Wut ist eine Voraussetzung Spionage für den Iran gibt es sogar in Israel
09.02.2025, 13:31 Uhr Artikel anhören
Blick auf Haifa vom Berg Karmel. Hier wurden im Oktober sieben Personen festgenommen, die aus Aserbaidschan stammen. Ihnen wird Spionage für den Iran vorgeworfen.
(Foto: picture alliance / Sipa USA)
Seit Beginn des Gazakriegs wurden in Israel mehrere mutmaßliche Spione verhaftet. Ihr Auftraggeber ist der Erzfeind des jüdischen Staates: der Iran.
Während des 16-monatigen Kriegs mit den iranischen Stellvertretern in Gaza, Libanon und Jemen verzeichneten die israelischen Streitkräfte zahlreiche militärische Erfolge. Dies ist nicht zuletzt auf einen israelischen Spionagering in mehreren arabischen und muslimischen Ländern zurückzuführen. So konnten Terrororganisationen wie die palästinensische Hamas entscheidend geschwächt, im Fall der schiitischen Hisbollah im Libanon sogar fast die gesamte Führung ausgeschaltet werden. Selbst bei den iranischen Revolutionsgarden sind Agenten für den jüdischen Staat unterwegs.
Doch auch der Iran hat ein beachtliches Spionagenetzwerk aufgebaut, aus dem heraus Dutzende Israelis Informationen an den Erzfeind weitergeleitet haben. Selbst zwei Soldaten der israelischen Armee stehen unter Verdacht, für Teheran spioniert zu haben. Einer von ihnen bediente das Luftabwehrsystem Iron Dome und teilte geheime Aufnahmen dieses Systems im Einsatz.
"Wie die meisten wurden auch sie über soziale Medien angelockt", sagt Menachem Ben Ari, ehemaliger Polizeioffizier beim israelischen Interpol-Büro. "Man bat sie zunächst, in Tel Aviv Graffiti mit der Aufschrift 'Kinder von Ruhollah Chomeini' zu sprühen." Naivität schließt Ben Ari aus: "Sie wussten, dass sie mit einem iranischen Geheimdienstoffizier in Kontakt standen."
Beihilfe zum Krieg
Ben Ari zufolge haben im Zuge des Gaza-Kriegs iranische Geheimdienstaktivitäten in Israel um 400 Prozent zugenommen. Zu den schwerwiegendsten zählten Mordpläne gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joaw Galant. Auch der Fall des Iron-Dome-Soldaten sei alles andere als banal: "Die Aufnahmen des Verdächtigten enthalten sensible Informationen", sagt Ben Ari. "Jeder, der diese Systeme versteht, könnte gegen Israel vorgehen. Beide werden jetzt der Beihilfe zum Krieg angeklagt, dem schwerwiegendsten Vergehen im Gesetzbuch, das mit lebenslanger Haft oder sogar Hinrichtung bestraft wird."
Obwohl Israel seit seiner Gründung im Jahr 1948 die Todesstrafe zweimal verhängt hat, gibt es sie offiziell nicht. Reaktiviert wurde sie 1962 für den Naziverbrecher Adolf Eichmann. Theoretisch wäre es auch möglich, Staatsbürger, die den Feind während eines Kriegs unterstützt haben, zum Tode zu verurteilen.
Zu den mutmaßlichen Spionen gehören auch sieben ursprünglich aus Aserbaidschan stammende Personen, die innerhalb von zwei Jahren 600 Spionageaufträge ausgeführt haben sollen. Festgenommen wurde die Gruppe bereits im vergangenen Herbst. Laut Anklage sammelten sie Informationen an Luftwaffenstützpunkten und anderen Militärstandorten. Den Behörden zufolge standen sie über einen türkischen Mittelsmann in Kontakt mit iranischen Agenten und erhielten Zahlungen in Kryptowährung und Bargeld.
Geld ist der Hauptanreiz
"Der Hauptanreiz, für den Iran zu spionieren, ist finanzieller Natur", sagt Uri Bar-Joseph, Professor für internationale Beziehungen an der Universität Haifa. "Bei manchen auch Ideologie oder Erpressung. Je nach Auftrag werden sie von Teheran mit harter Währung entlohnt und bekommen zwischen 2000 und 15.000 US-Dollar. So gelingt es ihnen, Israelis zu rekrutieren, hauptsächlich aus den schwächsten Schichten der Gesellschaft."
Für den Politologen liegt ihre Motivation in der Kombination aus wirtschaftlicher Verwundbarkeit, sozialer Ausgrenzung und politischen Missständen. Zur Zielgruppe Irans gehören oft arabische Israelis, aber auch ultraorthodoxe Juden, Neueinwanderer, Kriminelle oder einfache Bürger mit finanziellen Schwierigkeiten. Sie erhalten beträchtliche Geldbeträge für Aufgaben wie Graffiti-Malerei oder Fotografieren. "Bei jüdischen Israelis, die im Land geboren wurden und zur Armee gingen, ist eine Rekrutierung schwierig", merkt Bar-Joseph an. "Zwar wurden einige angeworben, doch der Mullah Staat konzentriert sich auf diejenigen, die nicht in dieses Profil passen, wie zum Beispiel arabische Staatsbürger. Bei ihnen können auch politische und ideologische Faktoren im Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt sie zusätzlich dazu motivieren, mit iranischen Agenten zusammenzuarbeiten."
Doch Teheran versucht verstärkt, jüdische Informanten zu rekrutieren. Sie wissen von der Einsamkeit einiger Neueinwanderer und nutzen diese aus. Dabei spielen oft kulturelle Bindungen eine Schlüsselrolle, wie bei Menschen aus Aserbaidschan oder Usbekistan, die traditionell dem Iran nahestehen. "Viele Migranten verzweifeln an ihrer stagnierenden Situation", sagt Beni Sabti, ein in Teheran geborener Forscher am Institut für nationale Sicherheitsstudien. "Sie vermissen ihre Heimat und haben Schwierigkeiten bei der Anpassung an eine neue Kultur, Sprache und Umgebung." Der Iran ziele deshalb auf diese Gefühle der Isolation und Unzufriedenheit ab.
Ein Rettungsanker, der zur Sucht wird
Der Nahost-Experte erklärt, dass dieser Prozess oft mit psychologischer Manipulation beginnt. Es wird nach wütenden Menschen gesucht, die mit Israel nicht zufrieden sind - nicht politisch, sondern sozial und emotional. Diese Beschwerden könnten auch auf Kommunikationsschwierigkeiten zurückgehen, auf Sprachbarrieren oder das Gefühl, aufgrund kultureller Überzeugungen oder sogar eines Akzents zurückgesetzt zu werden.
"Durch psychologische Unterstützung und Verständnis erfolgt die erste Annäherung", sagt Sabti. "Diese anfängliche Aufmerksamkeit kann sich wie ein emotionaler Rettungsanker anfühlen und mit der Zeit zur Sucht werden. Sobald Vertrauen aufgebaut ist, beginnen kleine Anfragen wie zum Beispiel nach dem Fotografieren eines Einkaufszentrums. Sobald sie daran Gefallen finden, werden die Missionen und Auszahlungen größer."
Im Spionagekrieg zwischen beiden Ländern sammelt jede Seite Informationen, um der anderen zu schaden. Der von der Hamas angeführte Angriff auf den jüdischen Staat am 7. Oktober 2023 führte auch zu den ersten offenen militärischen Angriffen zwischen Iran und Israel. Dort sorgten die jüngsten Festnahmen für Aufregung und deuten auf Teherans größten Versuch seit Jahrzehnten hin, seinen Erzfeind zu infiltrieren.
"Die Ayatollahs nennen es die Theorie der großen Zahlen", erklärt Menachem Ben Ari die iranische Rekrutierungstaktik. "Ihre Informanten sind nur Mittel zum Zweck. Sie lassen sich durch Misserfolge nicht entmutigen und haben es sogar einkalkuliert." Trotzdem ist der ehemalige Ermittlungsbeamte besorgt über die jüdischen Spionageaktivitäten für den Iran. Zwar sei dessen Geheimdienst nicht zu unterschätzen, doch langfristig kämpfe Teheran um sein eigenes Überleben. "Ihre größte Bedrohung sind interne Konflikte", sagt Ben Ari. "Etwa 80 Prozent der Iraner sind jung. Sie wollen eine offenere Gesellschaft mit friedlichen Verbindungen zum Westen und zu Israel. Es ist eine Frage der Zeit, bis diese hasserfüllte Mullah-Diktatur von innen zusammenbricht."
Quelle: ntv.de