Kinderimpfung "große Chance" Sozialminister fordert Abkehr von STIKO
05.08.2021, 09:29 UhrDie Corona-Krise und der Umgang mit der Pandemie sorgen immer wieder für Kritik. Nun nimmt der baden-württembergische Sozialminister die STIKO ins Visier, die Sozialministerin von Niedersachsen kritisiert die Inzidenz als alleinigen Maßstab - beide Minister sehen dringenden Verbesserungsbedarf für die vierte Welle.
Sozialminister aus zwei Bundesländern wollen die Strategie der Bundesregierung im Umgang mit Pandemien anpassen. Der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha schlägt eine langfristige Änderung vor - die Abkehr vom System der ehrenamtlichen Ständigen Impfkommission (STIKO). Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens sieht dringenden Verbesserungsbedarf und fordert neue bundesweite Corona-Regelungen, die die Belastung des Gesundheitssystems stärker berücksichtigen.
Lucha hat sich für ein Bundesgesundheitsamt "mit breiter wissenschaftlicher Expertise", ausgesprochen. "Und ich hätte gerne eine engere europäische Verzahnung. Da darf es keine Konkurrenzunternehmen mehr geben. Ich würde das nach der Bundestagswahl, wenn man mich fragt, auch in Koalitionsverhandlungen einbringen", sagte Lucha in der "Badischen Zeitung". Die deutsche STIKO neige dazu, Entscheidungen der Europäischen Arzneimittelagentur erst mal eher nicht gutzuheißen.
Über die Impfung von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren wird in Deutschland gerade gerungen - möglich ist sie bereits bei niedergelassenen Ärzten und in Impfzentren, allerdings hat die STIKO noch keine allgemeine Empfehlung dafür ausgesprochen. Lucha: "Wir sind der Überzeugung, dass die Impfung für Jugendliche eine große Chance ist, und sind da auch selbstbewusster geworden." Man sehe, dass es mittlerweile in Kanada und den USA mehrere Millionen Impfungen von Jugendlichen gebe.
Nicht nur Inzidenz als Maßstab
Während über die Impfung von Kindern diskutiert wird, sind inzwischen 53 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Damit ist die Herdenimmunität noch lange nicht erreicht. Doch Behrens plädiert dafür, die bundesweiten Corona-Regelungen weniger von der Inzidenz abhängig zu machen. Vielmehr müsse die Belastung des Gesundheitssystems berücksichtigt werden. Die Maßstäbe des vergangenen Jahres und dieses Frühjahrs könnten "bei einer stark gestiegenen Impfquote gerade in den besonders gefährdeten Altersgruppen nicht mehr die Antwort für den kommenden Herbst sein", sagte die SPD-Politikerin der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Darauf habe auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hingewiesen.
Zu einer bundesweiten Neubewertung gehöre, "dass wir neben der Inzidenz, die auch zukünftig eine wichtige Rolle bei der Bewertung insbesondere des regionalen Infektionsgeschehens spielen wird, verstärkt auch andere Parameter in den Blick nehmen müssen", sagte Behrens. Sie nannte die Quote der vollständig geimpften Menschen im Land und auch die Belastung des Gesundheitssystems infolge von schwer erkrankten Covid-19-Patientinnen und -Patienten. Behrens sagte: "Ich persönlich gehe davon aus, dass wir bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens, die mit einem gewissen Infektionsrisiko verbunden sind, möglicherweise nur noch für Personen offenhalten können, die geimpft, getestet oder genesen sind, sollten die Infektionszahlen im Herbst stark steigen."
Quelle: ntv.de, cls/dpa