der eigenen Regeln vornehmen, dann geht das Paket ins Parlament. Die wählerstärkste Partei, die SVP, ist gegen eine weitere Annäherung an die EU und will alles so lange wie möglich hinauszögern. Sie plant auch eine Volksabstimmung zu beantragen. Es könnte bis 2027 oder 2028 dauern, ehe das Gesamtpaket in Kraft tritt. Schweizer Gewerkschaften warnen zudem vor niedrigeren Löhnen, wenn der Arbeitsmarkt stärker für EU-Bürgerinnen und -Bürger geöffnet wird. Die Gespräche waren wegen der Bedenken 2021 zunächst gescheitert.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa/AFP