Politik

Neuer Ton in Flüchtlingsfragen Seehofer schaltet auf seriös

Horst Seehofer, hier bei der CSU-Vorstandssitzung, versucht einen neuen Stil.

Horst Seehofer, hier bei der CSU-Vorstandssitzung, versucht einen neuen Stil.

(Foto: dpa)

Offenbar hat der bayerische Ministerpräsident genug attackiert. Jetzt inszeniert er sich als bodenständiger Manager der Flüchtlingskrise. Vielleicht kann er Merkel so noch härter treffen.

Die bayerischen Landräte und Oberbürgermeister hat Horst Seehofer noch nie so betroffen erlebt wie am Mittwochabend. Es sei keine Erzählung, dass sie an der Grenze seien. Das sei die Realität. Und gleichzeitig erkennen sie kein Ziel und keinen Plan. Jeden Tag müssen sie improvisieren und Notfallmaßnahmen einleiten. So gibt es der bayerische Ministerpräsident zumindest in seiner Regierungserklärung wieder, eine Stunde, nachdem die Bundeskanzlerin in Berlin ihre Politik erklärt hat. Als Regierungschef sei er verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Alarmsignale der Landräte und Oberbürgermeister in Berlin endlich gehört würden.

  Die Botschaft ist nicht neu. Seit Wochen greift Seehofer die CDU-Vorsitzende an. Doch der Ton hat sich verändert. Wurde er zuletzt immer schärfer, stellt Seehofer seine Rhetorik nun um. Aus der Sitzung des CSU-Vorstandes am Montag wurde von keiner neuen Kritik an der Kanzlerin berichtet. Stattdessen habe Seehofer die Geschlossenheit mit der Schwesterpartei beschworen: "Wir reden viel, die Bundeskanzlerin und ich. Und ich bin zufrieden."

Nun zeigt Seehofer auch in der Öffentlichkeit seinen neuen Stil. Weder spricht er polemisch oder aggressiv, noch nennt er seine Kontrahentin Merkel beim Namen. Er wirkt sehr aufgeräumt, spricht frei und mit wenigen Fehlern. Seine Linie hält er dabei aber durch: "Es gilt keine Ordnung, es gilt kein Vertrag, es gilt kein Gesetz", kritisiert er die Bundespolitik. "Ich hätte mir nie vorgestellt, dass ich mich dafür verteidigen muss, wenn ich dafür werbe, den Rechtsstaat vom Kopf auf die Füße zu stellen."

Zahlenmäßige Begrenzung der Zuwanderung

Ohne eine Begrenzung der Zuwanderung werde die staatliche Gemeinschaft in Deutschland und in Europa scheitern, meint Seehofer. Und: "Wenn wir keine Grenzen bei der Zahl der Zuwanderer setzen, wird uns die Bevölkerung Grenzen setzen: Durch Entzug des Vertrauens." Von Bundestagspräsident Norbert Lammert, dem "Inbegriff der Liberalität und Toleranz", sieht er sich darin bestätigt. Der hatte gesagt, "dass nicht alle diejenigen, die in Deutschland ihre Zukunft begründen wollten, nach Deutschland kommen und hierbleiben können".

Doch Seehofer verwischt damit die feine Linie, die zwischen seiner Position und der Lammerts liegt: Lammert fordert, Menschen ohne triftigen Fluchtgrund, die Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland zu nehmen. Seehofer fordert, eine Zahl zu definieren, über die die Menge an Zuwanderern nicht hinausgehen darf. Konsequenterweise müssten dann auch Menschen aus Bürgerkriegsgebieten und mit Asylanspruch abgewiesen werden. Asyl wäre damit kein Grundrecht mehr. Da kann Seehofer noch so sehr betonen, dass er dieses Grundrecht "nicht infrage stellen" wolle.

Ein stärkeres Argument gegen die Politik der Bundesregierung trägt er vor, als es um die Grenzsicherung geht: Seehofer will die deutschen Grenzen besser schützen, Merkel will lediglich die Außengrenzen der EU absichern. Eine "eigenartige Diskussion" nennt der er das: Man könne nicht von der Türkei verlangen, die Grenzen zur EU zu sichern, gleichzeitig aber sagen, dass man die eigenen Grenzen nicht schützen könne.

"Unser Land darf sich nicht verändern"

Seehofers Forderungskatalog an die Bundesregierung enthält viel Bekanntes, aber auch einen Vorschlag, der in der Debatte bislang kaum eine Rolle spielte: Bei der Verteilung von Flüchtlingen sollten auch solche Staaten einbezogen werden, die besondere Verantwortung für die Lage in Syrien hätten. Gemeint sind die USA und arabische Staaten. Die Transitzonen, die die CSU gerne an den Grenzen einrichten möchte, spricht Seehofer auffälligerweise nicht an.

Einen Großteil seiner Rede widmet sich der Ministerpräsident dann den Bemühungen seiner Regierung, die Zuwanderung langfristig zu einem Gewinn für das Land zu machen. Er spricht über ein Wohnungsbauprogramm, ein Ausbildungsprogramm und ein Integrationsgesetz. Bayern soll nicht nur bei den Abschiebungen führend sein, sondern auch bei der Integration. Die Voraussetzung dafür ist gut: Das Land hat finanzielle Rücklagen. Wenn Seehofer das schafft, kann er der Kanzlerin noch gefährlicher werden.

Außerdem will Seehofer eine neue Leitkulturdebatte anzetteln. Es solle um Identität, Grundwerte und "Leitwerte" gehen, die dann im Integrationsgesetz festgeschrieben werden sollen. Wie die Debatte ausgehen soll, weiß Seehofer auch schon. Er zitiert Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, und macht sich ihre Forderung zu Eigen: "Unser Land darf sich nicht verändern."

Quelle: ntv.de

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